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2016-05-21 Ausstellungsbesprechung:


Lohnende Wiederentdeckung im
Arp Museum: Barbara Hepworth



Hochinteressante wie genussreiche Ausstellung über Werk und Leben der britischen Bildhauerin


 
ape. Remagen-Rolandseck. Die an diesem Wochenende startende Ausstellung „Sculpture for a Modern World” entdeckt eine Künstlerin von internationalem Rang wieder, die seltsamerweise über fast zwei Generationen nahezu vergessen war. 50 Jahre nach der letzten Werkschau auf deutschem Boden in Karlsruhe widmet nun das Arp Museum Rolandseck der britischen Bildhauerin Barbara Hepworth (1903 – 1975) eine umfassende Präsentation. Mit mehr als 140 Exponaten reich bestückt, schreitet sie die Entwicklung eines Oeuvres und seiner Schöpferin ab, die in den 1920ern bei kleinen Figuren aus Stein oder Holz begann und in den 1960ern mit großformatigen Metallskulpturen ihren Zenit erreichte.



Kunst – Architektur/Raum – Natur: Diese Trias ist die Basis der Arbeit von Heptworth', die vor allem in Großbritannien als Künstlerin lange einen ähnlich hohen Stellenwert hatte wie ihr männlicher Künstlerzeitgenosse Henry Moore. Anfangs spielt Architektur bei ihr noch keine Rolle, während die Beziehung ihrer Kunst zur Natur in der Material- wie der Motivwahl zentral ist. Natürliche Formungen des Steines aufnehmend, bildet die junge Künstlerin vage Tierfiguren aus. Dabei folgt sie der Methode des direct carving: Hepworth hält sich im Unterschied zur vorherigen Bildhauertradition nicht mit Vormodellen auf, sondern arbeitet direkt am originalen Werkstück. Die Auseinandersetzung mit dem natürlichen Material steht im Mittelpunkt. 

Kurz vor Geburt ihres ersten Kindes 1929 schwenkt die Mittzwanzigerin auf Holz als wichtigstes Arbeitsmaterial um. Hatten ihre steinernen Tiere noch gedrungene, an die Erde gepresste Form, stehen nun ihre hölzernen Menschenfiguren aufrecht und streben in die Höhe. Zugleich richtet die Künstlerin immer stärker die Aufmerksamkeit auf Lichtwirkungen sowie die Beziehung zwischen ihrem Objekt und dem Raum drumherum. Nackte Frauen, weibliche Torsi aus Bergahorn, Teak- und Elfenbeinholz, schließlich ein (ihr) Baby aus schwarzem Burma-Holz weisen klassische Anlehnung ebenso aus wie indigene oder frühgeschichtliche Einflüsse. Zugleich vereinfachen, abstrahieren sich die Formen zusehends.

Eine eigene Abteilung widmet die Schau den gemeinsamen Jahren von Hepworth' und ihrem zweiten Ehemann, dem Maler Ben Nicholson. Während der 1930er beinflussen sie in einem Londoner Atelier einander nachhaltig. Teils erstmals öffentlich zu sehende Zeichnungen, Dokumente, Privatfotos zeugen von einer Kreativwerkstatt, in der Leben und künstlerisches Arbeiten verschmelzen. Während dieser Zeit bringt Barbara Hepworth Drillinge zur Welt. Nun drängt sich für eine Weile das Mutter-Kind-Motiv in den Vordergrund. Es entstehen mehrere quasi zweiteilige Steinskulpturen, die trotz ihres bereits hohen Abstraktionsgrades anrührend ein kleines Element als Teil eines großen ausweisen und beide wieder zu einem Ganzen vereinen.

Diese Skulpturen und nachfolgende Arbeiten sind unverkennbar von der runden, fließenden, naturähnlich amorphen Kunst des Hans Arp beeinflusst. Hepworth selbst hat seit einem Besuch 1933 im französischen Atelier Arps und dessen Frau Sophie Taeuber-Arp nie einen Hehl daraus gemacht, wie stark sie von beiden beeindruckt ist. Die Ausstellung macht diesen Einfluss mit Gegenüberstellungen von Werken aller drei Künstler kenntlich. Hier nimmt Hepworth strenge Geometrien aus Sophies Papierarbeiten auf. Dort lässt sie sich von Hans inspirieren, durchbohrte, aufgeschnittene, ausgehöhlte Skulpturen mit Durchblicken und Einblicken zu schaffen.

Von da führt der Weg direkt zur Guarea-Serie der 1940er. Das sind große kugelförmige oder abgerundet quadratische Skulpturen aus nigerianischem Holz, deren Außenseite warmen Holzton zeigt, während die gewundenen Einschnitte und Höhlungen weiß oder hellblau gefärbt sind. Bisweilen spannen sich durchs Innern Schnüre, die einerseits ein eigenes Schattenspiel verursachen, andererseits dem Corpus die Anmutung eines Musikinstruments verleihen. Was wohl kein Zufall ist, denn Hepworth war der Oper stark verbunden.

Es ist dieser in Kooperation mit der Tate Britain sowie dem niederländischen Kröller-Müller Museum entstandenen Ausstellung hoch anzurechnen, dass sie dank tiefer Griffe in die Archive Hepworth auch als Bühnenbilderin, als quasi Landart-Akteurin und künstlerische Raumgestalterin vorstellt. Denn stets hat die Britin ihre Objekte als Teil des Umgebungsraumes verstanden, gesehen, inszeniert, sei der nun Natur oder Architektur. Insofern passt diese Ausstellung sehr gut in die offene, hochwertige Architektur des Meier-Museumsbaus in Remagen-Rolandseck. Barbara Hepworth – eine lohnende Wiederentdeckung.



Andreas Pecht


Die Ausstellung zu Barbara Hepworth läuft bis 28.8.2016.

                                        ***

Parallel sind im Arp Museum derzeit zu sehen

- "Genese Dada. 100 Jahre Dada Zürich" bis 10.7.2016
∇ Mehr dazu hier

- "Menschenskinder"
über das Bild vom Kinderleben in der Kunst seit dem Mittelalter. Bis 16.8.2016
∇ Ausstellungsbesprechung hier

Infos: >> www.arpmuseum.org      
                                                                                    
(Erstabdruck/-veröffentlichung einer leicht kürzeren in einem Pressemedium außerhalb dieser website am 21. Mai 2016)

                                    


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