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2014-10-28 Ausstellungsbesprechung:

"Ernesto Neto - Haux Haux" im Arp Museum Remagen

Du wirst umarmt von dieser Kunst

 
ape. Remagen-Rolandseck. Selten überkommt einen beim Betreten einer Kunstausstellung der Reflex, zuerst einmal die Augen zu schließen, um den Geruchssinn zu schärfen. Die jetzt im Arp Museum Rolandseck eröffnete Schau „Haux Haux” mit Werken von Ernesto Neto provoziert genau dies. Denn: sie riecht – dezent zwar, aber an diesem Ort doch völlig unerwartet nach Gewürzen. Nelken, Kukuma, Kardamom, Pfeffer, Kümmel und andere identifiziert die Nase.



Die Gerüche entströmen sackartigen, tropfenförmigen Anhängseln, Auswüchsen, Verdickungen in und an filigranen Netzen, Geweben, Verschlingungen aus Polyamid- oder Naturstoffen des brasilianischen Künstlers. Gefüllt mal mit Gewürzen, mal mit Erbsen und Bohnen oder auch Mineraliensplittern verleihen sie vielen seiner Skulpturen und Installationen trotz ihrer schwebenden Leichtigkeit Halt und einen elastischen Zug zur Erdenschwere.

Beim Anblick von der Decke hängender oder quasi über Wände kriechender oder sich raumfüllend  ausbreitender Arbeiten drängt sich der Begriff „biomorph” auf. Gerundete, fließende, organische, der Natur entlehnte Formen ohne geometrische Ecken und Kanten erinnern stark an das so gekennzeichnete Gestaltungsprinzip von Hauspatron Hans Arp. Die ästhetische Verwandtschaft zwischen dem 1966 gestorbenen deutsch-französischen DaDa-Altmeister und dem 1962 geborenen  Gegenwartskünstler ist unverkennbar. In einem eigenen Ausstellungsteil, der Werke beider in direkten Dialog stellt, wird das sehr schön deutlich.

Der Brasilianer, der eben erst für eine große Ausstellung im Guggenheim-Museum Bilbao gefeiert wurde, bekennt sich zu dieser engen Beziehung. „Ich fange da an, wo Arp aufhört”, sagt er. Kein Wunder, dass der Direktor des Arp Museums, Oliver Kornhoff, seit langem davon träumt, Neto als einen der wichtigsten heutigen Künstler Südamerikas im Arp-Kontext seines Hauses zu präsentieren. Vor drei Jahre hatten sie den ersten Kontakt miteinander, aus dem ist diese erste museale Einzelausstellung mit Neto in Deutschland erwachsen.

Was aber unterscheidet das Biomorphe des Jungen von dem des Alten? Ein Aspekt ist zentral: Während die Skulpturen Arps zwar ohne Festlegung des Blickwinkels, aber doch nur von außen zu betrachten sind, ziehen Netos Werke die Besucher mit ganzem Körper in sich hinein. Menschen werden Teil der Kunst, wie sie auch Teil der Natur sind, der sich diese Kunst so sehr verbunden fühlt.

Da gehört zur Skulptur „In the corner of life” eine Hängematte; sie will benutzt sein. Da sind „Humanóides” genannte Sitzelemente, die den Benutzer gewissermaßen in sich aufnehmen. Da laden zwei große, Rundzelten ähnliche und von besagten Gewürzsäckchen in Form gespannte Installationen zum Betreten ein. Die eine halbtransparent und mit Sitzkissen ausgestattet Gemeinschaftserlebnis motivierend. Die andere aus undurchsichtigem, aber licht-weißem Tüll mit einem auf butterweichem Boden begehbaren Spiral-Labyrinth im Innern.



Der Ausstellungstitel „Haux Haux” meint Anfang-Ende-Harmonie und ist ein Ausdruck der Huni Kuin-Indianer im Amazonasgebiet, mit denen der Künstler seit einiger Zeit zusammen lebt und arbeitet. Eine Abordnung des Volkes war zur Ausstellungseröffnung mit an den Rhein gekommen. Dessen Vorstellung der geistigen, emotionalen und materiellen Ganzheit von Natur, Mensch, Gesellschaft, von Außen- und Innenwelt durchdringt Netos Kunst spürbar. Sie stellt sogar eine direkte Verbindungen zwischen dem Weltverständnis der Indianer und Arps Kunst her: In einem Dunkelraum ist per Videoinstallation mitzuerleben, wie Häuptlingssohn Txana Bane die Skulptur „Kauernd” von Hans Arp mit einem Heilungslied besingt.

Ist das indianische Weisheit oder DaDa? So oder so bleibt es Element einer Kunst, die bald poetisch, bald humorig, bald ernst, aber stets sinnlich an etwas erinnert, das uns die geschäftige Moderne nimmt: Das Gefühl für die allseitige Verwobenheit der Lebenswelt.
Andreas Pecht


Bis 25. Mai 2015.
Info: >>www.arpmuseum.org                                                                                    

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 28. Oktober 2014)


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/Ausstellung, Ernesto Neto im Arp Museum/

 
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