Thema Politik
Thema Gesellschaft
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2014-10-23 Anmerkungen:

 

Alte Terrorismus-Vorbehalte gegen
die PKK nützen nur dem IS

 

ape. Der türkische Präsident Erdogan kritisierte jetzt wiederholt massiv, dass die Waffenlieferungen des Westens an die kurdischen PKK- und PYG-Milizen ein "schwerer Fehler seien, weil es sich bei diesen Organisationen um Terroristen handle. Gegen meinem jüngsten Artikel, Kurden gegen den "Islamischen Staat" (IS) stärken, ohne ihr Selbstbestimmungsrecht zu untergraben, gab es aus der hiesigen Leserschaft Einwände vor allem hinsichtlich einer Unterstützung auch der PKK. Erdogans tatsächliche Gründe unterscheiden sich zwar erheblich von denen einiger Leser. Was vordergründig allerdings beiderseits bleibt, ist der Terrorismus-Vorbehalt gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK und ihre Volksmiliz.

In der Tat agierte diese Organisation im jüngsten und bislang letzten, 1984 losgebrochenen, Konflikt zwischen türkischem Staat und kurdischer Minderheit als bewaffnete Bürgerkriegspartei. Sie benutzte dabei bis vor zwei Jahren sowohl innerhalb der Türkei wie teils im Ausland auch das Mittel des Sprengstoffanschlages in ziviler Umgebung. Aus kurdischer Sicht handelte es sich dabei um Elemente eines Selbstverteidigungs- und Befreiungskampfes gegen gewalttätige/militärische Angriffe der türkischen Machthaber auf Leben, Kultur und Idendität des kurdischen Volkes. Aus der Sicht Ankaras handelt es sich um terroristische Angriffe auf Recht und Ordnung in der Türkei.

Von den frühen 1980ern bis heute sind bei diesem Konflikt auf beiden Seiten insgesamt rund 40 000 Menschen ums Leben gekommen und wurden von der türkischen Armee etwa 3000 kurdische Dörfer zerstört. Seit 2012 gibt es  Verhandlungen um die Beilegung der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzung. Vor zwei Jahren stellte die PKK auch ihre Gewaltaktionen im europäischen Ausland vollständig ein. (>Weiter Hintergründe u.a. hier)

Lässt sich vor diesem Hintergrund die Forderung noch aufrecht erhalten, der Westen solle den Kurden - inklusive der PKK - die von ihnen gewünschte Unterstützung gewähren und zugleich ihr Selbstbestimmungsrecht respektieren?

Ich meine Ja.
 
Denn (dies muss mit Blick auf die leider schnöden Realitäten unumwunden gesagt werden):
 
Es gibt aktuell im Mittleren Osten niemanden außer den Kurden, der den IS aufhalten könnte. Und mit die schlagkräftigsten Einheiten unter den Kurden haben nunmal die PKK und die ihre nahestehende PYG, also die "Terroristen". Realistische Alternative dazu und zu deren Unterstützung im Kampf gegen den IS?? Keine.

UN-Truppen wären eine völkerrechtlich vertretbare Lösung, aber ich kann (wieder mal) bei den westlichen Führungsmächten gar kein Interesse an einer UN-Lösung erkennen, geschweige denn einen Willen sich an dem
dann notwendigerweise robustesten aller je vergebenen UN-Mandate zu beteiligen. Obendrein würde es für ein solches Mandat absehbar im Sicherheitsrat wohl keine Mehrheit geben.

Truppen der Arabischen Liga (mit oder ohne UN-Mandat) könnten politisch ebenfalls eine passable Lösung darstellen. Aber die Araber werden sich darauf wohl nie einigen.

Über Aufrüstung der regulären irakischen Armee und "gemäßigter" Assad-Bekämpfer in Syrien müssen wir nicht reden, denn da kann man den Nachschub auch gleich direkt an den IS schicken.

Bleiben bloß die Kurden. Was nun den Terroristen-Vorbehalt gegen die PKK angeht: Einerseits ist er verständlich, auch mir ist diese Organisation nicht recht geheuer und auch mir haben viele ihrer Anschlagsaktionen in früheren Jahren gar nicht gefallen. Andererseits wissen wir, dass noch jeder Revolutionär, Widerständler, Aufständische, Partisan von interessierter Seite als Verbrecher und Terrorist gebrandmarkt wurde. Ob Titos Untergrundkämpfer
oder die französische Resistance, ob Ben-Gurions Hagana oder Arafats Al Fatah, ob Castros Mannen oder Mandelas ANC, ob Vietcong oder Sandinisten etc.: alles "Terroristen".

Der Begriff "Terrorist" hat im Frieden und in einem freiheitlich-zivilrechtlichen Umfeld seine Berechtigung. Unter Revolutions-, Kriegs- oder Bürgerkriegsbedingungen ist er völlig unbrauchbar.

Fakt bleibt: Die PKK ist offenbar eine militärisch sehr effektive und in etlichen Teilen Kurdistans unter der Bevölkerung auch recht stark verankerte Kraft. Auf sie können die Kurden im Kampf gegen den IS nicht verzichten. Und wer sonst außer den sich und ihre Heimat verteidigenden Kurden könnte oder wollte derzeit den IS-Barbaren am Boden entgegentreten?

Natürlich gibt es nicht "DIE Kurden"; kein Wunder bei einer Zersplitterung des Volkes auf vier Länder (plus ein halbes Dutzend anderer Enklaven). Die Fülle der kurdischen Organisationen, Parteien, Verbände - mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen und teils je eigenen Kampfeinheiten - ist nahezu unüberschaubar. Dennoch gilt in der jetzigen Phase sowohl für das Verhalten von außen wie bei den innerkurdischen Bemühungen das alte Volksfront-Primat: Angesichts des gemeinsamen übergeordneten Gegners hat bis auf weiteres jeder interne Zwist hintanzustehen.

Leider nicht völlig von der Hand zu weisende Befürchtungen, die kurdischen Fraktionen könnten nach einem Sieg über den IS aufeinander losgehen, können kein Argument sein, der derzeit gemeinsamen kurdischen Front die unterschiedslose Unterstützung zu verweigern. Ich weiß: Allein im Irak sind sich schon die diversen Peschmerga-Fraktionen nicht wirklich grün und obendrein mit den PKK-Milizionären alles andere als dick befreundet. Dies alles tut im Augenblick aber nichts zur Sache, solange sie gegen den IS an einem Strang ziehen. Außerdem sind die  Gruppierungen in den Jahren seit Saddams Sturz durch die Amerikaner in der aufblühenden Kurdenprovinz innerhalb eines zerfallenden Irak ganz gut miteinander ausgekommen. 

Die Hoffnung stirbt zuletzt - und sie verbindet sich im Augenblick nunmal primär mit einer (säkularen) Einheitsfront möglichst aller Kurden gegen den IS.
                                   
Andreas Pecht

-----------------------------------------------------------------------------------------
Wer oder was ist www.pecht.info?
-----------------------------------------------------------------------------------------

/Terrorismus-Vorbehalte gegen die PKK nützen nur dem IS/

 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 

eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken