Quergedanken Nr. 127
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2015-08-28 Kolumne/Glosse:
 
     
     
     
    In der Hitze
    der Nacht
     

 

ape.
Wenn Sie das hier lesen, sind die Hitzewellen des 2015er Sommers womöglich schon ausgestanden. Ob der Herbst ein goldiger oder grauer wird, weiß niemand. Denn ehrwürdige Bauernregeln gelten nicht mehr. Zwar ist das Wetter für die nächsten paar Tage bisweilen etwas zuverlässiger vorhersagbar, ansonsten aber gänzlich unberechenbar, weil Jahrhunderte alte Wahrschheinlichkeits-Beobachtungen mitsamt Götterbeschwörungen im menschengemachten Klimadurcheinander halt nix nützen. So bleibt fürs allfällige Plaudern übers Wetter neben der verlässlichsten aller Wetter-Apps (Blick aus dem Fenster) nur das jüngst Erlebte.

Bestens erinnerlich sind heuer die Hitzetage 30plus bis 40. Fast mehr noch die Nächte, in denen Schlaf zum dösigen Bad im eigenen Saft wurde. Was die Tage angeht, so hat jetzt hoffentlich auch der Letzte kapiert, warum südländische Kulturen von Alters her anders ticken als hiesige: Langsamkeit ist bei Gluttemperaturen ebenso pure Überlebenstechnik wie die ausgedehnte Siesta. Und ob die summarische Wirtschaftsbilanz über den Sommer unter solcher Praxis mehr leidet als unter technischer Vollklimatisierung, das hat noch keiner ausgerechnet. Ökologisch indes ist klar: Vollklimatisierung stellt wegen des horrenden Energieverbrauchs einen gravierenden Rückschritt dar gegenüber Langsamkeit, Siesta, Hitzefrei.

In einer dieser Nächte, da selbst Nacktheit auf statt im Bett nichts half, obendrein stechlustigen Besuchern derart allzu viel Angriffsfläche geboten ward, trieb es mich vom verschwitzten Lager. Was tun nachts um dreie? Für gute Lektüre ist das Hirn zu träge und zu solcher Stunde wäre das frühere Testbild wohl die interessantere Alternative im TV-Programm. Also den PC hochgefahren, um einige Foren abzuklappern, auf denen Öffentlichkeit aktuelle Ereignisse diskutiert. Ich hätte es besser gelassen! Nach 30 Minuten dachte ich bei der Zeile „In der Hitze der Nacht” nur noch an den gleichnamigen 1967er-Film über eine von dumpfem Rassismus durchseuchte US-Kleinstadt. Ich war geneigt, jedes Vertrauen in Vernunft und Menschlichkeit eines  Teils meiner Landsleute vollends fahren zu lassen.

Das Thema Flüchtlinge dominierte den Diskurs. Ach was Diskurs; das war oft brutalstes Gekeife wider die humane Selbstverständlichkeit, hilfsbedürftigen Menschen zu helfen, eben weil sie Menschen sind. Ich mag nicht wiederholen, welche Unsäglichkeiten da gesagt werden, mal in braunrassistischer Offenheit, mal in scheinbar gemäßigter „Sorge ums Vaterland”. Ich will hier nur daran erinnern, dass 100 Prozent der deutschen Bevölkerung in der ersten, dritten oder x-ten Generation Abkömmlinge von Migranten sind. Und ich will daran erinnern, dass noch niemals (!!) in der Menschheitsgeschichte irgendjemand mit welchen Mitteln auch immer die Wanderung von Menschen, ja ganzen Völkern verhindern konnte –  die sich fern einer gefährdeten, gebeutelten, elenden Heimat Überleben, Schutz, Auskommen, ein bisschen Glück erhofften.

Flucht, Wanderung, Migration und stets aufs Neue Vermischung der Völker sind eine ewige Eigenschaft unserer Spezies: seit dem Zuzug des Homo sapiens von Afrika her; seit der Einwanderung von Kelten, Germanen, Goten nach Mittel- und Westeuropa; seit den großen Wanderbewegungen während Industrialisierung, Kolonialismus und infolge neuzeitlicher Kriege; seit dem Westzug von fast vier Millionen Ostdeutschen nach dem Mauerfall …


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
35./36. Woche im August/September 2015)
                                            

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