Kritiken Theater | |||
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2009-09-27 Schauspielkritik: | |
Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ in Wiesbaden zwischen den Genres verlaufen Tragödie im Komödienstadl |
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ape. Wiesbaden. Mit
Ödön von Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ startete die Schauspielsparte
des Staatstheaters Wiesbaden in die Saison. Ein Krisenstück aus den
1930ern zum Spielzeitauftakt 2009/2010: Das ist kaum Zufall, darf als
Standortbestimmung aufgefasst werden. Der Autor nannte sein Stück im
Untertitel „einen kleinen Totentanz“, denn es geht um eine junge
Elisabeth aus dem Volk, die von den sozialen Umständen unter die Räder
seelenloser Justiz und bigotter Spießbürger-Konvention getrieben wird. |
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Der
Vorhang geht auf. Und rasch ist klar: Hier hat ein Senior aus dem
Regiefach inszeniert. Was in Wiesbaden nicht zuletzt auf den
71-jährigen Chef des Hauses hinweist, auf Manfred Beilharz. So ist es
auch. Unverkennbar seine schon aus Bonn bekannte, über die letzten
Jahre in Wiesbaden weiter gepflegte Handschrift: Wenn ein Werk
Volkstheater-Manier irgend erlaubt, richtet Beilharz auch Volkstheater
ein – dabei auf saftige Typen und historisierendes, durchaus auch
gewollt pittoreskes Kolorit bauend. Das muss nicht per se schlecht sein, kann künstlerischen Wert und eigenen Reiz haben – wie 2008 von Beilharz mit Brechts „Puntila“ vorgeführt. Dennoch wirkt Elisabeth im Blümchenkleid mit Strohhütchen heute ebenso befremdlich wie die Schupos im altberlinischen Gendarmen-Outfit oder Frau Richterin im Witwenkostüm mit Perlenkette. Mehr noch als dies und eine leibhaftige grüne Minna auf Speichenrädern ist es die Art des altbackenen Spielens, die einem seltsam vorkommt. Sprechen, Gesten, Bewegungen wirken wie fortwährende demonstrative Fingerzeige: Seht her, so war's einmal anno 1932. Nun scheint der Regisseur die reine Musealität zur fürchten. Weshalb er Horváths gallenbitteres Realdrama aufbricht – es mit teils krachledernem Chargenspiel in Richtung Brettl-Komödie treibt. So erleben wir dann Elisabeths Sozial- und Liebestragödie eingebettet in ein Panoptikum aus kalauernden Deppen, Schranzen, Abziehbildern. Beides wird für sich genommen teils gar nicht mal schlecht gespielt. Verena Güntners Elisabeth ist eine fast Brechtsche Frauengestalt mit ihrer proletarischen Klarsicht über die Verhältnisse und ihrer Renitenz wider die da oben. Ihr Umkippen in verzweifelte Innerlichkeit ist sehenswert. Im komischen Fach machen etwa Evelyn M. Faber als Frau Amtsgerichtsrat oder Franz Nagler als Präparator, Schupo und Baron ordentliche Figur. Bald ziemlich verloren zwischen den Genres, bleibt indes Sebastian Münster in der Rolle des Polizisten – der Elisabeth erst liebt, dann aber der Karriere wegen sitzenlässt – unter seinen Möglichkeiten. „Glaube Liebe Hoffnung“ in Wiesbaden: Für ein Statement des Theaters zur aktuellen Krise ist die Inszenierung von Manfred Beilharz zu harmlos; für einen überzeugenden „normalen“ Theaterabend mangelt es ihr am schlüssigen Ganzen. Andreas Pecht Info: www.staatstheater-wiesbaden.de (Erstabdruck Woche 40 September/Oktober2009) Horváth, "Glaube Liebe Hoffnung", Staatstheater Wiesbaden, Regie Manfred Beilharz |
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