Espenlaub und Kurtfürstentum

Quergedanken Nr. 41

 „Querdenker, pah! Du bist bloß ein Schöngeist mit Samthandschuhen. Weichei, Hosenschisser!“ Derart stänkert Walter immer, wenn Priol und Schramm mal wieder mit „Neues aus der Anstalt“ zugeschlagen haben. Irgendwann wird er mir so noch meine liebste Fernsehstunde verleiden. Was denkt sich der Freund? Wie erginge es dem Regional-Kolumnisten wohl, würde er hiesige Provinzgrößen ähnlich abwatschen wie jene Kabarett-Recken die Bundes-Hautevolee, Angeeela und Staatspräsident inklusive?

Spötterei und Despektierlichkeit gehören sich nicht im Kurtfürstentum Rheinland-Pfalz. Man denunziert hier keine Bürgermeisters-Rede als weihevolle Banalität und niemals Badegewässer-Berichte des Mainzer Umweltministeriums als Mummenschanz. Niemand spricht hier öffentlich über  Parteifunktionäre wie im ZDF Priol über Profalla: „Ich fürchte, der weiß von gar nichts“. Wenn die in alle Welt strahlenden Kulturleuchttürme des Landes beschworen werden, denkt man zwischen Remagen und Pirmasens so wenig an Taschenlampen wie bei Personalia an Seilschaften. Weshalb hierorts keinem je der Verdacht käme, die Ankunft des olympischen Feuers auf dem Mount Everest könnte im gleichen Studio inszeniert worden sein wie die amerikanische Mondlandung.

Alles im Lot auf dem rheinland-pfälzischen Boot. Die Regierung steht, die Opposition ist dagegen. „Doppeldeutiges Gesülze“, mault Walter und diktiert, wie nach seiner Ansicht der Satz lauten müsste: „Die Regierung herrscht, statt zu regieren, die Opposition schwallt, statt zu opponieren. Und den sachten Wink mit dem Kurtfürstentum kannste sowieso vergessen – die halten das für einen Druckfehler.“ Zumindest an Letzterem, lieber Freund, habe ich inzwischen Zweifel. Denn die Sozis im Land sind nach den jüngsten Wahlgängen am Mittelrhein dünnhäutig geworden.

Ach was, dünnhäutig: Ihnen geht regelrecht der Ar… auf  Grundeis, seit klar ist, dass Kurts  Nationalkurs zwischen Kapitalismus-Marketing, Kleineleute-Politik und schmollmundigem  Anti-Links-Schwur selbst ganz unten im Stammland locker 10 Prozent zusätzlich kosten kann. Das müsste in Rheinland-Pfalz eigentlich die große Stunde der Opposition sein. Aber triffst du am Mittelrhein Unions-Parteigänger, ringen die bloß klammheimlich die Hände und weinen hinter selbigen: Nirgends Kohl oder Saumagen, weit und breit kein Schwergewicht, das dem amtierenden Dicken die Butter von der Mainzer Stulle holen könnte.

Lassen wir die schnöde Politik und wenden uns den angenehmen Seiten des Lebens zu, etwa dem Sportsommer 2008. Falsches Stichwort: Walter fängt augenblicklich an, mit den Zähnen zu knirschen. Die  getürkte Zeitungsschlacht zwischen deutschen und polnischen Springer-Blättern hatte ihm gleich zu Anfang die EM-Stimmung verdorben: „Die würden einen Krieg entfesseln, wenn`s nur dem Geschäft diente.“ Dagegen wollte er mit eigener Autobeflaggung anstinken und verschaffte sich zwei Stander. Nicht Ständer, bitteschön; den Unterschied habe ich schon in den WM-Quergedanken „Die Fähnchen flattern um uns rum“ im Juni 2006 erklärt (können Sie nachlesen unter  ∇ 2006-06-27 Kolumne:Die Fähnchen flattern um uns rum).

An besagte Stander hängte Walter hüben die Regenbogenfahne mit Picassos Friedenstaube drauf, drüben eine Trikolore mit schwarzem Rändchen oben und güldenem unten. Auf der großen roten Fläche dazwischen prangte das Konterfei von Jakob Siebenpfeiffer. Wer das ist, wusste wahrscheinlich keiner jener Fahrer in den anderen schwarz-rot-gold beflaggten Autos, die dem Freund alsbald den Vogel zeigten. Dessen Fähnchen waren denn auch schon nach zwei Tagen von fremder Hand heimlich eingezogen. Wissen übrigens Sie, verehrte Leser, wer Jakob Siebenpfeiffer war? Ein Deutscher und  Pfälzer, auf den man wirklich stolz sein kann. Schlagen Sie mal nach!

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