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Zur Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko Das "Restrisiko" schlägt zu |
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ape. Auch
von dieser Bohrinsel hieß es, sie könne weder explodieren noch sinken.
Aber: Sie ist explodiert und gesunken. Sollte der undenkbare Fall
doch eintreten, hieß es, würde ein narrensicheres Automatiksystem
das Bohrloch veschließen. Aber: Das System hat versagt, dem Loch am
Grunde des Golfes von Mexiko entströmen täglich mindestens 800 000
Liter Öl - und bislang ist jeder Versuch gescheitert, dort in 1500
Metern Meerestiefe eine Reperatur durchzuführen. Kurzum: Ein angeblich
völlig unmögliches Unglück ist eingetreten. Ist das nur eine einmalige, nie wiederkehrende Verkettung unglücklicher Umstände? Ach was! Wir haben es vielmehr mit einem jener Momente zu tun, die dem globalen Öl-System ebenso als statistische Wahrscheinlichkeit innewohnen wie dem weltweiten Kernkraftwerks-Park oder dem gewöhnlichen Straßenverkehr. Mit dem Unterschied, dass Verkehrsunfälle immer bloß einzelne Menschen oder kleine Menschengruppen in Mitleidenschaft ziehen. Während Öl-Havarien unter Wasser, zu Wasser oder zu Land gewaltige Katastrophen verursachen können. Von den kontinent- oder weltumspannenden Schaddimensionen bei AKW-Unglücken gar nicht zu reden. "Herr die Not ist groß! Die ich rief die Geister, werd' ich nun nicht los" , jammert Goethes Zauberlehrling, als er die in maßloser Selbstüberschätzung entfesselten Mächte nicht mehr zu bändigen vermag. Bei allen damit verbundenden Beschwernissen hatte der Vulkanausbruch neulich auf Island doch eine angenehme Seite: Kein Mensch war schuld, die Natur rülpste aus eigenem Antrieb - und eine den natürlichen Möglichkeiten nicht angepasste Zivilisation wurde in ihre Grenzen verwiesen. Umgekehrt nun die Öl-Katastrophe vor und an den US-Küsten: Die Zauberlehrlinge spielen leichtfertig mit Kräften, die sie nicht wirklich beherrschen - und auszubaden hat es zuvorderst die Natur. Das Meer im weiten Umkreis um die Unglücksstelle vom Grund bis an die Oberfläche vergiftet, die Oberfläche auf hunderte Quadratkilometer verseucht, die Küstenökologie in noch kaum abzuschätzendem räumlichen und zeitlichen Ausmaß gefährdet. Immerhin liefert auch dieses menschengemachte Fiasko sogleich das Lehrstück mit, wonach der technische Fortschritt uns keineswegs von der Natur unabhängig gemacht hat: Mit der Versauung der Umwelt durchs Öl rückt der Kollaps von Fischerei, Landwirtschaft, Tourismus in der Mississippi-Region heran. Man kann es sich einfach machen und dieses Unglück, wie so viele andere zuvor, fatalistisch unter den Rubriken "unvermeidliches Restrisiko" oder "Preis für die Zivilisationsentwicklung" verbuchen. Tut man das, muss man ehrlicherweise auch dazusagen, dass Restrisiko und Preis ständig steigen. Warum? Weil Tausende von Bohrinseln, Förderanlagen, Pump- und Pipelinesystemen, Transportschiffen rund um den Erdball nicht jünger werden, aber in Dienst bleiben, solange sie ordentlich Profit abwerfen. Weil wegen des anhaltend kräftig wachsenden Öl-Bedarfs weltweit die Beanspruchung von Technik und Bedienungspersonal zunimmt. Weil die Zahl der Bohr-, Förder- und Transportanlagen wächst und sich ihre Arbeit wegen der knapper werdenden sowie immer schwieriger auszubeutenden Lager verkompliziert. Weil zugleich der ökonomische (Rendite-)Druck auf das gesamte globale System der Brennstoffbeschaffung sich fortlaufend erhöht. Diese jüngste Öl-Katastrophe stößt uns mit der Nase wieder auf den allzuoft vergessenen Umstand, dass die Verbrennungstechnik nicht nur hinten mit den Abgasen existenzgefährdende Probleme schafft (s. Klimawandel). Vielmehr verursacht schon der gesamte Produktions- und Distributionsprozess des Brennstoffes permanent Verschmutzungen und Gefährdungen der Umwelt - wie wir jetzt neuerlich erleben schon ganz am Anfang, bei der Hebung der Rohstoffe. Ein Grund mehr, endlich Abschied zu nehmen von der Vorherrschaft einer Energiebewirtschaftung, die nicht mit der Natur harmoniert. Um auch das heute quasi zur Pflicht gewoderne ökonomische Argument noch anzuführen: Würden alle Kosten, die das Öl-/Gas-/Kohle-System durch direkte wie mittelbare und nachfolgende Umweltschädigungen verursacht, beim Brennstoffhandel ehrlich eingepreist, die Welt würde sehr, sehr schnell die Vorherrschaft der Verbrennungstechnik abstreifen. So aber bleibt der tatsächliche Preis des Brennstoffs unsichtbar, weil die Allgemeinheit ihn indirekt mit Abermilliarden subventioniert respektive unsere Kinder und Kindeskinder ihn rückwirkend werden subventionieren müssen. Ein paar hundert Millionen Dollar, die BP wahrscheinlich für die Bekämpfung der jetzigen Katatrophe abdrücken muss, sind da nur Peanuts. Andreas Pecht |
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