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2015-02-26 Vorbericht:

Mainz beteiligt sich 2015 mit drei Ausstellungen
an der Luther-Dekade


Reformation mit Schwert
und Massenmedien

 
ape. Mainz. 2017 jährt sich der Beginn der Reformation zum 500. Mal. Nicht nur Deutschland wird dann jener historischen Entwicklung gedenken, die mit dem Martin Luther zugeschriebenen Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 in Wittenberg einsetzte. Einer Entwicklung, die mit dem Christentum zugleich ganz Europa in seinen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Grundfesten erschütterte. Das Gedenken begann bereits 2008 mit der Ausrufung der Luther-Dekade, in deren Verlauf bundesweit eine Vielzahl von Veranstaltungen auf das Reformationsjubiläum hinführen. In Mainz wurden nun drei Ausstellungen präsentiert, die 2015 einen besonderen rheinland-pfälzischen Beitrag zu dieser Kampagne leisten.

Dass es beim 500-Jahre-Jubiläum nicht primär um bloße Jubelfeiern, sondern um kritische Auseinandersetzung geht, darauf verweist Margot Käßmann in ihrem Vortrag „Reformation und Toleranz” im Rahmen des Festaktes in der Mainzer Staatskanzlei. Als Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche für das Reformationsjubiläum unterzieht sie den Antijudaismus Luthers sowie seine Parteiergreifung für die Obrigkeit gegen Thomas Münzer und aufständische Bauern einer bemerkenswert offenen und scharfen Kritik.

Mehr noch: Käßmann macht deutlich, dass Reformation und Gegenreformation von krasser Intoleranz geprägt waren, insofern die christlichen Fraktionen mit unversöhnlichem Absolutheitsanspruch einander bekämpften – und in der Folge der gesamte Kontinent ins mörderische Chaos des Dreißigjährigen Krieges gestürzt wurde. Doch erhellt sie als quasi frohe Botschaft auch, dass die Geschichte der Reformation nachher ebenso eine „Lerngeschichte der Toleranz” geworden ist – von diversen, die Glaubensfreiheit garantierenden regionalen Toleranzedikten schon im 16./17. Jahrhundert bis zu den Ökumene-Bemühungen der Gegenwart.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer unterstreicht als Schirmherrin aller drei Mainzer Ausstellungen einen oft vernachlässigten Aspekt: „Rheinland-Pfalz hat wie kein anderes Land im Westen Deutschlands zentrale Erinnerungsorte der frühen Reformationszeit vorzuweisen.” Sie spricht damit  auf den Reichstag zu Worms 1521 an, wo Luther mit den Worten „Hier stehe ich. Gott helfe mir. Ich kann nicht anders“ sich weigerte, seine Glaubenspositionen zu widerrufen. Oder auf die Reichstage zu Speyer von 1526 und 1529, die für das Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken so wichtig waren.

Schließlich verweist Dreyer auf die Ebernburg bei Bad Kreuznach, auf der Franz von Sickingen ab 1520 protestantischen Theologen sowie dem Humanisten Ulrich von Hutten Quartier bot, und die er zu einer „Herberge der Gerechtigkeit” (Hutten) machte. Diesem späten Vertreter der  Ritterkultur widmet sich ab 21. Mai (bis 25.10.) im Landesmuseum Mainz die Ausstellung „Ritter! Tod! Teufel? – Franz von Sickingen und die Reformation”. Er legte sich mit Fürsten und selbst dem Kaiser an, forderte Säkularisierung der Kirchengüter, führte gar die Ritter aus schwäbischem und rheinischem Niederadel 1522/23 zum pfälzischen Ritteraufstand. Mit dieser Heldenfigur als Angelpunkt thematisiert die Ausstellung den Einfluss der Ritter auf die Reformation und entfaltet mit Gemälden von Dürer, Cranach und Kollegen, mit Rüstungen, Flugblättern oder Fehdebriefen ein Panorama der späten Ritterzeit.

Bereits am 28. April (bis Februar 2016) eröffnet das Mainzer Gutenberg-Museum eine Schau unter dem skurrilen Titel „Am 8. Tag schuf Gott die Cloud”. Mit dem Verweis auf die digitale Datenwolke wird allerdings eine sinnfällig Brücke zur Reformation gespannt. Luther und Mitstreiter nutzten zur Verbreitung ihrer Ideen systematisch die damals noch neuen, modernsten Medien des Buch- und Flugschriftendrucks in hoher Auflage auf Basis von Gutenbergs Erfindung des Druckens mit beweglichen Metalllettern in fast maschineller Produktionsweise. Luthers Bibel war ein Besteller. Laut Museum nicht zuletzt auch ihrer Bilder wegen, die „Liebe, Hass, Sex, Erotik, Dämonen, Schönheit, Treue, Mut, Tapferkeit” und manches mehr, das die Menschen bewegt, thematisieren. Die Ausstellung handelt von der Macht des Wortes und der Macht der Bilder in massenhafter Verbreitung als wirkmächtigem Instrument damals wie heute.

Als dritte und letzte Ausstellung startet am 5. September (bis Januar 2016) im Dom- und Diözesanmuseum Mainz die Sonderschau „Schrei nach Gerechtigkeit”. Sie wird sich mit rund 300 Exponaten dem mittelrheinischen Leben am Vorabend der Reformation widmen – einer Zeit der Widersprüche zwischen sozialer und politischer Bedrängnis hier, technisch-wirtschaftlichen Innovationen und Beginn humanistischer Bildung dort.

Andreas Pecht


Infos:

* Landesmuseum Mainz 21.5. – 25.10.2015:
Ritter! Tod! Teufel? – Franz von Sickingen und die Reformation
>>www.landesmuseum-mainz.de

* Gutenberg-Museum Mainz 28.4.2015 – 28.2.2016:
Am 8. Tag schuf Gott die Cloud  
>>www.gutenberg-museum.de

* Dom- und Diözesanmuseum Mainz 5.9.2015 – 17.1.2016:
Schrei nach Gerechtigkeit – Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation
www.dommuseum-mainz.de

                                                                                     


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
am 26. Februar 2015)

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