Kritiken Theater | |||
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2014-02-10 Ballettkritik: | |
"Dornröschen" am Staatstheater Mainz in einer Choreographie von Pascal Touzeau Scheidender Ballettchef schafft leider nur eine langatmige Kopfgeburt |
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ape. Mainz. Gerne
hätte man das letzte große Handlungsballett von Pascal Touzeau als
gelungenen Schlusspunkt seiner Zeit am Mainzer Staatstheater gefeiert.
Noch im Oktober hatte eine opulent sinnenfrohe wie intim gefühlvolle
„Cinderella“-Choreographie des scheidenden Ballettchefs darauf schönste
Hoffnungen gemacht. Doch leider kann seine jetzige Bearbeitung des
Ballettklassikers „Dornröschen“ sie nicht erfüllen. Zur Premiere kam an
diesem Wochenende eine langatmige, zerstreute, unverständliche
Produktion. |
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Mit dreieinhalb Stunden für einen Ballettabend ohnehin rekordverdächtig lang, kommt einem das Mainzer „Dornröschen“ subjektiv noch länger vor. Das rührt weniger daher, dass Touzeau zwar Tschaikowskis berühmte Musik beibehält, die Märchengeschichte aus Marius Petipas 1890er Erstballett aber durch eine eigene Fantasie ersetzt. So sind viele Choreographen verfahren, von John Neumeier bis Mats Ek; letzterer verlegte die Handlung 1996 gar ins Drogenmilieu. Die Krux in Mainz ist der weitgehende Verzicht auf Charaktertanz, das Fehlen tänzerischer Ausformung mannigfacher Figurentypen mit unterschiedlichsten Beziehungen zueinander. Unschöne Folge: Der Abend strömt mit nahezu gleichartigem Ausdrucksstil auf allen Positionen gemächlich dahin, lässt vielfach im Unklaren wer wer ist, sich wie fühlt und was warum tut. Wie immer beim ballettmainz wird auf technisch hohem Niveau getanzt, das sich hier allerdings bis hin zur Titelfigur (Hiroko Asami) in manierierter Äußerlichkeit erschöpft. Leid, Hoffnung, Freud werden formal vorgeführt, doch anrührende Funken kommen beim Zuseher keine an. Beseeltes Ballett geht anders – „Dornröschen“ ist hier auch tänzerisch eine reine Kopfgeburt. Wie bei Touzeau mehrfach erlebt, behauptet das Programmheft ein Geschehen, das auf der Bühne teils gar nicht erkennbar ist. Im Bordell spiele das Stück, heißt es. Dort wachse Aurora/Dornröschen auf (Prolog); falle ins Koma, als sie am 18. Geburtstag ihren ersten Freier bedienen soll (1. Akt). Im 100-jährigen Schlaf (2. Akt) habe sie Visionen, unter anderem vom liebevollen Traummann, der sie in ein besseres Leben führt. Dann erwache Aurora in einem neuen Zeitalter (3. Akt) inmitten einer Jugendparty und treffe zum Happy-end in Désiré (Guillaume Hulot) den Retter aus ihrer Vision wieder. Das könnte durchaus als tragfähige, psychologisch interessante Umdeutung von Tiefendimensionen des Märchens taugen. Aber mit Verlaub: Sofia Crocianis Kulisse aus einer Rückwand mit zwei Türen und Treppe lässt so wenig an Bordell denken wie das tanzende Personal. Die Herren in schlabbrigen „Liebestötern“, die Damen des behaupteten Begierden-Etablissements eher altbacken-sportiv denn lasziv gewandet – und die Tanzsprache reihum von indifferenter Beliebigkeit. Das Philharmonische Staatsorchester liefert unter Florian Csizmadia eine dynamisch inspirierte, mit forschen Kontrasten auftrumpfende Klangkulisse. Mal bleibt die Choreographie davon völlig unbeeindruckt. Mal lässt sie sich, vor allem im 2. Akt, zu einigen originellen, schön fließenden Formationen motivieren – die den Abend als ganzes aber nicht aus seiner Belanglosigkeit herausreißen können. Andreas Pecht Infos: >>www.staatstheater-mainz.com (Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website am 10. Februar 2014) *** Nachfolgend alle Besprechungen auf dieser Website zu Touzeau-Produktionen in Mainz seit 2009: ∇ 2013-10-21 Ballettkritik: Pascal Touzeaus beeindruckendes „Cinderella“-Ballett ∇ 2013-04-15a Ballettkritik: ballettmainz mit drei Choreographien von Inger, Godani und Touzeau ∇ 2012-10-08 Ballettkritik: ballettmainz gefällt mit einem neuromantischen "Schwanensee" ∇ 2012-04-16 Ballettkritik: ballettmainz brilliert mit Kyliáns "Indigo Rose" , langweilt mit Touzeaus „360º“ ∇ 2012-02-06 Ballettkritik: "Voices" beim ballettmainz. Choreographien von Pascal Touzeau zu Musiken von Peteris Vasks ∇ 2011-11-06 Ballettkritik: "Tears on Scriptease" beim ballettmainz mit Uraufführungen von Brun, Touzeau und Godani ∇ 2011-04-17 Ballettkritik: "Heaven's Sky": Neues Ballett von Pascal Touzeau in Mainz ∇ 2011-02-06a Ballettkritik: "Romeo und Julia" beim ballettmainz. Choreographie: Psacal Touzeau ∇ 2010-03-06 Ballettkritik: "In48" neue Produktion von Godani und Touzeau beim ballettmainz ∇ 2010-07-06 Ballett: Bilanz der ersten Saison beim "neuen" ballettmainz von Pascal Touzeau ∇ 2010-05-30 Ballettkritik: "The Irin", Ballett von Pascal Touzeau in Mainz nur kryptischer Manierismus ∇ 2010-03-29a Anmerkung Ballett: Pascal Touzeaus "Raymonda"-Bearbeitung ∇ 2009-12-20 Ballettkritik: "Rebound" - zweite Produktion von Pascal Toudezau mit seinem neuen ballettmainz ∇ 2009-10-11 Ballettkritik: Pascal Touzeaus Start mit dem "neuen" ballettmainz --------------------------------------------------------- ∇ Wer oder was ist www.pecht.info? --------------------------------------------------------- |
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