Tragt eure Masken mit Stolz!

Kolumne "Quergedanken" 184

Freund Walter meint angesichts der Überschrift: „Übertreibst du nicht etwas?“ Keineswegs, mein Lieber. Ich sage ja nicht: Habt Spaß am Schnuffeltuch. Das wäre abwegig. Denn natürlich lebte es sich ohne Maske wesentlich angenehmer und einfacher (auch wenn die Maskierung durchaus nette Nebeneffekt hervorbringt: Der Blickkontakt zum Gegenüber ist intensiver; man hat stets gleich ein Gesprächsthema; so manch ein/e Schüchterne/r findet flotter Anschluss; man ist nicht mehr so schutzlos den Feuchtsprechern und Maulstinkern ausgeliefert ….). Es geht mir bei „Stolz“ um etwas anderes:

Jedesmal wenn ich dieser Tage zum kleinstädtischen Supermarkt, an die Tanke oder den Buchladen komme, erlebe ich, wie die Kunden in größter Selbstverständlichkeit ihre Mund-Nasen-Maske aufsetzen bevor sie eintreten. Ähnlich das Bild bei Metzger, Bäcker, Bioladen: Geduldig und mit Abstand stehen die Leute in der Schlange vor den Geschäften, warten, bis sie hineingehen können, halten derweil ein Schwätzchen. Sobald ich dies sehe, schleicht sich stille Freude in mein Herz. Warum? Weil es zeigt, dass mitmenschliche Solidarität und daran orientierte Vernunft nicht vollends aus der Welt verschwunden sind.

Öfter mal frage ich beim Einkaufen Leute, was sie vom Masketragen halten. Dann kommen ganz simple Antworten wie „muss halt“ oder „gibt Schlimmeres“ oder „nervt, geht aber nicht anders“ oder „habe mich dran gewöhnt“ oder „ich will nicht Schuld sein, wenn jemand an der Scheißkrankheit verreckt“ oder „wenn es hilft, is gut, falls nicht, schadet‘s auch keinem“ oder „hoffentlich ist dieser Mist bald vorbei“ …. Nur zweimal in all den Monaten stieß ich auf so etwas wie Empörung wegen „diktatorischer Zwangsmaßnahmen“ oder „die da oben machen halt das Hännesje mit uns“.

Das Geschrei von der „politischen Corona-Diktatur“ findet hier im Alltag kaum Widerhall. Eher herrscht Pragmatismus nach der Devise: „Wat mutt, dat mutt, solange das Virus nicht besiegt ist.“ Das entspricht den bisherigen Umfrageergebnissen, wonach rund 90% der Bevölkerung die Seuchenschutzmaßnahmen im Grundsatz für richtig halten, nur 10% meinen, sie seien überzogen oder komplett unsinnig. Gewiss, in jüngerer Zeit greift teils eine gewisse Maskenmüdigkeit um sich. Gefahrenverdrängung gehört nunmal zu den Eigenschaften der menschlichen Spezies. Und nur zu gerne wiegt sich mancher Zeitgenosse in der trügerischen Sicherheit der hierzulande erreichten Erfolge gegen die Seuche – oder will jenen Rufern glauben, die gegen alle neueren Erkenntnisse behaupten, Maskentragen und/oder andere Schutzmaßnahmen seien für den Arsch beziehungsweise sowieso überflüssig.

Gleichwohl: Die Mehrheit der Menschen im Land folgt bereitwillig den Regeln des Seuchenschutzes, nicht immer buchstabengetreu, aber doch im Großenganzen. Und das keineswegs, weil sie „Schlafschafe“ oder „dumme Untertanengeister“ wären. Sondern meist im Wissen darum, dass ihre Maske sie selbst weniger schützt, mehr die Mitmenschen. Weshalb sie das uralte Solidarprinzip leben: „Ich schütze dich, du schützt mich.“ Und darauf darf ein jeder, der so handelt, stolz sein. Sieht man obendrein im Fernsehen, dass überall auf der Welt zahllose Menschen unter den oft schwierigsten Bedingungen irgendwelche Mund-Nase-Masken tragen, kann man auch stolz darauf sein, einer die gesamte Erde umspannenden Bewegung der Humanität, Vernunft, Aufgeklärtheit und solidarischen Achtsamkeit anzugehören.

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