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2014-06-16 Schauspielkritik:

Zauberhafter „Sommernachtstraum”

Burgfestspiele Mayen erfreuen mit gut umgesetzter Shakespeare-Komödie

 
ape. Mayen.  Respekt. Intendant Peter Nüesch hat den Burgfestspielen Mayen einen „Sommernachtstraum” in den Hof der Genovevaburg inszeniert, der breitem Publikum wie passionierten Shakespeare-Liebhabern Freude machen kann. Ein sorgsam geführtes Ensemble bietet im 450. Geburtsjahr des englischen Dramatikers dessen bekannteste Komödie als schön ausbalanciertes Spiel zwischen sprühender Humorigkeit und poetischer Fantastik. Zwar wird hier eine eher traditionelle Spielmanier gepflegt, die an deutschen Stadt- und Staatstheatern kaum mehr zu finden ist. Aber warum nicht? Wenn, wie in diesem Fall, handwerklich gut gemacht, kommt das der Vielfalt unserer Theaterlandschaft zustatten.
 

Nüesch' Bühnenbild lässt höfischer Gesellschaft, verwirrten Liebespaaren, theaternärrischen Handwerkern und zauberischer Feenwelt am Boden viel freien Raum. Zugleich bezieht er Türen und Aussparungen in der hinteren Burgmauer sowie seitliche Balkone bis hinauf zum Wehrgang ins Geschehen ein. Daraus ergibt sich ein Spiel über mehrere Ebenen, was als äußere Entsprechung  tiefenpsychologischer Verflechtungen im Stück gesehen werden darf.

Was ist Traum, was Realität? Hat Kobold Puck (Axel Brauch) im Auftrag Oberons tatsächlich die Elfenkönigin Titania mit dem zum Esel verwandelten Handwerker Zettel in die Lustlaube gezaubert? Hat er versehentlich vier Jungverliebte zu falschen Paarungen getrieben? Dies und mehr lässt sich an der Oberfläche als märchenhaftes und komisches Verwechslungsspiel belachen, darunter aber als Metapher auf die verborgenen Abgründe der Libido verstehen. Die Inszenierung gibt dem Zuseher viel Deutungsfreiheit, spart allerdings auch keine Möglichkeit zum Witzeffekt aus.

Das wird von Shakespeare gedeckt: Sein mehrdeutiger, oft frivoler Sprachwitz ist legendär. Wenn Lysander (Tino Leo) und Demetrius (Robby Plücker) nach einem in Mayen schlagkräftig gefochtenen Eifersuchts-Duell einsehen, dass der Männer Schwert besser in die Scheide gehöre, meint das nicht nur den Friedensschluss. Gesprochen wird in Mayen wohl eine Textmontage aus der historischen Schlegel/Tieck Übersetzung und der modernen, saftigeren von Franz Günther; das Ganze von Nüesch angereichert mit schnippischen Aktualisierungen und Einsprengseln von Goethes Erlkönig bis Villons Erdbeermund. Puristen mögen darob die Stirne runzeln, doch gerade Shakespeare-Komödien überstehen solche Mutwilligkeiten mühelos.

Marcel Zabas Kostüme versetzen die Figuren der realen Welt ins 19. Jahrhundert, in die Epoche der Romantik mit ihrer Vorliebe für Mystik, Mythen und Volkstümlichkeit. Das passt prima zum „Sommernachtstraum” als Geflecht aus höfischer Kultur, Volkskultur und Feensphäre. Schön gearbeitet sind bis in die Bewegungsart der Mimen die Atmosphäre-Unterschiede zwischen den drei Bereichen: Bei Hofe agieren etwa Lorenz Schirren und Adrienn Cunka in hochherrschaftlicher Gemessenheit, als zerstrittenes Königspaar des Feenreiches schweben sie in wiegender Tanztrance erotisch aufgeladen durchs Geschehen.

Trefflich auch die Ausformung der konkurrierenden Jungfrauen: Cecilia Hafiz gibt eine weiche, empfindsame Hermia, Susanne Muhr eine kiebig und kratzbürstig ums Mannsobjekt ringende Helena. Die Handwerker sind ein besonderes Schmankerl: Werner Schwarz führt als nie zu bremsender Zettel eine wunderbar depperte Mischpoke aus sechs sehr verschieden gezeichnete Typen an, die ihr komisches Volksbrettl ganz im Shakespeare'schen Sinne munter schnurren lassen. „Ein Sommernachtstraum” –  in Mayen der bisher beste Shakespeare der Nach-Heyse-Ära.
Andreas Pecht



Infos/Karten: >>www.mayenzeit.de

Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 16. Juni 2014)


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