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2014-09-25 Jubiläum:

Koblenzer Mendelssohn-Tage feiern 20. Geburtstag – Ausgangspunkt war ein Weingut in KO-Horcheim

Über Kunst und Leben von
Felix, Fanny und Co.


ape. Koblenz. Nicht zuletzt auf diese Art entwickelt sich zivilgesellschaftliches und kulturelles Leben: Ein Bürger geht mit einer Idee schwanger, findet Mitstreiter – bald gibt es einen neuen Verein, womöglich ein neues Festival. Viele Veranstaltungsreihen, die heute fester Bestandteil des hiesigen Kulturjahres sind, wurden derart gerade in den 1980/1990ern auf die Schiene gesetzt. So war das anno 1994/95 auch mit den Koblenzer Mendelssohn-Tagen.


Die Idee, „irgendwas mit Felix Mendelssohn Bartholdy zu machen”, spukte Ulf Rademacher schon eine Weile im Kopf herum. Am 12. Mai 1993, da erinnert er sich genau, erfolgte der Schritt vom Gedanken zur Tat: Beim Konzert „Bürger musizieren für Bürger” in der Hoffnungskirche Pfaffendorf trug er Veronika Leggewie seine Mendelssohn-Idee vor – und hatte in der rührigen wie resoluten Musikliebhaberin sogleich die ideale Mitstreiterin gefunden. Diese begeisterte den damaligen Koblenzer Generalmusikdirektor Christian Kluttig für das Projekt; und los ging's. 1994 Vereinsgründung Koblenzer Mendelssohn-Tag e.V., Veronika Leggewie wird Vorsitzende und bleibt es bis 2007 (sie starb 2013 im Alter von 69 Jahren). 1995 dann erster Durchgang des Festivals, das sich mit drei Konzerten, Vortrag und ökumenischen Gottesdienst über ein Wochenende erstreckte.

September 2014. Ich plaudere mit drei Herren aus dem Vereinsvorstand anlässlich des jetzt 20. Jahrgangs der Mendelssohn-Tage. Für einen Verein der Musikpflege nicht eben typisch, stehen dem Vorsitzenden Hans Courbier zwei Geistliche als Mitvorständler zur Seite. Ulf Rademacher ist (pensionierter) evangelischer Pfarrer, tat viele Jahre Dienst bei der Kirchengemeinde Koblenz-Pfaffendorf; zu der gehört auch Horchheim, was nachher die Brücke zu Mendelssohn schlägt. Johannes Stein war katholischer Studentenpfarrer in Koblenz, ist heute Bundespräses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB). Passionierte Musikliebhaber sind alle drei und dem derzeit 125 Mitglieder zählenden Mendelssohn-Verein seit vielen Jahren aktiv verbunden.

Was hat Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) mit Koblenz zu tun, dass sich hier zu seinen Ehren ein Verein gründete? Die Frage birgt ein Missverständnis, das die Erwartungen an die Mendelssohn-Tage lange begleitet hat. Denn es geht dem Verein nicht nur um Felix, den berühmten Komponisten. Der Vereinszweck ist so definiert: „Verständnis und Interesse für das kulturelle Wirken der Familie Mendelssohn fördern”. Unter dieser Prämisse haben sich die Mendelssohn-Tage mit Konzerten, Vorträgen, Publikationen in besonderer Weise auch um das fast vergessene kompositorische Schaffen von Felix' Schwester Fanny (verheiratete Hensel) verdient gemacht.

Doch der Themenkreis ist weiter gespannt, denn der Familie entstammen einige bedeutende Persönlichkeiten. Etwa Felix' Großvater Moses Mendelssohn (1729 – 1786), herausragender deutsch-jüdischer Philosoph und Mitbegründer der Aufklärung. Oder Arnold Mendelssohn (1855 – 1933), Komponist, Musikpädagoge und universeller Denker von Rang. Wie aber kommt Koblenz ins Spiel? Ein Onkel von Felix, der Bankier Joseph Mendelssohn, kaufte 1818 in Koblenz-Horchheim ein Weingut – wo sich die große Familie dann zu Sommerfrische und Weinlese-Idyll traf. Zu Gast hatte sie auch Geistesgrößen wie Alexander von Humboldt, Georg Friedrich Hegel oder Ludwig Uhland. Fanny und Felix brachten dort manche Komposition zu Papier und/oder zu Gehör.

Dies alles war 1994 erst in vagen Ansätzen bekannt. „Wir haben das nach und nach ausgegraben” erinnert sich Rademacher und beschreibt so ein Forschen, das die Mendelssohn-Tage bis heute begleitet. Die Liste der vom Verein herausgegeben Schriften über Felix, Fanny und andere Mendelssohns, über deren Leben und Wirken, ihre Beziehungen zu Umgebung und Zeitgenossen, ist lang. Sie basiert vielfach auf Vorträgen, die Koryphäen der deutschen Mendelssohn-Forschung in Koblenz gehalten haben. Solche Vorträge sind neben den Konzerten wichtiger Teil der Mendelssohn-Tage.

Wobei „Tage” seit 2007 nicht mehr das auf ein Wochenende konzentrierte Festival meint. Diese Struktur wurde wegen des am Ort doch begrenzten Publikumsreservoirs aufgegeben zugunsten einer Reihe von fünf Konzerten, die sich über die zweite Jahreshälfte verteilen. Hinzu kommen alljährlich zwei Vortragsveranstaltungen. Den jetzigen 20. Jahrgang krönt das große Jubiläumskonzert am 1.11. in der Rhein-Mosel-Halle. Unter dem Dirigat von Enrico Delamboye vereint es Rheinische Philharmonie, Bach-Chor Koblenz, Kammerchor Collegium Vocale, Vokalensemble der Liebfrauenkirche und drei Solisten. Auf dem Programm stehen neben Johann Sebastian Bachs Orchestersuite Nr.3 und Mendelssohns Sinfoniekantate „Lobgesang” op. 52 eine Choral-Meditation von Josef Suk und die „Studie für Streichorchester” des tschechischen Juden Pavel Haas. Haas wurde 1944 im KZ Auschwitz ermordet, das Stück hatte er zuvor als Gefangener im KZ Theresienstadt komponiert.

Vor dem 1.11. gibt es noch drei Konzerte, deren Programme von weiteren Eigenarten der Mendelssohn-Tage zeugen: Aufführung von Werken anderer Komponisten, mit denen sich Felix und Fanny auseinandergesetzt haben; Konfrontation der Mendelssohn'schen Werke mit zeitgenössischer Musik; Pflege der Werke (verfolgter) jüdischer Komponisten. So trifft am 28.9. in der Christuskirche die 1. Sinfonie von Felix auf Carl Philipp Emanuel Bachs Orchestersuite Es-Dur  sowie auf Stücke der KZ-Opfer Hans Krása und Erwin Schulhoff. In der Reihe „Koblenzer Evensong” gestalten die Mendelssohn-Tage den Abend des 5.10. mit Werken, die Felix einst für die englische Evensong-Tradition geschaffen hatte. Ein Kammerkonzert am 12.10. bietet Streichquartette von Fanny Hensel und Arnold Schönberg sowie Liedbearbeitungen von Heine-Versen durch Felix und den Gegenwartskomponisten Aribert Reimann.    

Die Koblenzer Mendelssohn-Tage sind kein Massenevent. Doch haben sie mit ernsthafter, profunder Arbeit über 20 Jahre einiges Ansehen im Kreise der europäischen Mendelssohn-Vereine und in der Fachwelt erworben. Fürs hiesige Kulturleben sind die programmatisch anspruchsvollen Konzerte und Vorträge interessante Herausforderung und wertvoller Beitrag zugleich.

Infos: >>www.mendelssohn-koblenz.de     

Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
39. Woche im September 2014)


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