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2015-05-18 Tanzkritik:

tanzmainz bestätigt mit „Montreal” sein Potenzial

Starker Abschluss der ersten Saison – Frage nach eigenem Chefchoreografen bleibt

 
ape. Mainz. „Montréal” heißt die jüngste Produktion der Compagnie „tanzmainz”, deren Premiere jetzt viel Applaus bekam. Der Titel rührt daher, dass hier zwei von Choreografen aus dem frankokanadischen Raum am Mainzer Staatstheater entwickelte Stücke zur 90-minütigen Uraufführung gebündelt sind. Damit beschließen Danièle Desnoyers und Jo¶e Navas die erste Saison der neu ausgerichteten Tanzsparte, die nach dem Willen der neuen Intendanz gänzlich aus Choreografien von Gästen bestand. Beim Verzicht auf einen eigenen Chefchoreografen will man auch künftig bleiben.



Über das Konzept – die ortsansässige fast 20-köpfige Tanztruppe ausschließlich in die Hände wechselnder Kreativer von auswärts zu geben – gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Weshalb in dieser Sache noch zu streiten wäre. Schließlich gehört fürs treue Publikum seit jeher das Mitverfolgen der Entwicklung einer eigenen Stilistik am Ort zu den spannendsten Aspekten der Spartenarbeit sowie der allüberall hoch geschätzten Vielfalt deutscher Stadt- und Staatstheaterlandschaft.

Dass die Mainzer Compagnie eine erlesene Zusammenstellung beachtlicher Talente ist, haben die Vielseitigkeitsanforderungen dieser Spielzeit bewiesen. Der jetzige „Montréal”-Abend unterstreicht diesen Befund neuerlich. Doch würden wir nun recht bald gerne erleben, wie und wohin sich die vorhandenen großen Potenziale unter der kontinuierlichen Ägide eines hochkarätigen Hauschoreografen entfalten, entwickeln, wachsen.  Dann könnte „tanzmainz” vielleicht, wie dereinst Martin Schläpfers „ballettmainz”, vom bloß ortsbezogenen Spartennamen zur künstlerischen Marke mutieren – zum Synonym für einen am Mainzer Staatstheater entstehenden, im Idealfall unverwechselbaren Stil als Beitrag zur zeitgenössischen Tanzkunst.

Diese perspektivisch unausweichliche Diskussion schmälert keineswegs die Qualität der aktuellen Uraufführung von Desnoyers' Stück „Blue Hour: Stunde der Wölfe” und Navas „Dénouement” (Auflösung). Thematisch, ästhetisch und stilistisch liegen die beiden Teile recht eng beisammen. Eine große Geschichte erzählt keiner und doch verdichten sich in beiden Fällen viele Einzelmomente zur mal humorigen, mal melancholischen, mal bitterernsten Auseinandersetzung um das Verhältnis zwischen den Geschlechtern sowie zwischen Einzelnen und der Gruppe.

„Blue Hour” konfrontiert zwölf junge Menschen miteinander. Mit herausfordernd aufgerichteter Haltung und entschlossenem Schritt begegnet jeder jedem in aggressivem Misstrauen. Was cool und stark erscheint, ist gewappnete Verschlossenheit; womöglich von Angst vor Verletzung herrührend. Kann der Tanz diese individuelle Isolation innerhalb einer sich vielfach fremden Gemeinschaft aufbrechen? Das ist die Leitfrage, die sich in Desnoyers Arbeit hinein interpretieren lässt.

Man ist geneigt, aus dem bald temporeichen Fluß einander überlappender, auseinander hervorgehender Formationen, Solos, Duos, Trios nach Modern-Dance-Manier ein „Ja” abzuleiten. Denn bald schälen sich immer wieder Momente gegenseitigen Stützens, freundlichen oder freundschaftlichen Zusammenwirkens bis hin zu zärtlich-liebevollem Miteinander heraus. Dies wird gestört durch eine Passage, in der kunterbunt gekleidete Tänzerinnen paarweise zum Vortanzen auf die leere Bühne treten, dort bald von einem Mannsbild herumgeschupst werden. Die Mädels tanzen, wie man in Discos und Clubs heutzutage tanzt – weshalb ihr Auftreten auch als Eintreten in die Sphäre öffentlicher Eitelkeiten und Paarungskonkurrenz gedeutet werden kann.

Auch bei Navas bleibt uneindeutig, in welchem Umfeld sich sein Stück bewegt. „Dénouement” beginnt und endet mit einem zärtlich-schmiegsamen, erotisch aufgeladenen Pas de Deux von Alessandra Corti und Marin Lemiæ. Nach fast klassischer Ballettstruktur entspinnt sich dazwischen, was Traum oder Erinnerung sein könnte: ein teils satirisches, teils sportives, teils poetisches Spiel, das von einer rückwärtigen Stuhlreihe wechselnde Besetzungen zu Tanzaktionen ins Rampenlicht schickt. Interessant, wie unterschiedliche Kostüme (Sonya Bayer) die Wirkung selbst von ähnlichen Bewegungen verändern: Unterstützen schlabbrige Hosen und Langarmshirts den Eindruck federleichter Quirligkeit, so nachher nackte Haut weiche, zarte Impressionen oder aber satirische Muskelprotzerei.

Navas gibt seiner Vorliebe für solistischen und klein besetzten Tanz breiten Raum. Das ermöglicht es dem Zuseher zwischen all den beachtlichen Talenten ganz besondere zu identifizieren. Neben Corti, Lemiæ und dem kraftvollen Mattia de Salve wäre da zuförderst Ada Daniele zu nennen, in deren Können Anzeichen eines persönlichen Charismas aufleuchten.


Andreas Pecht

Info: >>www.staatstheater-mainz.com

(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pulikumsmedium außerhalb dieser website am 18. Mai 2015)


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