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2015-03-24a Jubiläumsporträt: | |
25 Jahre Andernacher Musiktage auf Namedy. Jubiläum unter dem Motto „Slawisch-ungarische Rhapsodie” Interessante Klänge in der Hohenzollern-Burg |
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ape.
Andernach-Namedy. Beständigkeit gehört nicht eben zu den
Primärtugenden der Moderne. Ob etwas gut oder schlecht funktioniert,
diese Frage scheint den Neoliberalismus kaum zu interessieren. Sie ist
beiseite gedrängt vom Zwang oder Drang oder Wahn, in kürzesten
Abständen die Öffentlichkeit mit vermeintlich innovativen Neuheiten,
Moden, Trends zu überraschen, zu überrollen, zu traktieren. Umso mehr
Freude macht es, an dieser Stelle regelmäßig von Kulturinitiativen
erzählen zu können, deren Jubiläen dennoch von einiger Beständigkeit
zeugen – die damit auch Elemente der Widerständigkeit sind gegen das
atem- und gedankenlose Irrsinnsrad. Diesmal soll die Rede sein von den Andernacher Musiktagen auf Burg Namedy. Aus der Taufe gehoben hatte das alljährlich an einem Frühjahrswochenende stattfindende kleine, aber hochkarätige Kammermusik-Festival 1991 Godehard von Hohenzollern. Der umtriebige, kultursinnige Prinz – der um seinen adligen Stand nie ein Gewese machte – starb 2001. Seither pflegt und entwickelt seine Gattin Heide von Hohenzollern das Kulturerbe auf Namedy. Mit ihr plauderten wir über Geschichte und Gegenwart des Festivals im Vorfeld von dessen heuer 25. Durchgang (8. bis 10. Mai). Dass die Andernacher Musiktage ein Vierteljahrhundert später noch immer fester Bestandteil der Sommersaison am Mittelrhein sein würden, darauf hätte am Anfang niemand wetten mögen. Die 1988 dem damals in München lebenden Godehard von Hohenzollern als Erbe zugefallene Burg Namedy befand sich in einem baulich derart prekären Zustand, dass die Familie schon daran dachte, sie alsbald wieder zu verkaufen. Ausgerechnet die ersten Musiktage dort brachten indes ein Umdenken. Zwar war das Auftaktkonzert vor 25 Jahren eher ein gewagtes Experiment in trügerischer Kulisse. Der nachher wunderschön restaurierte Spiegelsaal glich zu diesem Zeitpunkt einer Art Potemkinschem Dorf: Die marode Decke notdürftige mit Farbe besprüht, der bemitleidenswerte Zustand der Wände mit Tüchern verhüllt, musizierten die Salzburger Solisten um Luz Leskowitz auf einem niedrigen Behelfspodium. Doch selbst auf ein derartiges Provisorium hätte zuvor keiner einen Pfifferling gegeben. Denn seit dem Kriegsende war der Saal als Abstellraum genutzt worden und das sich bis zur regendurchlässigen Decke stapelnde Gerümpel faulte still vor sich hin. Nach mühseliger Räumung erahnte der Hausherr seinerzeit nicht nur die potenzielle Schönheit des Raumes, sondern entdeckte zugleich dessen brillante Akustik. Für den musikbegeisterten Mann war das ein erster Anstoß, sich vom Verkaufsgedanken zu lösen. Ein weiterer erfolgte durch den damaligen Andernacher Oberbürgermeisters Küffmann. Der schlug Prinz Godehard nach dem ersten Konzert vor: Lass uns hier regelmäßig ein Festival machen. Seit jener Zeit ist die Stadt Andernach Träger und Hauptfinanzier der Andernacher Musiktage, die von der Hohenzollern-Familie auf Namedy organisiert und durchgeführt werden. Mehr noch: Nicht zuletzt die positive Aufnahme der ersten Konzerte bei Publikum, Presse, Stadt und Künstlern gab den Ausschlag, dass die Familie das Anwesen behielt, und sich mit Verve in das unendliche Sanierungsabenteuer der im 19. Jahrhundert zum Schlösschen umgebauten Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert stürzte – zugleich ihr Haus den Künsten als Heimstätte, Labor und Bühne öffnete. Dem Festival stand vom Start weg eine angesehene Künstlerpersönlichkeit ideell zur Seite: Yehudi Menuhin war bis zu seinem Tod 1999 Schirmherr der Konzertreihe und trug so dazu bei, ihren Ruf als ernsthaftes Projekt zu festigen. Heide und Godehard von Hohenzollern hatten den berühmten Geiger und Dirigenten – der ein guter Bekannter von Godehards Vater war und Namedy kannte – in London getroffen. Als Menuhin hörte, dass für die Burg ein Kammermusik-Festival geplant wurde, äußerte er von sich aus den Wunsch: „Dann lasst mich Schirmherr sein.” Bis 2006 hatte Luz Leskowitz die künstlerische Leitung der Musiktage inne und bildeten die Salzburger Solisten deren musikalisch tragende Säule. Nach 13 erfolgreichen Jahren begann sich um 2004, erinnert Heide von Hohenzollern, ein Phänomen bemerkbar zu machen, das jedes Kulturfestival mal erwischt: Routine schleicht sich ein, Feuer geht verloren, der Kartenverkauf neigt zu Zähigkeit. Von einer Krise mag die Prinzessin nicht sprechen, „aber es war klar, dass wir frische Impulse brauchten”. 2007 traten dann drei Musikerinnen der mittleren Generation die Nachfolge von Leskowitz und den Salzburgern an: Cellisten Maria Kliegel, Geigerin Ida Bieler und Pianistin Nina Tichmann. Jede der Damen ist für sich im Musikbetrieb eine angesehene Größe, zusammen sind sie seit 2001 als Xyrion Trio ein kammermusikalisches Pfund. Sie hatten seit 2002 mehrfach auf Namedy konzertiert. Man kannte sich, man mochte einander: Dem Ansinnen der Hausherrin und Gesamtleiterin der Andernacher Musiktage, die drei mögen fortan künstlerische Leitung, Programmgestaltung und musizierende Hauptlast übernehmen, wurde folglich gerne entsprochen. Seither beträgt die Frauenquote an der Spitze des Festivals 100 Prozent. Dass im diesjährigen 25. Durchgang die Männerquote bei den ausgewählten Komponisten vornehmlich der zweiten Hälfte des 19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenfalls 100 Prozent beträgt, kann als Hinweis verstanden werden, Beständigkeit nicht als Wert an sich zu betrachten. Mancher Fortschritt ist eben unausweichlich, andere sind nur wohlfeile Mode. Dass der Ausschluss von Frauen aus der Verantwortung für das Kunstgeschehen über die letzten 150 Jahre gebrochen wurde, gehört zu Ersterem. Vier Konzerte an drei Tagen bietet das Festival heuer, dazu am Sonntag 10. Mai zwischen einer Matinee und dem Abschlusskonzert ein Überraschungsprogramm mit Imbiss in Höfen und Park von Burg Namedy. Das Jubiläumsfestivals steht unter dem Motto „Slawisch-ungarische Rhapsodie”. Xyrion Trio und namhafte Gäste stellen Kompositionen osteuropäischer Herkunft und/oder Färbung vor von Haydns „Zigeunertrio”, Brahms' „Ungarischen Tänzen” oder Dvoráks „Dumky”-Klaviertrio bis zu Werken von Janacek, Rachmaninow, Bartók, Strawinsky oder Bohuslav Martinu. Das Programm ist ambitioniert, baut nicht nur auf gewohnte klassische Klangwelten, sondern öffnet sich weit auch für die weniger vertrauten Aufbrüche nach der vorletzten Jahrhundertwende. So soll es sein, bei einem ernsthaften Klassikfestival, das im späten 20. Jahrhundert gegründet wurde und im 21. seinen Platz weiter behaupten will. Andreas Pecht Infos: >>www.andernachermusiktage.de |
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(Erstabdruck/-veröffentlichung
außerhalb dieser website 13. Woche im März 2015) Siehe auch ∇ 2007-06-27 Feature: Besuch bei Heide von Hohenzollern in ihrem Schloss "Burg Namedy" ----------------------------------------------------------------------------------------- ∇ Wer oder was ist www.pecht.info? ----------------------------------------------------------------------------------------- |
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