Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Die Evolution war für die Katz

Wenn es einem im Krisengetümmel mal wieder die Sprache verschlägt wegen des Chaos‘, das die bestbezahlten Manager der Welt angerichtet haben. Wenn dem Maul die Worte ausgehen angesichts der Unverfrorenheit, mit der die Burschen für sich trotzdem weiter die höchsten Gehälter reklamieren. Wenn du fassungslos zusiehst, wie der von diesen Totalversagern verursachte Schaden Müllwerkern und Schlossern, Krankenschwestern und Lehrern, Verkäuferinnen und Büroarbeitern mitsamt deren Kindern aufgehalst wird. Dann, ja dann machen sich im Kopf Zweifel breit, ob Charles Darwin – bedeutendster unter den Jubilaren Anfang 2009 – recht hatte mit dem, was er über „Die Entstehung der Arten“ schrieb.

Nun gut: Wirtschaftsminister Glos schlurfte müde von der Bühne deutscher Weltgeschichte; seinen Platz nahm die coole, dynamische, geschniegelte Jungdurchlaucht von und zu Guttenberg ein. Rein äußerlich scheint dieser Wechsel Darwins These zu bestätigen, wonach die besser an die Umwelt angepassten Kreaturen obsiegen. Denn im Gegensatz zum alten Müllermeister Michel sieht Mister Guttenberg aus, als käme er frisch von einer privaten Kaderschmiede für Business-Nachwuchs. Seine Art zu sprechen, unterstreicht das: Von Unsicherheit keine Spur, der Mann weiß alles, kann alles und hat alles fest im Griff.

Das Blöde daran ist, dass diese ganze Art so verflucht an jene „Leistungsträger“ erinnert, die uns in den letzten Jahren mit größtem Selbstbewusstsein von einem Schlamassel in den nächsten geritten haben. Ein Umstand, der Darwin wiederum nachdrücklich in Frage stellt. Beweist er doch, dass die am besten Angepassten keineswegs die Besten sind, sondern im Falle der Spezies Mensch häufig die ärgsten Nulpen. Wäre mein Freund Walter anwesend, er würde an dieser Stelle sicher einwenden: „Du sollst nicht auf Basis von Äußerlichkeiten politisieren! Nicht jeder junge Nadelstreifenträger ist ein Depp, wie umgekehrt gilt:  Alter schützt vor Dummheit nicht und der päpstliche Ornat garantiert keineswegs einen von göttlicher Weisheit erleuchteten Träger.“

Stimmt auch wieder. Man denke an die Probleme, die der vatikanische Griff ins Pius-Klo den Katholen beschert. Man denke an die Abwrackprämie, beschlossen von den angeblich besten Politikern der Republik zum Wohle der Wirtschaft UND der Umwelt. Das mit der Umwelt lügen sie; der würde nur helfen, zahlte man die Prämie an Leute, die fortan gar kein Auto mehr benutzen. Oder man denke an den Platzhirschen Mehdorn, der ein historisches Lebenswerk hinterlassen will: Verwandlung der Bundesbahn von einem Verkehrsmittel der Allgemeinheit in ein Aktienpaket. Dem edlen Ziel zuliebe greift er auf bewährtes Werkzeug Marke Stasi zurück. Wie es überhaupt so aussieht, als wachse allmählich doch zusammen, was zusammengehört. Die Besinnung westdeutscher Konzerne auf die Tradition jener ostdeutschen Wertarbeit spricht dafür.

Bei Michel Glos war man wenigstens sicher, dass er nix ausrichtet, also auch keinen zusätzlichen Unfug anrichtet. Bei Guttenberg möchte ich darauf nicht wetten. Soweit zumindest würde auch Walter beipflichten, wäre der Freund nicht zwecks Vermeidung postkarnevalistischer Verwicklungen  untergetaucht. So geht’s halt dem, der zu tief ins Glas schaut und darüber die närrische Schunkeltradition missversteht als Aufforderung, erhitzten Mitschunklerinnen nachher aus dem Kostüm zu helfen. Mit der Folge, dass ihn eine Koblenzer Närrin jetzt partout näher kennenlernen will, während ein kölsches Mädche zwischen Ostern und Pfingsten mit ihm nochmal Rosenmontag feiern möchte. Ob Walter aus dieser Malaise für die nächste Session was lernt? Eher nicht – womit wir einen weiteren Hinweis darauf hätten, dass zumindest die menschliche Evolution für die Katz war.              

 

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

,

Archiv chronologisch

Archiv thematisch