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2016-02-19 Bericht/Analyse:

 

Über Julia Klöckners kulturpolitische Grundsatzrede in Mainz

CDU-Spitzenkandidatin für Rheinland-Pfalz entdeckt  Kunst/Kultur als Thema von herausragender Bedeutung

 
ape. Rheinland-Pfalz. Lange, sehr lange mussten die rheinland-pfälzischen Kulturschaffenden und die kulturinteressierte Öffentlichkeit auf eine grundsätzliche Positionierung der Landes-CDU in Sachen Kulturpolitik warten. Streng genommen sind die Einlassungen zu diesem Thema, die Julia Klöckner jetzt am Mittwoch im Mainzer Schloss bei einer Veranstaltung der "Kulturallianz Rheinland-Pfalz" machte, seit gut zwei Jahrzehnten überfällig. Landauf, landab engagieren sich in den Kommunen viele örtliche Amtsträger, Funktionäre, Mitglieder der CDU seit Jahr und Tag ganz praktisch in kulturellen Belangen. Auf Landesebene hingegen herrschte derweil nahezu Funkstille, zumindest was die CDU-eigenen Vorstellungen zum Umgang mit Kultur und Künsten in Rheinland-Pfalz angeht. Diesen Bann hat Klöckner jetzt, vier Wochen vor der Landtagswahl, mit ihrem 38-minütigen Vortrag gebrochen.
                                     

Die CDU-Kandidatin für das Ministerpräsidentenamt weiß, dass sie diesmal auf keiner Wahlkampfveranstaltung ihrer Partei spricht. Weiß, ihre Rede vor einem Auditorium, das zu beträchtlichen Teilen aus Kulturschaffenden aus ganz Rheinland-Pfalz besteht, ist kein Heimspiel. Weshalb sie auf scharfe Wahlkampfpolemik verzichtet, sich stattdessen als hochgradig kulturaffine und ernsthaft an den kulturellen Dingen interessierte Politikerin mit intellektuellem Einschlag vorstellt. Gespanntes Zuhören ist ihr denn auch sicher.

Kein Parkett für einen Generalangriff

Nun sind Kunst und Kultur in einem Land, das mit diesen Bereichen einigermaßen pfleglich umgeht und ihre Freiheit garantiert, auch kein wirklich geeignetes Schlachtfeld für einen Generalangriff auf die amtierende Regierung. Folglich besteht der Allgemeinteil von Klöckners Rede aus dem Bekenntnis zu kulturellen Grundsatzpositionen, die seit den 1990ern von bürgerlich bis linksaußen Konsens sind. Dazu gehört die Freiheit der Kunst, in die Politik nicht hineingreifen und hineinregieren dürfe. Vielmehr sei es primäre Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu sichern, damit die Künste sich frei und möglichst optimal entfalten können. Damit sie ihrer Aufgabe, frühzeitig der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, gerecht werden könne. Zu den Grundpositionen gehört auch die Anerkennung und Wertschätzung von Kunst/Kultur als wesentlichem Moment der Selbstidentifikation von Mensch und Gesellschaft.

Noch bevor Klöckner hinsichtlich der Flüchtlinge und Migranten in leisen Tönen ihr "fördern und fordern" ins Spiel bringt, spricht sie von Chancen, Möglichkeiten, Bereicherung, die das Ankommen auswärtiger Kulturaspekte und Künstler für die Kultur in Deutschland bedeuten könne. Zugleich weist  sie der Kultur - ausdrücklich unter Einbeziehung der Soziokultur - zentrale Bedeutung als Brückenbauer bei der Integration von Zuwanderern zu; nicht zuletzt als Vermittler unseres Freiheitsbegriffes, der unliebsame Kritik bis hin sogar zu vielleicht geschmackloser Satire auf Religionen impliziere.

Grundsätze, die allgemeiner Konsens sind


Schließlich unterstreicht Klöckner die ökonomische Bedeutung von Kunst/Kultur als sehr wichtigem Standortfaktor - allerdings verbunden mit dem dringlichen Hinweis, dass Kunst/Kultur darauf nicht reduziert werden dürfen, sondern eben einen Eigenwert besitzen. Die CDU-Spitzenkandidatin formuliert also ein Grundverständnis von Kulturpolitik und Kunst/Kultur, das am ehesten im konservativsten Teil ihrer eigenen Partei auf Einwände stoßen dürfte. Hingegen können diese Positionen der bürgerlich-liberale CDU-Teil ebenso problemlos unterschreiben wie Freidremokraten, Sozialdemokraten, Grüne, Linke.

Wo aber bleibt das CDU-Spezifische in dieser kulturpolitischen Programmrede für Rheinland-Pfalz? Das bloße Bekenntnis der  Julia Klöckner, und sei es noch so ernst und forsch vorgetragen, dass für sie als Landesparteivorsitzende und Spitzenkandidatin Kunst/Kultur zentrale Wichtigkeit besitze, kann es nicht sein. Denn damit schließt sie erstmal nur appellativ jene Leerstelle, die die Landespartei in der Wahrnehmung kulturinteressierter Öffentlichkeit über viele Jahre und bis eben auf dem Feld der Kultur ausmachte. Doch je mehr die Rednerin sich landeskulturpolitischen Fragen nähert, umso mehr werden Unterschiedsnuancen zur teils bis in sozialliberale Zeiten zurückreichenden Kulturpolitk der Landesregierung spürbar.

Kultur soll Klöckners Chefsache werden

Sie möchte mehr Exzellenzförderung für die Landeskultur, möchte mehr Ausstrahlung von Spitzenleistungen der rheinland-pfälzischen Kultur über die Landesgrenzen hinaus. Klöckners Referat bemüht dafür den Begriff "kulturelle Leuchttürme" - den schon um die Jahrtausendewende der damalige sozialdemokratische Bildungsminister Jürgen Zöllner und sein seinerzeitiger Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig als kulturelle Zielmarke in die Welt gesetzt hatten. Unterschiede im Grundsätzlichen sind demnach in diesem Bereich nicht auszumachen. Die CDU-Vorsitzende will "mehr" davon und wirft der Landesregierung vor, diesbezüglich zu wenig gemacht zu haben. Sie beschreibt die derzeitige Kulturpolitik des Landes als "lustlos und unambitioniert".

Dass die Kultur im Mainzer Bildungsministerium quasi als bloßes "Anhängsel" mitlaufe, sieht sie als Zeichen für die mindere Gewichtung des Ressorts unter rot-grüner Ägide. Weshalb an erster Stelle ihres kulturellen Maßnahmenkatalogs für den Fall eines Regierungswechsels steht: "Kultur wird Chefsache", das Kulturressort aus dem Bildungsministerium ausgegliedert und an die Staatskanzlei angeflanscht. Für die Rednerin ist das eine Höherbewertung und neue Wertschätzung des Ressort. Man kann es aber auch deuten wie Kulturredakteur Jens Frederiksen, der heute in der Allgmeinen Zeitung Mainz schreibt: Das "schließt aber auch ein, dass es in einem von ihr geführten Kabinett keine Kulturministerin, keinen Kulturminister mehr geben wird".

Zentrale Schwäche bisher: Unterfinanzierung

Natürlich legt Klöckner den Finger in die tatsächlich zentrale Schwachstelle der bisherigen rheinland-pfälzischen Kulturpolitik: die chronische Unterfinanzierung in weiten Bereichen nebst dem Umstand, dass das Land bei den Kulturausgaben pro Einwohner stets am untersten Ende der Bundesländer rangiert. Gewiss werde auch sie als Ministerpräsidentin kein Füllhorn auschütten können, aber doch einige andere Prioritäten setzen. Eine neue Art Vernetzung der Kulturlandschaft schwebt ihr vor, das Aufbrechen verkrusteter Strukturen und das Befragen der Kulturszene selbst, welche Strukturen man dort für sinnvoll hält. Hierfür will Klöckner einen Kulturkonvent einrichten, der die wichtigen Fachverbände und Player der Szene an einen Tisch bringt.

Zwecks Aufwertung und stärkerer überregionaler Ausstrahlung von Rheinland-Pfalz als Kulturland soll zudem ein Landeskulturpreis ins Leben gerufen werden. Nicht nur bei diesem Punkt schauten sich Kenner der Szene im Saal etwas irritiert an: Einen Landeskulturpreis haben wir doch schon. Natürlich kann dessen Procedere variiert und seine Ausstattung nur besser werden. Aber der Vorschlag selbst ist in der Sache alles andere als revolutionär.

Das reicht nicht - Klöckner muss nachlegen

So steht denn am Ende von Julia Klöckners kulturpolitischen Einlassungen mancher Kulturschaffende und langjährige Szenebeobachter recht ratlos vor der Frage: Was würde eine CDU-geführte Landesregierung in der Kulturpolitik essentiell anderes machen als die bisherigen SPD-geführten Landesregierungen? Vorläufige Antwort: An ein paar Stellschräubchen Nuancen verändern, vielleicht die Atmosphäre etwas auffrischen, und beides wahrscheinlich mit etlichen neuen Gesichtern. Reicht das? Kaum. Da müssen Frau Klöckner und ihre Partei noch nachlegen - bis von einem Aufbruch zu neuen Ufern die Rede sein könnte. Kulturredakteur Claus Ambrosius kommentiert in der heutigen Rhein-Zeitung: "Gerade noch rechtzeitig ist sie (Klöckner) auf den Zug der Kultur aufgesprungen - reichlich spät, aber immerhin." Und immerhin hat die Landes-CDU jetzt in Person ihrer Spitzenkandidatin der Kultur höchste Bedeutung zugeschrieben. Daran wird man sie messen, sollte es zu einem Regierungswechsel kommen.      
     
Andreas Pecht

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Rührige Privatinitiative
zur Unzeit
 

Spekulationen um und Startprobleme bei der
"Kulturallianz für Rheinland-Pfalz"

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es allerhand Spekulationen gegeben, das könnte eine Wahlkampfinitiative der CDU sein. Denn die veranstaltende „Kulturallianz Rheinland-Pfalz” kannte bis dato niemand. Nun stellt sich heraus, es handelt sich bei der Neugründung um die  Privatinitiative eines kleinen Kreises um den Uni-Professor und Designer Heinz Kroehl. Dem 80-jährige Mainzer sind moderne Bildende Kunst und Architektur Herzensanliegen – in seiner Vaterstadt aber sieht er beide stiefmütterlich behandelt.

Deshalb ergriff er die Initiative für „eine Art Kunstverein” (Kroehl), der helfen soll, solchen Missstand zu beheben. Mit der Veranstaltung am Mittwoch wurde das Ansinnen erstmals in die Öffentlichkeit getragen. Doch der Zeitpunkt war unglücklich, die Vorbereitung blauäugig: Das Vorhaben geriet in die heiße Wahlkampfphase und unter den Verdacht einseitiger Parteinahme, weshalb schließlich die gesamte Ursprungsbesetzung der nachmittäglichen Diskussionsrunde ihre Teilnahme absagte und durch neue Diskutanten ersetzt werden musste.

Im ersten Teil blieb es indes bei den angekündigten Hauptrednern. Auf Julia Klöckner folgte Max Hollein, Direktor des Frankfurter Städel-Museums, mit einem hochinteressanten Vortrag über die Veränderung der Beziehung zwischen Museen und heute ganz anders als früher zusammengesetztem Publikum. Zum Abschluss der Referatsrunde skizzierte Christian Boehringer die Entwicklung der „Internationalen Tage Ingelheim” als von seinem Unternehmen vor Jahrzehnten initiiertes Kunstfestival.

Die Vorträge spiegeln Kroehls Absicht, seine „Kulturallianz” als quasi Schnittmenge zwischen Politik, Wirtschaft und Kulturinstitutionen anzusiedeln. Ein interessanter Ansatz, demgegenüber sich die nachfolgende Diskussion von Künstlern aus Rheinland-Pfalz, hiesigen Galeristen und Publikum allerdings bald verzettelte in Klagen über generell  mangelnde Wertschätzung für zeitgenössische Kunst und heimische Künstler.  Andreas Pecht

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