Kritiken Theater | |||
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2012-09-25 Schauspielkritik: | |
Bemerkenswerte "Hamlet"-Inzsenierung von Johannes Lepper am Theater Bonn Hamlet tobt nicht, er denkt |
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ape.Bonn/Bad-Godesberg. Wenn
ein Schauspielabend mit nur einer Pause vier Stunden dauert, aber einem
nicht überlang vorkommt, müssen Stück und Umsetzung von gehöriger
Qualität sein. Das gilt sowieso für Shakespeares „Hamlet“, das gilt
auch für die Inszenierung von Johannes Lepper jetzt am Theater
Bonn. Nach Spielweise, Bühne, Kostümen ungefähr ins mittlere 20.
Jahrhundert transferiert, prägt diesen Abend doch ein respektvoller und
wohldurchdachter Umgang mit dem großen Werk von 1601. |
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Am dänischen Königshof fließen Gediegenheit und gespenstische Düsternis ineinander. Im weiten Saal mit Holzparkett und opulenter Freitreppe (Bühne: Martin Kukulies) bleiben am Rand stets dunkle Ecken und zwischen fortdauernd wabernden Nebelschwaden eine kaum erkennbare Vielzahl von Türen. Offener Raum und Labyrinth zugleich: Das ist die angemessene Bühne für ein Stück, das ebenso von geheimen Intrigen hinter verlogenem Schein handelt wie von den Verwicklungen zwischen Rationalität und seelischen Abgründen. Prinz Hamlets Vater wurde vom Onkel ermordet, der den Thron an sich reißt und die Witwe ehelicht. Vom Geist des Ermordeten angestachelt, sinnt der junge Mann fortan auf Rache – stürzt dabei sich und andere in existenzielle Fragen. In Bonn kreisen die bekannten Ereignisse um eine weniger wahnhaft zerrissene als intensiv nachdenke Titelfigur. Konstantin Lindhorst spielt sie mit höchster Intensität, lässt indes Hamlet seine großen Monologe nicht mit sich austragen, sondern ans Publikum gewandt vortragen nach der Art: Hier sind Probleme, die mich heftig umtreiben, die aber euch alle angehen. „Sein oder Nichtsein“ – den Selbstmord erwägt er als gedankliche Möglichkeit, das Überziehen einer Plastiktüte bleibt indes bloßes Experiment. Lepper stellt das gleichermaßen lustvolle wie disziplinierte Auskosten schauspielerischer Potenziale in den Dienst einer an individuellen Figurenentwicklungen reichen Inszenierung. Bernd Braun gibt den Brudermörder Claudius erst als Mann von berechnender Freundlichkeit, dem der für ihn schlechte Gang der Dinge nachher die Contenance austreibt. Seine Gattin und Hamlets Mutter bekommt von Sabine Wegmann zunächst einen kräftigen Stich grinsgesichtiger Hofpuppe mit, deren Maske jedoch Zug um Zug porös wird. Ophelia, das Hamlet liebende und von ihm vielleicht geliebte Mädchen, ist bei Anastasia Gubareva widerspenstige Göre und hochsensible, zarte Person in einem. Aus dieser Ambivalenz erwächst später ein tobsüchtiger Wahnsinn, der plötzlich der ganzen Inszenierung für etwa 30 Minuten eine völlig veränderte Spielweise aufzwingt: aktuelles Theater, bei dem es sehr laut zugeht und die Fetzen fliegen. Dieser Wechsel ist wohl gewollt. Denn Lepper arrangiert den ganzen Abend über Anklänge an Spielweisen unterschiedlicher Epochen und Schulen. Shakespeare-Humor schiebt sich mal als leise Salon-Lakonie, mal als deftige Commedia del Arte, mal nach überzeichnender Comedy-Manier ins tragische Umfeld. Dieses wiederum changiert vom klassischem Stil zu Ibsen-, Tschechow- oder Brecht-Spiel. Das Schöne an der Inszenierung ist, dass all dies sehr vorsichtig und harmonisch entwickelt wird in sinnfälliger Korrespondenz mit Shakespeares Stück und der wunderbaren Übersetzung von Heiner Müller. Andreas Pecht Infos: >>www.theater-bonn.de (Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website am 25. September 2012) --------------------------------------------------------- ∇ Wer oder was ist www.pecht.info? --------------------------------------------------------- |
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