Kritiken Theater | |||
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2009-11-29 Schauspielkritik: | |
Am Theater Koblenz verflacht Gogols beißende Gesellschaftssatire zum kurzweiligen Hingucker „Der Revisor“ als spielfreudige, aber gedankenlose Groteske |
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ape. Koblenz. Keine
bestimmte Zeit, kein erkennbarer Ort, keine wirklichen Menschen.
Stattdessen eine an der Rampe beginnende, ansteigende und sich
schließlich im Dunkel der Hinterbühne verlierende Bretterstraße (Bühne:
Hans Richter). Darauf ein kleines Figuren-Panoptikum, wie aus alten
Illustrationen zu Gedichten von Wilhelm Busch entsprungen. Martin
Kreidt hat dem Stadttheater Koblenz Nikolaj Gogols Komödie „Der
Revisor“ von 1836 als fast surreale Groteske inszeniert. Das Ergebnis
wurde bei der Premiere am Wochenende teils heftig beklatscht, teils
bloß freundlich beklätschelt. |
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Gogol
hatte „alles Üble, was ich damals kannte, auf einen Haufen sammeln und
mit einem Male verlachen wollen“. In seiner Geschichte verwechseln die
Honoratioren eines Ortes den reisenden Schmarotzer Chlestakow mit dem
erwarteten Staats-Revisor. Sie tun, was Leute tun, die Entdeckung ihrer
krummen Geschäfte fürchten: Sie versuchen erst, den vermeintlichen
Kontrolleur hinters Licht zu führen, dann bestechen sie ihn. Gogols
Konstruktion lässt verblendete Gierhälse auf einen blenderischen
Gierhals treffen – das ist beißende Satire, die in der
Inszenierungsgeschichte mal zu schnippischem Bürgervergnügen, mal als
scharfe Gesellschaftskritik geformt wurde. Womit haben wir es jetzt in Koblenz zu tun? Zuerst einmal: Es gibt ordentlich was zu lachen und allerhand zu sehen. Dank John von Düffels Textbearbeitung lässt sich hier das Stück von sieben Schauspielern realisieren. Zweck solcher Reduktion könnte Konzentration auf die Psychologie der Figuren sein, auf ihre inneren Triebkräfte und deren Spiegelung im Handeln. Letzteres, das Handeln, nimmt in Kreidts Regie primäre Position ein: Die Lust am komischen Effekt-Spiel, insbesondere am skurrilen körperlich-mimischen Ausdruck prägt, ja dominiert diese Inszenierung. Der Chlestakow des Jona Mues wirkt wie eine Kreuzung aus Karl Valentin und Klaus Kinski, seine Kennzeichen sind verdrehte Gliedmaßen in zu großen Schuhen und zu kurzem Beinkleid nebst allweil wirr ins Gesicht hängenden Haaren. Flankiert wird er vom ewig hungrigen Ossip, den Daniel Wagner als archetypischen Diener baut, der auch in jede stadttheatralisch zubereitete Komödie von Goldoni und Moliere passen würde. Reinhard Riecke gibt einen bedrohlich knurrenden Stadthauptmann. Weib und Tochter (Claudia Felke, Dorothee Lochner) konkurrieren mit altersgeilem Diven-Esprit versus backfischiger Heiratsbegierde um Chlestakows Zuneigung. Sämtliche Figuren werden mit Verve als Karikaturen ausgespielt. Die einen schrill, andere wie Dobtschinski und Bobtschinski (Gerhard Ströher, Olaf Schaeffer) eher mit der blöd-klugen Poesie eines Dick und Doof. Reihum wird ordentliches, von Mues bemerkenswertes Schauspielhandwerk in einer stimmigen Ästhetik geboten. Das ist in seiner Äußerlichkeit nett anzusehen, aber: Was soll’s? Was lernen wir über die Menschen? Welche inhaltliche Idee steckt in der Inszenierung? Was sieht die Regie in Gogols Stück? Welche Relevanz misst sie ihm fürs Heute zu? Was für eine gedankliche Anregung können wir aus dem Theater mitnehmen? Spielen bloß um des selbstverliebt augenschmausigen Spielens willen. Sorry, wenn wir vom ersten Schauspielklassiker der neuen Spielzeit mehr erhofft hatten als das. Andreas Pecht Info: www.theater-koblenz.de (Erstabdruck am 30. November 2009) Stadttheater Koblenz, Gogol, Revisor, Regie Martin Kreidt, Kritik |
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