Thema Kultur / Festival
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2016-05-28b Festivalporträt:

 

William Shakespeare auf
Zeitreise nach Bendorf


Erkundung der „Festspiele am Rheinblick” – Kleines  Sommerfestival mit heimatkundlicher Bindung


ape. Bendorf. Unter den zahlreichen Sommerfestivals am Mittelrhein sind sie eines der kleinsten, auch eines der jüngsten, und eines, das sich künstlerisch primär auf Kräfte aus der Region stützt: die „Festspiele am Rheinblick Bendorf”. 2008 aus der Taufe gehoben, gehen sie am 12.8. in ihre achte Saison. Die dauert bis 2.9. und umfasst heuer neun Abendveranstaltungen open air. Sieben davon bieten Theater, zwei Musik. Wenn's gut läuft, dürfte der Veranstalter am Ende eine Gesamtzahl von rund 1200 Besuchern bilanzieren. Denn viel mehr als 120 bis 130 Zuschauer passen gar nicht in die intime Spielstätte auf einem Terrassenareal der Vierwindenhöhe am Berghang über Bendorf.                                           



Wie bei den meisten hiesigen Festivals ist auch in diesem Fall die Location historischer Natur.  Doch handelt es sich weder um eine Burg, noch eine Festung, noch ein Palais oder ein Freigelände derselben. Die örtliche Besonderheit dieser Festspiele ist: Wer sich vom weiten Blick über Rheintal nebst Neuwieder Becken löst und dort Platz nimmt, sitzt in einem kleinen begrünten Karree zwischen vier aus Bruchstein gemauerten „Eisenerz-Röstöfen” aus dem 19. Jahrhundert. Bei der heute denkmalgeschützten Anlage handelt es sich um ein Relikt aus der hohen Zeit Bendorfs als Zentrum der Eisen- und Stahlherstellung am Mittelrhein. Für die Nachgeborenen verbinden sich damit Namen wie Concordia-Hütte und Sayner-Hütte.

In den Röstöfen wurde dereinst das in der nahen Grube „Werner” geförderte Eisenerz für die Beschickung der eigentlichen Hochöfen in den örtlichen Gießereien vorbehandelt. Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Eisenerzvorkommen erschöpft, weshalb 1915 der Betrieb der Röstöfen eingestellt wurde. 80 Jahre waren sie von da an dem Verfall preisgegeben – bis Richtung Jahrtausendwende eine Initivative zu deren Restaurierung mit Erfolg Platz griff. Was das alles mit  Rheinblick-Festspielen zu tun hat? Nun, ohne Restaurierung keine Spielstätte. Mehr noch: Ohne Restaurierung wohl nichtmal die Idee, das Industriedenkmal mittels kultureller Bespielung zu beleben.

Der Anstoß dafür kam vom Verein „GGH”, der 1977 gegründeten Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde von Bendorf und Umgebung e.V.  So erzählt es Pascal Badziong beim Ortstermin. Der 28-Jährige kümmert sich u.a. um die Pressearbeit des „Kulturforums der GGH Bendorf”. Dieses Kulturforum ist eine Untersektion der GGH und verantwortlich ist für die Durchführung der Rheinblick-Festspiele. Es besteht allerdings nur aus drei Leuten:  Badziong, seine gleichaltrige Mitstreiterin Alexandra Menge und der gut 70-jährige GGH-Vorsitzende Peter Lindemann. Nach Abschluss der Röstöfen-Restaurierung und Herrichtung des Terrassengeländes habe sich, so Badziong, nicht nur Lindemann gefragt: „Was machen wir jetzt mit dem Denkmal? Und vor allem: Wie machen wir es mehr Menschen bekannt?” Es sind dies die typischen, aber eben auch wichtigen Fragen, die mit der allgemeinen Renaissance des heimat- und bauhistorischen Interesses seit dem späten 20. Jahrhundert stets einhergehen.

Der Idee zur kulturellen Bespielung kommt dabei vielerorts zentrale Bedeutung zu. Sie ist ja auch naheliegend, handelt es sich bei Heimatgeschichte und Denkmalpflege doch per se um primär kulturelle Ansinnen und Aufgaben jenseits bloß wohlfeiler Nützlichkeitserwägungen. Kurzum: Lindemann suchte sich eine Theatergruppe, die Lust hatte, das Areal im Sommer zu bespielen. Er stieß auf „Die Findlinge”, eine freie Gruppe, in der sich 2004 theaterbegeisterte Amateure und der eine oder andere erfahrene Theaterakteur aus Bendorf und Umgebung „gefunden” hatten. Diese „Findlinge” bestreiten nun seit 2008 im Sommer den Mammutanteil des Rheinblick-Programms. Heißt: Sie erarbeiten alljährlich eigens dafür eine Bühnenproduktion.



Doch aufgeführt wird nicht irgendwas aus dem Repertoir der Theaterkunst. Der Schulterschluss zwischen Heimatkundlern der GGH und Schauspielliebhabern der „Findlinge” hat im Falle der „Festspiele am Rheinblick” eine weitere Besonderheit hervorgebracht: Gezeigt wird stets ein von der Gruppe nahestehenden Autoren selbst geschriebenes Stück mit lokalem oder zumindest regionalem Bezug. Mit Blick auf die industrielle Geschichte der Stadt wie der Spielstätte selbst hieß das erste, 2008 uraufgeführte Werk „Der Bergmann von Bendorf”. Die Textvorlage stammte, wie bei den Produktionen der folgenden sechs Jahre, von Wolfgang Lehmhöfer. Bis einschließlich 2014 wurden jeweils lokale Themen heimatkundlichen Ursprungs in überwiegend humoriger Weise theatralisch aufbereitet – zur teils Altes wiedererkennenden, teils darüber Neues erfahrenden Freude der Zuseher vom Ort, aber zusehends auch vom Westerwald und anderwärts. 2015 wurde der Horizont erweitert auf mehr oder minder bekannte Rhein-Sagen aus der Region.

Im jetzigen Sommer steuern „Die Findlinge” sieben Aufführungen eines von Silke Dutz für diesen Zweck geschriebenen Stückes unter dem Titel „Shakespeare mittendrin” bei. Im 400. Todesjahr des Dramatikers, das zugleich das 100. Geburtsjahr der Dada-Bewegung ist und in dem obendrein der 25. Geburtstag des rheinland-pfälzischen Kultursommers anfällt unter dem Motto „Der Sommer unseres Vergnügens” – in diesem denkwürdigen Jahr wird zwischen den Röstöfen William Shakespeare leibhaftig in die mittelrheinische Gegenwart gebeamt. Mit ebenso fatalen wie komischen Folgen, lässt sich denken. Die beiden musikalischen Abende des Festivals bestreiten die aus dem Bonner Raum stammende Band „Antiquariat” mit internationalem Gipsy-Swing (19.8.) sowie das in Koblenz wurzelnde Frauen-Vokalensemble „Femmes Vokal” mit Jazz und Soul (27.8.).

Staraufgebot und Glitzerevent sind nicht Sache dieses Festivals, sondern regionale Verbundenheit bis ins Bühnengeschehen hinein. Dazu passt, dass das über dem Spiel-Areal liegende Hotel Rheinblick Parkplatz und Toiletten zur Verfügung stellt sowie den Besuchern auf der Pausenterrasse Wein und Häppchen serviert. Dazu passt ebenso: Bendorfer Unternehmen sponsern die Festspiele zumindest so umfänglich, dass sich das Kulturforum ums Geld keine Sorgen machen muss – für sein auf strukturelle Bodenständigkeit und Ehrenamtlichkeit bauendes kleines, sympathisches Sommerfestival.

Info: >>www.kulturforum-bendorf.de/


                                                                                       Andreas Pecht


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
21. Woche im Mai 2016)


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