Thema Ausstellung / Geschichte
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2015-05-27b Ausstellungsbesprechung:

Landesmuseum Mainz widmet Franz von Sickingen eine opulente Ausstellung

Der „letzte Ritter” und
die Reformation


ape. Der 1481 auf der Ebernburg bei Bad Kreuznach geborene Franz von Sickingen wird oft als „der letzte Ritter” bezeichnet. Es gab zwar neben und nach ihm noch andere aus dem Stand des gewappneten Kleinadels, der in ständiger Zwietracht mit den Landesfürsten lag; etwa Götz von Berlichingen, dem Goethe mit seinem gleichnamigen Drama ein Denkmal setzte. Sickingen allerdings darf als Letzter gelten, der mittels Tugenden wie Unsitten der spätmittelalterlichen Ritterkultur große Politik machte.

Das Landesmuseum Mainz wurde jetzt eine Ausstellung eröffnet, die jene Umbruchzeit vor 500 Jahren zum Gegenstand hat. Im Zentrum steht Franz, ein Mann, der in der Westpfalz und im Nahe-Raum bis heute Teil regionaler Identität ist. Die Schau stellt ihn unter dem Titel „Ritter! Tod! Teufel?” als schillernde Figur vor, die an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert zugleich Vertreter untergehender Ritterkultur sowie des Fortschritts in Gestalt von Humanismus und Reformation war.



Die Ausstellung räumt der Ritterkultur breiten Raum ein. Den Besucher empfängt das lebengroße Standbild eines Ritters in Rüstung zu Pferde. Einige Schritte weiter schlagen sich gerüstete Edelmänner im Fußkampf. Das teils originale, teils getreu nachgebaute Rüstzeug belegt die hohe Handwerkskunst damaliger Schmiede. Gleichwohl waren Rüstungen nebst Schwert, Streitaxt, Lanze in Sickingens Zeit ebenso Auslaufmodell wie das mit Auszügen aus Turnierbüchern dokumentierte ritterliche Reglement.

Die Schlachtfelder umwehte schon reichlich Pulverdampf von Musketen, Mörsern, Kanonen. Sickingen bekam diesen Umbruch der Waffentechnik bei seinem letzten Gefecht zu spüren: Er hatte sich 1523 auf seiner Burg Nanstein bei Landstuhl/Pfalz verschanzt, wollte dort den Armeen der Fürsten aus Kurpfalz, Hessen und Kurtrier trotzen. Der Legende nach saß er auf dem Donnerbalken, als eine Kanonenkugel einschlug und Trümmer ihn erschlugen.

Ob auf Plumsclo oder Wehrmauer: Sickingen kam bei der Kanonade zu Tode. Die von Landesmuseum und Uni Mainz gemeinsam entwickelte Ausstellung beschreibt den Kampf um Nanstein mit zeitgenössischen Dokumenten, einem Modell der Burg und dreidimensionalen Schlachtentableaus, die vor dem Hintergrund eines raumbreit vergrößerten Holzstichs aus jener Zeit Fundstücke damals eingesetzten Kriegsgeräts präsentieren. Derartige Vergrößerungen historischer Darstellungen durchziehen die gesamte Ausstellung, ermöglichen interessante Detailbetrachtungen der in Vitrinen präsentierten Originale.

Sickingen war er ein Haudegen, von dem ungewiss bleibt, ob man ihn eher als Warlord im eigenen Interesse oder als Revolutionär wider „Fürsten und Pfaffen” verstehen soll. Die Fürstbischöfe behandelten ihn ab 1519 als Ausgeburt des Teufels, wie die Mainzer Schau darlegt. In eben jenem Jahr lernte er Ulrich von Hutten kennen und sich von diesem für Humanismus und Reformation begeistern.

Der Wandel muss flott gegangen sein, denn noch kurz zuvor hatte Sickingen sein Schwert sowohl in Diensten des deutschen Kaisers wie des französischen Königs geschwungen, hatte auf Seiten des Wormers Bischofs gegen die Bürger der Stadt gefochten und diverse andere Fehden ausgekämpft. Die wechselnden Parteinahmen des – durch Heirat sowie Kupfer-, Silber- und Quecksilber-Abbau an der Nahe steinreichen – Ritters sind teils schwer nachvollziehbar. Klar ist, Sickingen schlug sich dann auf die Seite der Reformation, öffnete Hutten, Butzer und anderen Reformatoren die Ebernburg als Schutz- und Diskursdomizil. Weshalb Hutten von einer „Herberge der Gerechtigkeit” sprach.

Beinahe wäre auch Martin Luther 1521 dort gelandet, statt vor dem Reichstag in Worms den Widerruf seiner Schriften zu verweigern. Sickingen hatte ihm Schutz und Trutz an der Nahe angeboten. Doch vermutete Luther eine Finte der Papisten, ihn vom wirkmächtigen Auftritt in Worms abzuhalten. Also ließ er die Ebernburg links liegen. Die Ausstellung dokumentiert und inszeniert rund um eine historische Druckpresse die Reformationzeit als massenmediales Ereignis. Dank Gutenbergs Drucktechnik konnten zahllose Streitschriften und Flugblätter in Umlauf gebracht werden. Diese Pamphlete waren scharf, giftig, satirisch. Bilder und Texte, die Führer der jeweiligen Gegenpartei als Esel, Fresssäcke, Lustmolche, gar den Leibhaftigen selbst denunzieren, wurden in tausendfachen Auflage unters Volk gebracht.

Die Ritterkultur ging bald unter. Das Ringen ums rechte Christentum nahm seinen blutigen Lauf. Doch ist dies nicht mehr Thema der Ausstellung. Die springt abschließend ins 19. Jahrhundert, um anhand von Gemälden die Renaissance eines künstlichen Rittertums als Tugendideal der Romantik zu thematisieren. Da wurde auch Franz von Sickingen umgedeutet und vereinnahmt – als Held im Dienste einer mächtigen deutschen Nation.

Infos: >>www.landesmuseum-mainz.de

Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung der obigen Kurzfassung außerhalb dieser website am 21. Mai 2015)

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