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2016-01-28 Essay:

 

Die peinliche Verhüllung
nackten Kulturerbes in Rom

Kein Kotau vor dem Islam, bloß ein Zeichen von Geistlosigkeit im italienischen Apparat

 
ape. Erst irritierender, inzwischen hohe Wellen schlagender Vorgang beim Staatsbesuch des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani diese Woche in Italien: Irgendjemand auf Seiten der italienischen Gastgeber hatte beschlossen, dass in den Kapitolinischen Museen Roms dort, wo der Staatsgast vor die Presse tritt, einige antike Nacktstatuen mit Verschlägen verhüllt werden. Ob diese Maßnahme von Italiens Regierung oder Roms Stadtverwaltung oder einem Museumsdirektor veranlasst wurde, ist im Augenblick unklar.

Auf vatikanisches Ansinnen scheint die Bedeckung der seit 2000 Jahren nackten Figuren jedenfalls nicht zurückzugehen, die angeblich aus Respekt vor der iranischen Kultur und dem islamischen Glauben Ruhanis erfolgt sei. Von einem diesbezüglichen Wunsch der iranischen Seite ist ebenfalls  nichts bekannt. Doch Italiens Rechtsparteien wettern jetzt lauthals gegen eine „Unterwerfung” und ein „unannehmbares Signal der Unterlegenheit” gegenüber dem Islam.

Diplomatie und Staatsetikette sind seit jeher seltsame Felder, auf denen mannigfach Gepflogenheiten herrschen, die sich dem Verständnis des Normalbürgers oft entziehen. Höchstes Feingefühl wird den Prokotollchefs abverlangt, sobald der Terminkalender die Begegnung von Staatsoberhäuptern vorsieht. Wer geht beim Abschreiten der Ehrenformation auf welcher Seite? Wer gibt wem beim Defilee des Diplomatischen Korps zuerst die Hand? Wer darf vor der Presse wozu und wie lang das Wort ergreifen? Was kann man der Begleitung von Staatsgästen beim „Damenprogramm” zeigen oder zumuten? Wer bringt beim Bankett auf wen oder was den ersten Trinkspruch aus? Oder, eine der schwierigsten Fragen des Protokolls überhaupt: Was wird als Speis' und Trank serviert?

Diplomatie ist immer
ein schwieriger Balanceakt


Am Ende sind all diese und Tausende andere Fragen Teile eines politisch-diplomatischen Puzzels, das zur optimalen Beantwortung einer einzigen Frage führen soll. Einer Frage, die auf der Gastgeber- und auf der Gastseite gleichermaßen im Zentrum steht: Wie kriegen wir es hin, bei unserer Begegnung zu einem Ergebnis zu kommen, mit dem beide Seiten leben können, vielleicht sogar glücklich sind? Diplomatie ist immer ein Balance-Akt, und bisweilen können schon Kleinigkeiten ein sorgsam gewebtes Netz zerreißen.

Was, wenn sich die deutschen Sicherheitsbehörden beim Besuch des US-Präsidenten Bush 2005 in Mainz geweigert hätten, die teils irrwitzigen Forderungen und das rigide Dominanzverhalten der amerikanischen Sicherheitsmannschaft, zähneknirschend, zu akzeptieren? Wenn sie nicht ganze Stadtteile in den Ausnahmezustand versetzt und Kanaldeckel zugeschweißt hätten? Was, wenn Nixons Protokollchef bei der Pingpong-Diplomatie der 1970er nicht seinen anfänglichen Schock über Spucknäpfe neben jedem Sessel im Pekinger Verhandlungssaal Maos überwunden hätte? Was, wenn es Fürst Metternich nicht gelungen wäre, die Delegationen aus aller Herren Länder während des sich endlos hinziehenden Wiener Kongresses auch mit allerhand Vergnüglichkeiten bei Laune zu halten?

An solche Dinge mögen Italiens Protokoller gedacht haben. Auch und wohl in erster Linie daran, was auf dem Spiel steht: Wirtschaftsaufträge in zweistelliger Milliardenhöhe, die ihr Land so dringend braucht. Deshalb sollte wohl nicht die kleinste Kleinigkeit Anlass zu Misstimmungen bieten können – und wurde in tatsächlich peinlicher Weise das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Beim Staatsbankett wegen des islamischen Alkoholverbots keinen Wein zu servieren, mag noch angehen. Auch unsereins zwingt privatim vegetarisch eingestellten Gästen weder Schweinsbraten noch Rumpsteak auf. So etwas ziemt sich einfach nicht für einen aufmerksamen Gastgeber. Allerdings: Unsereins würde auch einfach zwei alternative Speisen respektive in diesem Fall Getränke mit und ohne Alkohol auf den Tisch bringen. Fertig. Ein verständiger Gast würde daran keinen Anstoß nehmen.

Die Antike gehört zu Rom wie die
Chomeini-Moschee zu Teheran

Mit der Schamverhüllung des Kulturerbes ist das jedoch ein ganz andere Sache. Die Antike gehört zu Rom wie der Eiffelturm zu Paris, das Deutsche Eck zu Koblenz, der Dom zu Köln, der Golestanpalast und die Imam-Chomeini-Moschee zu Teheran. Weshalb es an Geistlosigkeit und Kulturvergessenheit grenzt, ausgerechnet in Rom antike Statuen wegzupacken, weil vielleicht, eventuell, unter Umständen, möglicherweise jemand an deren antiker Verfasstheit Anstoß nehmen könnte. Dass Ruhani derjenige sein sollte, war von vornherein mehr als unwahrscheinlich. Denn Irans Präsident befindet sich auf Geschäfts- und Good-Will-Tour durch Europa und würde deren Erfolg wohl kaum wegen einer vielleicht minimalen Irritation bei der Begegnung mit europäischen Antikekunstwerken gefährden.

Man schaue einfach mal, wie Ruhani und der Papst miteinander umgegangen sind: Trotz aller religiösen und kulturellen Unterschiede respektvoll, freundlich, ernsthaft und wechselseitig interessiert. So soll es sein – nicht zuletzt in der Staatspolitik. Damit das auf diplomatischem Parkett funktioniert, braucht es Ernsthaftigkeit, den Willen zur Lösung, Offenheit und Anstand – aber nicht das hochnotpeinliche Verstecken des eigenen Kulturerbes in einem Akt vorauseilenden Krisenmanagments, den in Wahrheit niemand gefordert und erwartet hat, den keiner gebraucht hätte.         
                                     
Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pressemedium außerhalb dieser website am 28. Januar 2016)


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