Thema Politik | |||
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2013-09-14 Anmerkungen: | |
Zur Bundestagswahl am 22. September 2013 Die Wahlen sind wichtig, entscheiden aber wenig |
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ape. Ja
doch, Wahlen sind wichtig.
Weil ihre regelmäßige Wiederkehr auch zwischen den Wahljahren eine Art
permanenter Druckkulisse aufrechterhält, die die partei- und
staatspolitisch Handelnden im Land zumindest daran erinnert, dass sie
eigentlich auf das Gemeinwohl verpflichtet wären. Aber nein,
Wahlen bringen keine Entscheidungen über die grundlegende
Entwicklungsrichtung des Staates und des Gemeinwesens. Dies
anzunehmen, wäre eine Illusion und naiv angesichts des Umstandes, dass
"unsere Politiker" als vermeintliche Pragmatiker und Realisten vor
allem Getriebene sind. Oder besser: sich treiben lassen - von so
genannten Sachzwängen, vor allem von "den Märkten". Systemisch
wirkmächtige Politik steht nicht zu erwarten, es sei denn in
variierenden Formen systemischer Anpassungspolitik. Wer sich allein auf
Wahlen verlässt, bekommt Politik bloß als "Politik der kleinen
Schritte" auf dem weiten Feld kleingedruckter Nebenbedingungen. De facto Richtungsentscheidungen finden in der Regel im außerparlamentarischen Raum statt. Die Lösung der Frau aus ihrer tradierten Primärfunktion als Heimchen am Herd war ebenso ein zuförderst außerparlamentarischer Kulturumbruch wie die Akzeptierung schwul-lesbischer Beziehungen als Normalität oder die Anerkennung von Umweltschutz als allgemeine Aufgabe von höchster Wichtigkeit. Die Abschaffung der DDR und die deutsche Wiedervereinigung war auch ein solcher Fall: Von einer Mehrheit des Ostvolkes erstritten und gewollt; beides. Letzteres von Kohl bloß noch mit guter Nase für richtiges Timing und herzergreifende Inszenierung exekutiert. Ähnliches gilt für die zweite Merkel'sche Energiewende: Erzwungen von der Fukushima-Katastrophe wie der sich dadurch festigenden und vergrößernden grundsätztlichen Ablehnung der Atomkraft in der deutschen Bevölkerung. Merkels einziger Verdienst dabei: Sie hat sofort gerochen, dass damals ein Festhalten an ihrer ersten Energiewende (Ausstieg aus dem Atomausstieg) bei der nächsten Wahl das Ende ihrer Macht bedeutet hätte. Insofern sind Wahlen als Druckkulisse hilfreich, um durch anderweitige Ereignisse, Strömungen, Tendenzen vorgenommene Weichenstellungen staatspolitisch nachzuvollziehen. Das galt im Grunde auch für die Schröder/Fischer-Regierung, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen: Agenda- und Deregulierungspolitik waren der vollziehende Kniefall der Politik vor den mit objektiver Wucht zur faktischen Machtergreifung drängenden "Märkte". Auf der politischen Oberfläche war die Folge Abwahl dieser Regierung - und zugleich Schrumpfung der auf ähnlicher Welle schwimmenden Union. Die beiden Wahlverlierer SPD und CDU retteten sich 2005 in die Große Koalition. Maggi Thatcher hatte in den 1980ern die ersten wichtigen Schritte unternommen, die Ära der nachkriegszeitlichen Sozialstaatsentwicklung in Europa zu beenden und Politik (wie Gesellschaft) wieder in die dienende Funktion gegenüber dem nun auf neue Weise global agierenden Kapital zu bringen. Tony Blair und Gerhard Schröder waren dann mit ihrem "sozialdemokratischen" Neoliberalismus die Dammbrecher und Tempomacher auf diesem Kurs. Dem setzten nachfolgende konservative Regierungen stramm fort. Ergebnis ist die heutige Diktatur des Ökonomismus bis fast in die letzte Gesellschaftspore hinein, sowie die damit einhergehende Befreiung des Finanzkapitals von sämtlichen Allgemeinwohlbindungen. Seither sehen wir das Heft des großen, durchgreifenden, entscheidenden Handelns nicht mehr in der Hand von Partei- und Staatspolitik. Seither sehen wir die Macht nicht mehr beim Souverän Volk und seinen gewählten Vertretern. Seither sehen wir vielmehr die Souveränität abgewandert in eine anonyme, von niemandem kontrollierte (Wirtschafts-)Sphäre und von dort die Geschicke in Staat und Gesellschaft nach Gusto steuernd. Und es ist leider weder im ärgsten Wahlkampfgeklingel noch erst recht in der geschäftsmäßigen Praxis zwischen den Wahlen von schwarz bis grün eine deutsche Partei zu erkennen, die den Mut, den Willen oder wenigsten den Wunsch hätte, dieser Entmachtung der Politik ernsthaft Paroli zu bieten. Ein solch grundlegendes Manko ist durch Wahlen kaum zu beseitigen. Weshalb sich durchaus verstehen lässt, wenn selbst an Politik sehr stark interessierte und bestens informierte Zeitgenossen von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen. Ich gehöre nicht dazu, weil ich ein unverbesserlich bis verzweifelt Hoffender bin, der seine Hoffnung auf Kombination aus außerparlamentarischen Bewegungen der Zivilgesellschaft UND der Wahl-Druckkulisse für die Parteienpolitik setzt. Das macht allerdings die jetzige Wahlentscheidung keineswegs einfacher und bewahrt auch nicht vor dem Unwohlsein, wieder nur ein kleineres Übel wählen zu können. Andreas Pecht |
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