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2005-11-01: | |
Rettet das Bluesfestival Lahnstein! Musikszene, Förderer, Kultursommer und Stadt schmieden einen Rettungsanker |
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ape.
Jährlich eine Pilgerfahrt zum Urquell aller heutigen Popmusik: Das
gab stets Halt, Sicherheit, wohlige Orientierung. Der Quell ist der
Blues, sein Schrein am Mittelrhein war 25 Jahre lang das
SWR-Bluesfestival zu Lahnstein. Ein Familientreffen: Bluesfreunde aus
der Region begegneten Gleichgesinnten aus ganz Deutschland, immer
wieder, Jahr für Jahr. Mal fehlte einer, war weggestorben. Mal
kamen ein paar Neue hinzu, jüngere, die den Blues eben erst
für sich entdeckten. Im einen Jahr platzte die Lahnsteiner
Stadthalle aus allen Nähten, im anderen blieb hinten noch Platz
zum Schwofen. Und alle Jahre wieder verbreiteten schon erste Blicke auf
den legendären gelb-blau gemusterten, mit tausenden
Brandlöchern angereicherten Teppich des Foyers gute Laune. |
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Die
völlig aus der Mode gekommene Hallenästhetik der 1970er
machte im Verbund mit dem Blues, der abseits des wohlgefälligen
Pop-Mainstreams seinen Ewigkeitswert behauptet, den
unverwechselbaren Charakter dieses Festivals aus. Mit Auftritten von
Blues-Altmeistern und/oder besonders interessanten jüngeren
Musikern aus Deutschland, Europa und Übersee war das
SWR-Bluesfestival Lahnstein eine der ersten Hausnummern der Szene in
Deutschland. Machte? War? Ja, denn just im Jubiläumsjahr 25
verkündete der veranstaltende SWR: Wir steigen aus. Weil die
Rundfunkgebühren nicht im geforderten Maß erhöht
wurden, fehlt nun das Geld fürs freiwillige Kür-Programm des
Senders. Eines der Sparopfer ist der Blues in Lahnstein. Da hilft kein
Zetern und nicht die Gegenrechnerei, dass der SWR aus dem Festival
stets auch ein Quantum TV- und drei Stunden Rundfunkprogramm gezogen
hat. Hoffen auf Kraft der Region Da dem Vernehmen nach hierbei auch Empfindlichkeiten höherer Rundfunkpolitik mit im Spiel waren, konnte, wo es sonst um Millionen geht, der Posten von nur ein paar zehntausend Euro unversehens erstaunliches Gewicht annehmen. Wie dem auch sei, der Sender ist raus, und dem SWR-Bluesfestival ward mit dem 25. Abend im vergangenen September erstmal das Grablied gesungen. Blues höchster Güte also perdu am Lahneck? Eine letzte Hoffnung richtet sich nun darauf, dass die Region selbst den Willen und die Kraft aufbringen möge, Hand in Hand mit Blues-Freunden von außerhalb das Lahnsteiner Festival in eigener Regie fortzuführen. Dafür gibt es mittlerweile, nachdem der Schrecken über den Ausstieg des SWR überwunden ist, hoffnungsvolle Ansätze. Genau besehen, haben fünf Gruppen Interesse an einer Fortführung des Festivals bekundet. Erstens der Verein Lahnsteiner Musikszene, bekannt vor allem als Veranstalter des alljährlichen Sommer-Kulturfestivals „Lahneck live“. Zweitens gut 100 Bluesfreunde, die beim letzten Bluesfestival per Unterschrift sich zu Förderern einer eventuellen Nachfolgeveranstaltung erklärten. Drittens der Kultursommer des Landes, der sich bereit erklärte, das Projekt mit beachtlichen Finanzmitteln zu unterstützen – sofern eine Kooperation aus örtlichen Kräften das Ihre zum Gelingen beiträgt. Viertens sagte eine Gruppe von prominenten Bluesfreunden Unterstützung und Mitwirkung zu, darunter Musikimpressario Fritz Rau, der Festivalgründer und langjährige Leiter Tom Schroeder sowie dessen Nachfolger, der SWR-Redakteur Christian Pfarr. Und schließlich fünftens die Stadt Lahnstein, deren Vertreter sich verschiedentlich für den Erhalt des Bluesfestivals ausgesprochen haben. Im Gespräch erläutern Walter Nouvortne, Vorsitzender der Lahnsteiner Musikszene, und Markus Graf, ebenfalls Mitglied des Vereins und zugleich Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft Rockpop, die Chancen und die noch zu überwindenden Schwierigkeiten für das Projekt „Fortführung des Lahnsteiner Bluesfestivals in Eigenregie“. Danach stehe der eigene Verein bis auf Weiteres als Träger und praktischer Durchführer des Festivals bereit. Voraussetzung seien allerdings eine klare, solide Finanzierung und eindeutig definierte Zuständigkeiten. Dieses Ansinnen geht vor allem in Richtung Stadt Lahnstein, die müsse mit einem geldwerten Beitrag um 10 000 Euro einsteigen, sonst funktioniere das ganze Modell nicht. Der Verein selbst werde sich um Einwerbung weiterer Sponsorenmittel bemühen, die übrigen Anteile an geschätzten Gesamtkosten von etwa 50 000 Euro könnten aus dem Kartenverkauf und dem Engagement des Kultursommers aufgebracht werden. „Übernimmt die Stadt ihren Part und stimmt der Kultursommer unserem Antrag zu, hätten wir die Finanzierung schon fast in trockenen Tüchern“, meint Nouvortne. Die Lage bei Redaktionsschluss für dieses Kulturinfo stimmt optimistisch. Die Haushaltsberatungen der Stadt liefen zwar noch, aber Zuwendungen zum Bluesfestival waren schon in den Entwurf eingestellt. Zeitgleich erklärte der Kulturbeigeordnete der Stadt gegenüber dem Musikszene-Verein, dass er sich für eine entsprechende Beschlussfassung einsetzen wolle. Inzwischen ist auch ein künstlerischer Beirat mit Bluesspezialisten um Tom Schroeder und Fritz Rau gegründet – auf deren musikalische Kompetenz und Kontakte in die internationale Szene die künftigen Macher des Lahnsteiner Bluesfestivals nicht verzichten können und nicht verzichten wollen. Denn klar ist: Ein unverwechselbares künstlerisches Bluesprofil von internationaler Klasse ist Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit dieses Festivals. Mit zwei Festivals glänzen Damit stehen die Chancen gut, dass Lahnstein auch 2006 wieder mit zwei großen Musikfestivals glänzen kann: dem national bedeutenden Bluesfestival in der Halle und dem weit in die Region ausstrahlenden „Lahneck live“ unter freiem Himmel. Beide Festivals liegen dann in der Hand des Vereins Lahnsteiner Musikszene, der Mitte der 1980er-Jahre gewissermaßen aus einem kulturgeschichtlichen Ansinnen heraus die Musikfestival-Tradition am Ort begründete: Geburtststunde war ein einmaliges Festival, das örtliche Bands und Musikgruppen aus den vorangegangen 30 Jahren, also zurück bis in die 50er, (wieder) zusammen führte. Daraus entstand (immer wieder motiviert durch den Ideengeber Michael Stoll) das bis heute wirksame Konzept für „Lahneck Live“, das populäre wie ausgefallenere Musik, Comedy, Kabarett und Literatur sowie Kinderprogramm zum Generationen, Klassen, Kulturen und Sparten übergreifenden Happening verbindet. Viele Jahre auf Burg Lahneck veranstaltet, zieht „Lahneck live“ seit 1996 jeweils mehr als 10 000 Besucher für die inzwischen fünf Bühnen ans Rhein-Lahn-Ufer. Wegen der Fußball-WM wird das Sommerfestival 2006 vom traditionellen letzten Juni-Wochenende in den Juli verlegt. Einen Termin fürs Bluesfestival kann es naturgemäß noch nicht geben, bevor seine Fortsetzung ausgemachte Sache ist. Aber wir hoffen, dass es gelingt – das New Bluesfestival Lahnstein. |
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