Theater
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2015-05-15 Ballettkritik:

Das Publikum jubelt -
aber worüber eigentlich?



"Eastman"-Compagnie mit der Choreographie "Genesis" bei Maifestspielen Wiesbaden zu Gast

 
ape. Wiesbaden. Nach 90 pausenlosen Minuten endet das Gastspiel der „Eastman”-Tanzcompagnie bei den Maifestspielen Wiesbaden für den Beobachter völlig unerwartet: Ein Großteil des Publikums jubelt – während er und eine kleine Minderheit im Großen Haus des Staatstheaters rätseln, worüber eigentlich. Die irritierte, aber interessierte Nachfrage bei begeisterten Sitznachbarn erhellt: Die vom Pekinger Yabin Studio beim marokkanisch-flämischen Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui und seinem Ensemble in Auftrag gegebene Produktion „Genesis” traf auf ganz unterschiedliche Erwartungen und wurde auf ganz unterschiedliche Weise wahrgenommen.


Gleichwohl schälen sich im Gespräch zwischen dem Gelangweilten und den Faszinierten auch einige Gemeinsamkeiten heraus. Als sinnfällig wird beiderseits das Bühnenbild aus beweglichen, gut mannshohen Glaskästen erachtet, die einzeln als Reagenzgläser, zusammengefügt als Labor verstanden werden können. Darin finden quasi Schöpfungsakte statt, wird unter den wachsamen Augen umtriebiger Weißkittel eine Spezies geschaffen, werden Menschen modifiziert, entstehen Adam und Eva. Mit deren Sündenfall kommen Eitelkeit, Konkurrenzkampf, Krieg in die Laborwelt.

Beiderseits ebenfalls als gelungen gilt eine Szene, die Adams Erweckung zeigt: Wie der auf einer Pritsche liegende tote Körper ruckend, zuckend, schlagartig aufrichtend und in diverse verkrümmte Posituren werfend sich erst zu puppenartigem, dann zu tänzerischem Leben durchkämpft, das ist ein beinahe artistisches Bravourstück. Gleiches lässt sich über eine poetische Jonglage-Szene mit gläsernen Glitzerkugeln (Äpfel vom Baum der Versuchung?!) sagen. Das ist hübsch anzuschauen, gehört freilich mehr ins Varieté als in die Sphäre des Balletts.

Und damit beginnen denn auch die Meinungsverschiedenheiten unter den Zusehern. Die einen stören sich nicht an zirzensischer Varietémanier, sofern sie nur schön aussieht, etwas erzählt  und Atmosphäre schafft. Dem anderen ist das zu viel Effekthascherei und zu wenig Tanzkunst. Überhaupt scheiden sich am Tanz selbst die Geister, obwohl auch die Fraktion der Begeisterten einräumt, dass das Figurenrepertoire der sechsköpfigen Truppe ziemlich schmal ist und sich im Laufe des Abends endlos wiederholt. Stilistisch ist das eine Mischung aus weich schwingenden freien Bewegungsformen a la Mary Wigman und zeitgenössischer Neoklassik.

Die relative Eintönigkeit des Tanzes täte der Sache aber keinen Abbruch, meinen die Begeisterten, weil das was da getanzt wird, auf hohem Niveau geboten werde und sich zu einem stimmigen Ganzen füge. Stimmt. Trifft übrigens genauso auf die Livemusik zu, die als quasi endloser Klangteppich aus global verpopten Ethnoelemente diverser Weltgegenden das Bühnengeschehen grundiert. Ob das langweilig ist, gar nichtssagend, oder toll und meditativ, darüber kann sich die freundliche Plauderrunde im Foyer nicht einigen. So sehen wir am Ende betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen. 

Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pulikumsmedium außerhalb dieser website am 15. Mai 2015)


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