Kritiken Theater | |||
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2010-05-09 Schauspielkritik: | |
„Die Perser“ am Staatstheater Mainz (Regie: Philip Tiedemann): Antiker Hammer in teils bemühten Bildern Die Menschheit hat seit Aischylos nichts dazugelernt |
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ape. Mainz. Mit
antiken Griechentragödien heutiges Publikum zu packen, ist nicht
leicht. Denn die alten, oft fremd verwickelten und rhythmisierten Verse
waren für ein Theater erdichtet, das sich grundlegend vom heute
gewohnten unterscheidet. Weshalb Regisseure hin- und hergerissen sind:
Sollen sie die Vorlage aufbrechen und in geläufiges Erlebnistheater
verwandeln, oder sollen sie bei der originalen Spielweise bleiben?
Nicht immer mit Fortune versuchen sie oft beides zugleich, wie jetzt
Philip Tiedemann am Mainzer Staatstheater bei „Die Perser“ von
Aischylos. |
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Sechs
Schauspieler finden sich zeitweise zum Sprechchor zusammen, gehen dann
wieder auseinander, um jeweils mehrere Figuren darzustellen. Sie reden
nicht wie jedermann, sondern rezitieren in stark
herausgestrichener Rhythmik Durs Grünbeins dezent modernisierende
Bearbeitung des Aischylos-Textes. So weit, so antikisch und auch gut. Denn dieses Stück, obwohl das älteste des abendländischen Theaters überhaupt, ist ein Hammer. Vor zweieinhalb Jahrtausenden geschrieben, handelt es vom verlorenen Feldzug des persischen Großkönigs Xerxes gegen ein noch unbedeutendes Griechenland – und verhandelt doch Fragestellungen von brennender Aktualität: Warum kommen Angehörige unterschiedlicher Kulturkreise so schlecht miteinander aus? Wohin führt die Arroganz der Macht? Wieso kann ein kleines Volk die größte Militärmacht der Welt besiegen? Was stellt die Niederlage mit den Seelen jener an, die sich für unbesiegbar hielten? Kann Krieg seinen Preis wert sein?... Und es ist wohl einer der erschütterndsten Momente, wenn es bei der Lektüre des Textes oder vielleicht auch während des 90-minütigen Mainzer Abends im Kopf klick macht und man erkennt: Wir haben seit der Uraufführung 472 vor Christus nichts Wesentliches hinzugelernt. Auf der Bühne (Ausstattung: Etienne Plus) ein Berg aus Plunder. Standuhr, Truhen, Kleiderständer, Federbetten, Rollstuhl: Sperrmüll aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert. Dazu Haufen güldenen Geschirrs nebst Säcken prall von Geld und Aktien. Beutegut, vergängliche Insignien ebensolchen Reichtums – Hof und Heimat des Xerxes, dessen stolzes 300 000-Mann-Heer gerade am fernen Peloponnes massakriert wird. Die Daheimgebliebenen erwarten hoffend und bangend den Boten. Bemüht, teils albern, wirkt die Inszenierung, wo sie die reihum fein erspielte Anlehnung an die Strenge antiker Darstellung aufgibt und nach neuzeitlichen Bildeffekten sucht. Beispiel: Plötzlich fällt Andrea Quirnbach als Königin-Mutter aus ihrer zuvor einnehmenden Ambivalenz zwischen Pein und von der Staatsräson geforderten Stärke. Sie verteilt blutige Klumpen auf der Bühne, mimt skurril ein Ritual, das den verstorbenen König Dareios heraufbeschwört. Diese Rolle fällt Stefan Walz zu – und der spukt im Goldglitzer-Umhang durch die Szene wie Kinder, die mit dem Betttuch überm Kopf Gespenst spielen. Am Ende kehrt Xerxes heim, wird wegen seiner Verblendung angefeindet. Trefflich balanciert Zlatko Maltar die Figur zwischen mäßigem Entsetzen über die Katastrophe und Empörung über einen bösen Geist. Der König will sagen: Schuld ist der Teufel, nicht er, der gottgleiche Xerxes. Derweil versucht das übrige Ensemble am Boden ein Höllenbild zu formen aus sich im Schmerz windenden Menschenwürmern. Die Idee ist klar, aber ausschauen tut’s, sagen wir mal: unpassend. Andreas Pecht Infos: www.staatstheater-mainz.com (Erstabdruck 10. Mai 2010) |
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