Im mittelrheinischen Märzen 2008 spannt nicht mehr der Bauer sein Rösslein an. Es dröhnen vielmehr in den Motorblöcken der Bulldozer tausende Pferdestärken. Die sind jetzt losgelassen, werden das Oberzentrum am Rhein-Mosel-Eck bis auf weiteres um- und ümmerpflügen. Um Platz zu schaffen für ein neues Weltwunder: die Bundesgartenschau Koblenz 2011 als legitime Nachfolgerin der hängenden Gärten der Semiramis zu Babylon. Wer schön sein will, muss leiden – die Stadt kriegt Haarentfernung und Peeling verpasst: Alte Bäume wie alte Parkplätze werden ausgezubbelt und weggerubbelt, damit die Braut mit rosig-frischer Haut nachher auf dem Markt der Eitelkeiten was hermache.
Meckern gilt nun nicht mehr. Stattdessen stimmen wir ein in den freudetrunkenen Tat-Gesang: Jetzt geht’s lo-oos! Jetzt geht’s lo-oos! Freund Walter zeigt mir schon wieder den Vogel: „Warum, glaubst du, hatte man dich neulich zum großen Buga-Pressegespräch erst gar nicht eingeladen?“ Sag du es mir, alter Griesgram. „Ei, damit niemand so blöde Fragen stellt wie: Wird die Zahl der später mal neu entstehenden Parkplätze diejenige der an Schloss, Rheinufer und Deutschem Eck wegfallenden ausgleichen?“ Och Walter, du kannst einem auch jeden Spaß verderben. Ausgerechnet jetzt, wo mal wieder richtig frischer Wind durch die Mittelrhein-Metropole weht: die Seilbahn kommt, möglicherweise; die Zentralplatz-Bebauung kommt, irgendeine irgendwann; das Stadion kommt, auf jeden Fall; ein neuer Theaterintendant kommt, mit Sicherheit. Und um ein Haar wäre Koblenz sogar Kolonialmacht geworden.
Kolonialmacht??? Aber ja, war doch fettes Thema in allen (drei) hiesigen Medien, dass ein Teil des Kreises Bad Ems sich heim nach Koblenz sehnt. Warum sonst hätte die Regierung des Gebietes „Golfclub Bad Ems“ ihre Enklave auf der Denzer-Haide in „Mittelrheinischen Golf-Club Koblenz“ umbenennen wollen. Dank des Vetos der Golf-Basis wurde am Ende zwar nichts draus. Aber wäre da ein politischer Wille gewesen, hätte sich für den Anschluss sicher auch ein Weg gefunden. Das ist so in der Politik – es sei denn, das Volk legt sich quer oder das ehrenwerte Beamtentum spielt aus Gründen der Staatsräson nicht mit. „Ach was“, wirft Walter ein, „Beamte haben zu gehorchen, basta.“
Das, lieber Freund, ist zwar landläufige Ansicht (sogar bei einigen Ministern), aber nur die halbe Wahrheit. Denn verpflichtet ist der normale Beamte auf Verfassung und Gesetz, nicht auf die gerade herrschende Partei. Weshalb die Privilegien des Berufsbeamtentums verbunden sind mit dem Recht, ja der Pflicht auf „Remonstration“. Was meint: Beanstandung von Weisungen, die der Beamte für gesetzeswidrig, staats- oder gemeinwohlschädlich hält. Beamte sollen nicht so arg demonstrieren, müssen aber remonstrieren. Walter lacht lauthals: „Die Beamtenkaste als Kontrolleur der regierenden Parteipolitiker und Avantgarde der Zivilcourage von Amts wegen? Dieses Kabarett müsstest du mal in Rathäusern, Behörden und Ministerien spielen!“ So ist es aber – auch – gedacht, das Berufsbeamtentum in der Demokratie. Eigentlich.
In Südafrika scheint das zu funktionieren. Zumindest hat dort die Regierung auf Meldung der Behörden hin, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Maismehl gefährdet sei, sofort reagiert: Die Verwurstung von Grundnahrungsmitteln zu Autobenzin wurde verboten. In den USA hingegen hört die Regierung offenbar wenig auf ihre Beamten: Die Benachrichtigung, dass im Südwesten des Landes absehbar eine strukturelle Wasserknappheit drohe, konnte Präsident Bush nicht bewegen, dem Geheimdienst die Ertränkungsfolter zu untersagen. Weshalb die Väter der amerikanischen Verfassung in ihren Gräbern rumoren und ein jeder mit dem Vater aus Frank Wedekinds Tragödie „Frühlingserwachen“ schwört: „Der Junge ist nicht von mir.“