Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Uns Kurt is back

„Wir können alles – außer Hochdeutsch“. Dieser Spruch aus Baden-Württemberg ist ein selten gelungenes Beispiel für originelle Landeswerbung. Obendrein versammelt er zwei Völkchen unter einem Banner, die sich seit Urzeiten nicht grün sind: Badener und Schwaben. Im Vielvölker-Freistaat Bayern gibt’s eine noch knackigere Volksfront-Losung: „Mir san mir“.  Was sich übersetzen lässt als: Leckts mi am Oarsch, Saupreißen, damische! Selbstredend funktioniert das sture wie stolze Pochen auf regionale Eigenartigkeit nur in  Opposition zum Rest der Welt, zum Berliner Großgetue insbesondere.

Rheinland-Pfalz verfügt leider nicht über vergleichbare Wortgewalt. Die einschlägigen Werbemittel verzichten hier weitgehend auf schlagkräftige Parolen, heißen Besucher und Neugierige allenfalls lieb „willkommen“ zum „Genießen“ von „Einmaligkeit“. Die Mainzer Staatskanzlei immerhin hängt den Slogan „Wir machen’s einfach“ zum Internetfenster raus. Genial geht anders. Für den Schulterschluss zwischen Pfälzern, Rheinhessen, Moselfranken und Rheinländern taugt das Sprüchlein wenig: Es klingt nun mal all zu brav nach Baumarkt oder Volksbank.

„Dann lass du dir was einfallen!“, fordert Walter. „Drei, vier Wörtchen, rotzig, trotzig das regionale Wir-Gefühl beschwörend; kann so schwer nicht sein.“ Der Freund hat  Vorstellungen. So ein „Mir san mir“ reimt sich doch nicht daher wie ein Büttenkalauer zur Fastnacht. Da steckt Widerborstigkeit von Generationen drin. Gegen die ethnologische, politische, psychologische Vielschichtigkeit von „Mir san mir“ sind selbst werbliche Geniestreiche wie „Bitte ein Bit!“ bloß Tinnef. Und überhaupt: Wüsste ich einen zündenden Slogan, ich schriebe ihn hier nicht hin, sondern ließe ihn zuerst patentieren, hernach von Landesregierung oder Koblenz-Touristik vergolden – und setzte mich dann zur Ruhe.

Man müsste Geist und Gestus des Rücktritts von Kurt Beck als Chef der Bundes-SPD in eine handvoll Worte fassen können. Das wär’s! Das wäre die rheinland-pfälzische Entsprechung zum bayerischen „Leckts mi am Oarsch, Saupreißen, damische“. (Statt „damische“ noch besser: „hintervotzige“). Jetzt sind die hiesigen Mundartpfleger aufgerufen, ihren Sachverstand in die aktuelle Waagschale zu werfen. Aber bitte nicht mit „Ich sayn ich“ oder „Ich bleiv me treu“ – da könnten wir ja gleich Staatskanzlei-Dichter und Bankhaus-Poeten verbandeln: „Kurt mächt ohfach dä Wech frei“. Ein bisschen mehr Schmackes braucht’s schon, weil auch ein bisschen mehr dahinter steckt.

Das machen die Folgen des kurzbündigen Trennungsaktes deutlich. Wann je hatte man schon mal so eine Konstellation: Die Bundes-SPD freut sich, dass sie den Kurt los ist. Die Landes-SPD ist überglücklich, dass sie ihn wieder ganz für sich hat. Die Landes-CDU hingegen wäre lieber an der Stelle der Bundes-SPD, nämlich Kurt los. Während die Bundes-CDU ihn lieber behalten hätte, als nützliches Linksgespenst. Wobei Letzteres einmal mehr  beweist, dass von verschiedenen Ecken der Republik aus die Welt doch sehr verschieden ausschaut. Ausgerechnet Kurt Beck ein Linker??? Auf so eine Schnapsidee können nur Nicht-Rheinland-Pfälzer kommen oder Zeitgenossen, die sich an Gerhard Schröder als den Kanzler einer CDU/FDP-Regierung erinnern.

Links oder eher nicht: „Uns Kurt“ hat es den Schnöseln, Großkopferten, Ränkeschmieden in Berlin gezeigt. Wie die Herrschaften in Partei und Medien sich das dachten, so lässt kein Pfälzer, ließe erst recht kein Mittelrheiner mit sich umgehen. Wir können über alle Maßen gemütlich sein, zum Steinerweichen provinziell und bis zum Exzess bieder. Eines aber können wir hier nicht, ob Ministerpräsident, Schreiberling oder Reb- und Rübenbauer: Uns für dumm verkaufen lassen und das Kreuz verbiegen.

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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