ape. Koblenz. (26.01.2006). In diesem Jahr wird das „Café Hahn“ 25 Jahre alt. Es steht also ein richtiges Jubiläum an. Zu dem gehören gemeinhin Rückblicke, also Erinnerungen an die Anfänge, vieldeutige Histörchen, nostalgische Schmonzetten, Würdigungen … Die schreibende Zunft in der Region hat jetzt allerdings ein Problem: Weil es sich um eine Kulturinstitution von Rang handelt, wurde in früheren Jahren alles schon geschrieben – über den Konditor Karl Hubert Hahn alias Berti, der 1981 das väterliche Café Hahn mit kleinem Supermarkt in Koblenz-Güls zum gleichnamigen Musik- und Kleinkunstclub umfunktionierte. Die Chroniken sind gut bestückt mit Reminiszenzen etwa anlässlich des 20. Hahn-Geburtstages 2001 oder der Wandlung (Umbau) des alten zum neuen Café Hahn 2003.
Die Suche nach neuem Stoff führt zwangsläufig an den Ort des Geschehens, nach Güls. Rechts ab von der Moseluferstraße, unter der Bahn durch, wieder hart rechts, das Gässchen durch bis links der rosarote Hahn-Neubau auftaucht und rechts die schon vor Jahren als unbefestigter Parkplatz in Besitz genommene Baulücke. Das war er immer, das ist er noch, der Weg zum Café Hahn. What´s new? Besagte Lücke beginnt, sich fein zu machen: Einebnung, gewalzter Belag, Randbefestigung und mehr Platz. Denn Berti hat dort ein Haus gekauft und abgerissen. Die Außenmauern der Nachbargebäude liegen jetzt blank, Fachwerk, Mauersteine, Bimsplatten erzählen von gestern und anno dunnemals. Man könnte das alles zuputzen und ´ne Brauerei drauf verewigen, man könnte aber auch … ein bisschen kreativ sein, wie es sich halt gehört für einen kreativen Kulturschuppen. Menino-Sänger und Multikünstler Stephan Maria Klöckner soll sich nun der Fassade annehmen, soll Historisches und Zeitgenössisches zum optisch spannenden Willkommensgruß verbinden.
Jubelfete im Mai
Im Mai 2006 wird der Parkplatz allerdings erstmal aufs angenehmste zweckentfremdet: Das Jubeljahr zum 25. Café-Hahn-Geburtstag (in dem übrigens auch Berti Hahn höchstselbst 50 wird) schäumt zur fünftägigen Jubelfete auf. Von 24. bis 28. Mai wird nicht nur im Café selbst, sondern zugleich in einem Festzelt gefeiert. Und das steht wo? Richtig, auf eben jenem Parkplatz. Bei freiem Eintritt in beide Hahn-Areale lässt sich dann ein beachtlicher Auftrieb von Gratulanten miterleben: Etwa 50 Bands und Solo-Künstler aus den verschiedensten Sparten steuern als Geschenk Auftritte bei. Allesamt fühlen sie sich mit dem Hahn herzlich verbunden, waren in den vergangenen Jahren dort gern gesehene Gäste.
Hier ein kleiner Ausschnitt aus der erwarteten Gratulantenschar: Kay Ray, Bobbin Babbons, Vodoo Lounge, Lauschleben, Anna Piechotta & Band, Mojo Tool, Mayqueen, Still Collins, Brian Auger, B.B. & The Blue Shacks, Wallstreet, Paddy goes to Holyhead, Julien Dawson, Paul Ubana Jones, Motion Trio, Giorgina Kazungu mit Chor, Roberto Capitoni, Rainer Zufall, Musikerinitiative Music Live … Volles Programm, fünf Tage lang.
Nachher wird das Zelt flott wieder abgebaut – der Parkplatz wird gebraucht, denn der Laden läuft. Solo-Inhaber Berti Hahn muss das aktuelle Leid mancher Kulturveranstalter nicht teilen. Weder ist er auf Subventionen der Öffentlichen Hand angewiesen, und damit deren Sinken ausgeliefert. Noch schlägt sich bei ihm die allseits beklagte Konsumzurückhaltung in Besucherrückgängen nieder. Wie geht das? In seinem typischen Schnellsprech verweist der Hausherr auf etliche Faktoren. Die wichtigsten sind wohl: Der Programm-Mix des Hahn deckt ein sehr breites Interessensspektrum ab; das Hahn hat seine Stellung als solitäre Einrichtung dieser Art zwischen den Ballungsräumen Köln/Bonn und Rhein-Main behauptet; das Stammpublikum ist groß und treu, teils zusammen mit dem Hahn erwachsen geworden und dabei nicht unbedingt ärmer.
Tief verwurzelt in Stadt und Region stellt das Café Hahn – als ordentliches Gewicht zusammen mit anderen Kulturinstitutionen – heute einen wichtigen „weichen Standortfaktor“ dar, wie das in Politik- und Wirtschaftskreisen heißt. Will sagen: Das Programm im Gülser Schuppen sowie die unter dem Label „Café Hahn on Tour“ firmierenden Beiträge zum Kulturleben im Rhein-Mosel-Raum prägen nicht unmaßgeblich Freizeitwert und Lebensqualität in und um Koblenz. Daraus resultiert ein Einfluss auf die Vitalität und Attraktivität der Region generell. Davon profitiert der Wirtschaftsstandort indirekt und dauerhaft in erheblichem Maße.
Kreativer Mittelständler
Diese mittelbare Wirkung von Kultur wiegt in der gesellschaftlichen Bilanz mehr als die betreffenden Unternehmen und Institutionen an Umsatz einfahren und gegebenenfalls an Steuern abführen; wobei im Falle Hahn Letztere nicht eben von schlechten Eltern sind. Bertis Firma kann mit seiner rund 50-köpfigen Mannschaft – von Geschäftsführer Rolf Mayer über Büro- und Küchen-Crew, Theken- und Technik-Team bis zu Bedienungen, Putzkolonne und Aushilfen – durchaus als mittelständisches Wirtschaftsunternehmen gelten. Reden mag er darüber nicht so gern, aber seine Aktivitäten entsprechend kalkulieren muss der Kulturimpressario doch. Die beiden Varieté-Spielzeiten zu Weihnachten und zu Ostern etwa haben sich für das neue Hahn zur sicheren Bank gemausert.
Überhaupt hat der Schuppen die 2003er Mutation von der verrauchten Originalität einer Jazz-Kneipe zum modernen Kulturclub problemlos überstanden. Das gefürchtete Naserümpfen auf Seiten treuer Hahn-Veteranen blieb die Ausnahme, denn Blueser, Jazzer, Rocker, Kabarettisten fanden auch auf der neuen Bühne wieder Heimstatt. Und weil selbst des Chefs Herz daran hing, wurden obendrein möglichst viele atmosphärische Elemente aus dem alten Hahn ins neue gerettet. Auch das Herüberziehen der Elemente Varieté und Comedy aus der fast zeitgleich aufgegebenen „Blauen Biwel“ ins Gülser Stammhaus klappte: Das alte Publikum machte den Umzug mit, neues Publikum konnte gewonnen werden. „Genau genommen“, sagt Berti, „haben wir jetzt hier wieder jenen programmatischen Gemischtwarenladen, mit dem wir in den 80ern anfingen.“ Dazu gehören seit eh und je Acts, die nicht von vornherein volles Haus versprechen: hoffnungsvolle Newcomer oder interessante Spezialisten. Immer wieder werden dann hilfreiche Kooperationen auf Gegenseitigkeit geschmiedet, mit dem Förderverein Cafe Hahn, dem Koblenzer Jazz-Club oder der Koblenz-Touristik.
Gefragt, warum das Etablissement noch immer „Café Hahn“ heißt, obwohl es mit der einstigen Konditorei ja nun gar nichts mehr zu tun hat, erklärt Berti: Erstens spiele das Konditorenhandwerk im Rahmen des „Live-und-Lecker“-Konzepts (also der ans Bühnenprogramm jeweils angepassten Küchen-Kulinarik) weiter eine wichtige Rolle. Dafür habe er eigens eine Konditorin eingestellt – und der gelernte Konditor Berti kann´s nicht lassen, gelegentlich auch noch selbst im Teig zu rühren. Zweitens aber, und das vor allem, ist „Café Hahn“ in 25 Jahren eine Marke geworden. Dies nicht nur für das Gülser Haus, sondern auch für viele aushäusigen Aktivitäten. Maßgebliches Hahn-Engagment steckt etwa in Koblenzer Altstadtfest und Schängelmarkt, im Horizonte- und im Gauklerfestival, kommt bei Rhein in Flammen oder Jazz im Löhr-Center zum Tragen. Der Hahn und das Hahn vermitteln Bands und Entertainer, stellen ganze Programme auf die Beine, wenn´s sein soll nebst Gala-Diner für Kongresse und Firmenevents.
Das Café Hahn ist eben ein Gemischtwarenladen, das aber im besten Sinne des Wortes: Gut sortiert mit dem, was unterschiedliche Menschen zu verschiedenen Zeiten fürs Lebensglück brauchen können – Kultur recht verschiedener Machart. Auf ein fesches Jubeljahr und fünf schöne Jubeltage im Mai!