Thema Kultur / Festival
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2016-04-28 Gesprächsfeature:


Ein Vierteljahrhundert
Kultursommer Rheinland-Pfalz

Zum diesjährigen Jubiläum des Landesfestivals ein Gespräch mit KuSo-Leiter Jürgen Hardeck

 
ape. Rheinland-Pfalz. Die Ausgangsfrage für ein Gespräch mit Jürgen Hardeck lautet: Was hat der Kultursommer Rheinland-Pfalz in summa für die Kultur im Land gebracht? Schon die Frage zeigt an, es steht ein Jubiläum zur Rede. 25 Jahre „Kultursommer Rheinland-Pfalz”. Die letzten 22 davon stand Hardeck dem Landesfestival als Leiter vor – und der zieht sogleich die Stirne kraus bei „Landesfestival”. Das Wort mögen er und seine Mitarbeiter im Mainzer KuSo-Büro nicht. Verständlich, erfasst es die Eigenart des 1991 vom Ministerpräsidenten Rudolf Scharping und dessen Kulturministerin Rose Götte in die Welt gesetzten Konstrukts „Kultursommer” weder vollständig noch annähernd. Andererseits ist den journalistischen Beobachtern des Konstrukts über all die Jahre nie ein besserer Begriff eingefallen. Das bundesweit solitäre Prinzip des rheinland-pfälzischen Kultursommers lässt sich nunmal nicht in ein Worte fassen. Es zu erhellen, bedarf es etlicher Zeilen. Wer noch nicht Bescheid weiß, lese diesen Text weiter. Bis zum Ende sollte die Sache klar sein.

Kulturelle Belebung des Sommerhalbjahres

Die Beantwortung der Ausgangsfrage beginnt Hardeck mit einem Zahlenvergleich zwischen der Lage im Land vor Einrichtung des KuSo und ein Vierteljahrhundert danach: „Damals gab es während des Sommers in Rheinland-Pfalz sechs bis sieben kommunale Festivals, heute sind es 80. Viele davon sind nicht mehr örtlich begrenzt, sondern bespielen, beleben, bereichern ganze Regionen.” „Kulturelle Belebung” der Sommer- und Ferienzeit, das war Scharpings Ausgangspunkt damals – weil eben in besagter Jahreszeit ziemlich tote Hose herrschte. Wie brachte der KuSo Leben in die verschlafene Bude? Hardeck skizziert es, sinngemäß, so: Von der Landesregierung als quasi Kulturentwicklungs-Institution gegründet und mit einem rund vier Millionen D-Mark umfassenden Fördertopf ausgestattet, ermutigte der KuSo die kommunale Ebene, im Sommerhalbjahr kulturell aktiver zu werden. „Wir konnten den Gemeinden oder örtlichen Akteuren bis zu einem Drittel Finanzunterstützung für neue Projekte in Aussicht stellen.”

Initialzündung per Geldbeutel, könnte man sagen. Das ist durchaus nicht abwertend gemeint. Denn manche Kommune hat der Wink mit den Scheinen auf Ideen gebracht. Und für manche Gruppe oder  Initiative der so genannten Freien Szene ist die Projektförderung durch den KuSo einerseits zum Brandbeschleuniger kreativer Innovationen geworden, andererseits wichtige finanzielle Stütze ihrer Überlebensfähigkeit. Bis hierhin dürfte verstanden sein, dass „Kultursommer RLP” eben nicht einfach ein vom Mainzer KuSo-Büro veranstaltetes, organisiertes, durchgeführtes „Landesfestival” ist, sondern erstmal eine Förder- und Initiierungseinrichtung für kulturelle Aktivitäten anderer. Hinzu kommt: Mit Geld geht einiges, aber Geld allein schafft weder Glück noch Qualität noch Erfolg. Weshalb in Hardecks weiteren Erläuterungen die Begriffe Vernetzung, Beratung, Dienstleistung eine zentrale Rolle spielen.

KuSo als Partner vieler Kulturakteure

Der KuSo-Chef (hört er auch nicht gern) führt Beispiele für inzwischen ziemlich bekannte Veranstaltungsreihen/Festivals aus dem nahen Regionalraum an, um zu verdeutlichen, auf welche Weise er und die Seinen, neben der Förderung mit Geld, behilflich waren. Da wäre das Mosel Musik Festival: Dereinst gegründet und betrieben als Sommerunterhaltung bloß für Bernkastel-Kues, initiierte und forcierte der KuSo gemeinsam mit dem Festivalleiter Hermann Lewen das Aufwachsen der Unternehmung zum opulenten Flächenfestival. Seither bespielt das MMF den  Moselraum von Luxemburg bis fast ins Koblenzer Hinterland.

Anderes Beispiel: Als fördernder und beratender Partner hatte der KuSo auch die Finger im Spiel bei der Vernetzung, Zusammenfassung und Aufwertung zahlreicher zuvor lokal isolierter Kulturinitiativen Lahn auf und ab zum Regionalfestival „Gegen den Strom”. Ähnliches gilt für die Westerwälder Literaturtage: Einst in kleinem Format entstanden als Liebesgabe des Schriftstellers Hans-Josef Ortheil an seine Kindheitsstadt Wissen, haben sich die WW-Literaturtage zuletzt zum drei Landkreise mit 32 prominent besetzten Lesungen versorgenden Flächenereignis gemausert – maßgeblich dank Initiative und Unterstützung durch den KuSo gemeinsam mit dem Literaturreferat des Mainzer Kulturministeriums.

Dem Außenstehenden mag schwer vorstellbar sein, was in all den genannten und vielen anderen Fällen nötig war/ist an Gesprächen, Überzeugungsarbeit, Netzwerkerei mit Bürgermeistern, Landräten, Ehrenamtlichen, Vereinsmenschen, natürlich mit Kulturschaffenden und -organisatoren aller Art. Otto Normalo kennt den „Kultursommer Rheinland-Pfalz” vornehmlich als buntgelbe Sonne, die in allerhand Programmheften der Einzelveranstaltungen auftaucht oder als Fahne neben Bühnen flattert. „Dachmarke für die sommerliche Kulturvielfalt in Rheinland-Pfalz” wird das genannt. Was mit dieser Dachmarke an Förderung, Unterstützung, Hilfen, aber auch Forderung an Qualität und Sinnhaftigkeit durch den KuSo einhergeht, bleibt indes meist unsichtbar. Das liegt in der Natur des Konstrukts.

Wohin geht die Reise des Landesfestivals?


Wer beim Begriff „Kultursommer Rheinland-Pfalz” von international glänzenden Leuchtturm-Events träumt, vom Aufgalopp der Weltstars oder die Großfeuilletons aufregenden Eigenproduktionen, der müsste sich einen anderen Kultursommer ausdenken und gleich mal etliche Millionen Euro mehr rausrücken. Das sagt nun nicht Hardeck, das meine ich – skeptisch, ob es der Kultur im Land auch nützen würde. Der KuSo-Chef erzählt stattdessen mit Verve von den vielen Veranstaltern, die sich heuer auf das Jahresmotto „Der Sommer unseres Vergnügens” eingelassen haben und jede Menge Elemente von Humor, Satire, Kabarett und Dada in ihre Programme aufgenommen. „Uns erwartet der verrückteste Kultursommer, den wir je hatten”, sagte bei einem anderen Gespräch der jetzt scheidende Kulturstaatssekretär Walter Schumacher. Eröffnung ist diesmal in Germersheim am 7./8. Mai. Bis Oktober dauert das 250 eigenständige, aber vom KuSo geförderte Projekte vom Oberwesterwald bis in die Südpfalz umfassende Landesfestival.

Zwangsläufige Frage am Ende eines jeden Jubiläumsgesprächs: Was wird werden, anders werden, verändert werden müssen? Nach 25 Jahren gibt es gewiss Verknöcherungen und auch   Umfeldwandel, auf den zu reagieren ist. Hardeck kann und mag den Weichenstellungen seines Dienstherrn – der sich gerade im Findungsprozess befindlichen neuen Landesregierung – nicht vorgreifen. Doch klar ist für ihn, dass „auch der Kultursommer mit der Alterung der Gesellschaft zu tun bekommt. Vor allem im ländlichen Raum ist ein Mangel an jungen Kulturaktiven absehbar. Darüber müssen wir jetzt nachdenken, um demnächst mit vernünftigen Konzepten reagieren zu können.”
                                   
Andreas Pecht

Infos: >>www.kultursommer.de

 
Das Gespräch mit Jürgen Hardeck fand statt am 18.4.2016.

Die Beispiele im Text sind konzentriert auf Veranstaltungen im nord-östlichen Landesteil von Rheinland-Pfalz, weil dieser die größte Schnittmenge mit dem Erscheinungsgebiet des abdruckenden Magazins "Kulturinfo" aufweist.


(Erstabdruck/-veröffentlichung des Artikels außerhalb dieser website 17./18. Woche im April/Mai 2016)


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