Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Mein Wunschzettel

Liebes Christkind,
bevor Wünsche vorgetragen werden, muss ich Verwirrung gestehen. Denn selbstredend habe ich vorab Erkundigungen über Dich eingezogen. Muss doch wissen, wem ich geheimste Anliegen offenbare. Oh, viel steht zu Deiner Person geschrieben, aber richtig klug wird daraus keiner. Es war nicht mal zu klären, ob Du männlich oder weiblich bist, menschlich oder göttlich, von Luther vor 500 Jahren erfunden oder von Barbaren unter anderem Namen bereits in grauer Vorzeit verehrt. Selbst Allesbesserwisser Wikipedia war keine Hilfe. Kleinster gemeinsamer Nenner der dortigen Einträge rund um Weihnachten: Du bist nicht Jesus und auch sonst keine biblische Gestalt, sondern ein Volksmythos mit so vielen Gesichtern, wie es Erzähler gab und heute Werbeagenturen gibt.

Ansonsten besteht der größte gemeinsame Nenner besagter Artikel aus historischer Schlagseite, die meinen Freund Walter (kennste den?) giften lässt: „Und siehe, die Kulturgeschichte beginnt mit dem Jahr 1.“ Das ist natürlich Unfug. Was schon daran deutlich wird, dass unser Kalender erst ein paar Hundert Jahre nachträglich per Kaiser-Befehl auf die neutestamentarischen Ereignisse zu Bethlehem justiert wurde. Wie der gewollte Zufall spielt, fiel dabei der Geburtstag des Religionsstifters auf ein seit Urzeiten gefeiertes Heiden-Volksfest: Wintersonnwende, damals datierend auf 24./25. Dezember. Praktisch, gelle? Keine neuen Feiertage; und weil die Leute sowieso in Festlaune waren, machte die Missionierung in diesem Fall keinen weiteren Verdruss.

„Erzähl das mit der Rute“, zwinkert Walter. Nun denn, liebes Christkind, ein Wort zu Deinen  Verwandten. Nikolaus und Ruprecht haben’s mir angetan: Weil ich den Verdacht hege, es handelt sich  um ein und denselben Typen, der als Figur für so viele Mythen herhalten muss, dass er jetzt von Jekyll-Hyde-Schizophrenie geplagt wird. Ruprechts Rute jedenfalls ist als Maßregelinstrument für Kinder völlig missverstanden. Unsere heidnischen Vorfahren wussten: Die Rute gebührt  Erwachsenen, ihr Streich dient der Ermunterung zeugungsrelevanter Unterleibsenergien.

Doch ich will endlich meine Wünsche an Mann, Frau, Geist – oder was immer Du Christkindchen sein magst – bringen. Also: Walter braucht eine Winterjacke, ich  brauche zwei Pullover. Die alten Stücke sind nach vieljähriger Verwendung völlig hinüber. „Könnt ihr euch den Kram nicht selber kaufen und so die Konjunktur ankurbeln“, wirst Du fragen. Antwort: Wir haben mehrfach versucht, unser Geld auszugeben. Sind jedesmal unverrichteter Dinge im Wirtshaus gelandet. Warum? Weil wir nicht als Litfaßsäulen durch die Gegend laufen wollen. Kurzum: Verschaff uns bitte ordentliche Klamotten ohne penetrante Werbeaufdrucke für Firmen wie „Hundegesicht“, „Krokodilsgebiss“ oder „Ich bin der Chef“.

Noch Wünsche? Es gäbe viele; nicht für mich, mehr für die Welt. So nach der Devise „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“. Aber dafür ist wohl eher dein Oberboss droben zuständig. Der allerdings hält sich raus aus den Geschäften hienieden; zu Recht. Was soll er auch machen, wenn die Krone der Schöpfung mutwillig ein Kuddelmuddel ums andere anrichtet,  hernach indes behauptet, es handle sich dabei um unveränderbare Gesetzmäßigkeiten – und die Hände in Unschuld wäscht wie weiland Pontius Pilatus. Letzteres gehört indes schon zu anderen Feiertagen: Ostern. Bei den Kelten übrigens hieß ein termingleiches Frühlingsfest  „Beltane“ und wurde von sämtlichen Barbaren schon Jahrtausende vor unserem Jahr 1 gefeiert. Was ein Zufall schon wieder! Liebes Christkind, man sieht sich, Weihnachten oder Mittwinter.        

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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