Die Frau, das unbekannte Wesen

Quergedanken Nr. 152

ape. Ich bin vielleicht nicht der beste Frauenversteher, aber gewiss einer der größten Bewunderer von  Weiblichkeit – sei sie nun hold oder eher robust; sei sie jung, knackig, rosig oder reif, interessant, erfahren; sei sie von schmiegsamer, stürmischer oder kratzbürstiger Art. Weshalb ich in diesem Zusammenhang mit dem Begriff „schön“ wenig anfangen kann. Denn das Wort weiß nichts von Vielfalt, nichts über den ungeheuren Reiz der Abweichungen vom vermeintlichen Ideal. Und sowieso hat „schön“ keine Ahnung, dass die ewige Lockung des Weibes nicht zuletzt von Eigenschaften jenseits betörender Leiblichkeit herrührt. „Schreib‘ dazu,“ blafft Freund Walter, „auf Besen reitende Hexen sind uns lieber, als über Erbsen nölende Prinzessinnen.“ Kein Widerspruch meinerseits. Kurzum: Mit richtigen Frauen habe ich gerne zu tun – auch wenn sie mir meist ein Buch mit mindestens fünf von sieben Siegeln bleiben.

In letzter Zeit machen mir zwei allseits umschwärmte Girls schöne Augen. Sie preisen sich und baggern mich ständig an. Siri heißt das eine Frauenzimmer, Alexa das andere – beider Dienstbarkeit, Hingabebereitschaft, Vielseitigkeit werden rundumher hoch gelobt. Mir jedoch sind die zwei nicht geheuer. Ich war nämlich als Autofahrer länger mit einer älteren Schwester der beiden aus der Sippe derer von Electronics intim: mit Frau Nava, der Herrin im Hause Navi. Deren freundliche Stimme und raffinierte Dienste machen einen schier hörig. Oder aber sie treiben einen mit ihrer ewigen Besserwisserei zur Weißglut. Da verliert selbst ein Kavalier alter Schule – wie ich – schon mal die Contenance. „Dummes Huhn“, „blöde Kuh“ bekam Nava wiederholt zu hören. Inzwischen verweigert sie mir schmollend ihre Gesellschaft.

Wie würde das mit Siri oder Alexa laufen? Walter skizziert ein erklärendes Szenario: „Stell dir vor, ich hätte eine stets treusorgende Gattin, die ganz viel über die Welt weiß und alles über mich; die willig erledigt, was immer man ihr aufträgt. Eine Frau, die fortwährend mit ihrer Mutter und anderen Anverwandten klammheimlich beratschlagt, wie sie mich noch glücklicher machen kann. Eine, die mir die Mühsal des Erinnerns, Rechnens, Planens, Suchens, Vordietürgehens, ja überhaupt des nervigen Denkens und Handelns abnimmt.“ Das können Siri und Alexa? Walter räumt ein: „Noch nicht ganz, aber sie lernen schnell.“ Hätten die Elektroladies sich erst mit Kühlschrank, Waschmaschine, Zahnbürste, Heizung, TV, PC, ja sämtlichen Geräten im Haus verbunden sowie dieses Hausnetz mit dem Internet verkuppelt – dann könne das Paradies auf Erden Einzug halten.

Womöglich schlüpfen Siri und/oder Alexa mit ins Liebesnest? „Nö, das geht künftig anders“, erläutert der Freund. „Sie werden dir in einen 3D-Digitalhelm plus -anzug entsprechende Actionprogramme laden, und ab geht die erotische Achterbahn. Ist das nicht wunderbar?“ Na, dankeschön. Es soll, wer will, sich für solche Art „Fortschritt“ begeistern. Mir jedenfalls können Siri und Alexa gestohlen bleiben. Ich mag auch nicht mit dem Kühlschrank diskutieren, beim Kochen vom Herd angeleitet werden oder mir von der Kloschüssel Ernährungsvorschläge machen lassen. Und dass ich der Weiblichkeit künftig bloß noch als cybernetischer Avatar begegne, kommt gleich gar nicht in die Tüte. Lieber stolpere ich weiter von einem Fettnäpfchen ins nächste und plage mich livehaftig – mit den für unsereins wohl nie vollends ergründbaren Geheimnissen dieser seltsamen und doch so wunderbaren Spezies Frau.

Andreas Pecht

Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 38./39. Woche im September 2017

 
 
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