Nichts kann sich schneller bewegen als das Licht. Das ist der einzige Teil von Albert Einsteins Relativitätstheorie, den jeder kapiert. Ein anderer Teil – alles ist relativ – übersteigt das Begriffsvermögen der meisten Leute. Wäre es nicht so, würden die wohlbestallten Schlauberger, die stets davon reden, „den Deutschen“ gehe es gut, zwangsweise wegen Volksverblödung als Leiharbeiter ans Fließband gestellt. Doch das nur am Rande. Mein Thema ist heute die Lichtgeschwindigkeit und der Umstand, dass der von mir hochverehrte Querkopf Einstein irrte mit seinem Edikt, nichts könne schneller sein. Zumindest wollen Wissenschaftler jetzt Mikroteilchen aufgespürt haben, die bei einem Trip von Genf zum Gran Sasso in Italien sich einen feuchten Kehricht um Alberts Tempolimit scherten.
Die Weißkittel sind noch unsicher, wissen nicht genau, was sie da eigentlich gemessen haben. Jedenfalls errechneten ihre Computer, dass da etwas mit Überlichtgeschwindigkeit vorbeigerauscht sein müsse. Weshalb die wissenschaftliche Grundregel zum Zuge kommt, dass jede Erkenntnis nur bis zum Beweis des Gegenteils gültig bleibt. Um genau zu sein: Sobald nur ein einziges Faktum auftaucht, das nicht zur Theorie passt, ist die ganze Theorie im Eimer. Sollte also jemand auf Erden mal ein Steinchen finden, das nach oben statt nach unten fällt: Sofort melden, denn ein Großteil der bisherigen Physik wäre perdu.
Walter ist aus dem Häuschen vor Begeisterung. Endlich sei Schluss mit „dem Schneckentempo Lichtgeschwindigkeit“. Die Vorstellung wäre ja auch zu furchtbar, sagt er, dass noch seine Urururenkel auf diesem Planeten festsäßen und immer nur den drögen Homo sapiens zur Gesellschaft hätten. Vor langer Zeit hatte ich dem Freund erklärt: Viereinhalb Jahre ist das Licht bei seiner Vakuum-Höchstgeschwindigkeit von 300 000 Kilometern PRO SEKUNDE bis zum nächsten Sonnensystem Alpha Centauri unterwegs. Für eine Strecke, die in SciFi-Heftchen und -Filmchen Perry Rhodan, die Raumpatrouille Orion oder Captain Kirk zwischen Frühstück und Mittag im All zurücklegen, bräuchte man realiter bei Lichtgeschwindigkeit gar so lange wie die ganze Menschheitsgeschichte bisher dauerte.
Nach dieser Erklärung nebst der Feststellung, dass unsere kannibalistische Primitivtechnik absehbar kein Raumfahrzeug hinkriegt, das auch nur zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht, war der Freund damals schier depressiv geworden. Nun der Befreiungsschlag: Überlichtgeschwindigkeit ist möglich. Und weil Quergedanken Nr. 81die Erde in Relation zum Gesamtuniversum steht wie der Bruchteil eines Sandkorns zur Wüste Gobi, erlauben ein paar überlichtschnelle europäische Neutrinos den Schluss: Im großen Weltraum draußen reisen klügere Völkerschaften als wir längst per Überlicht-Bus zum Urlaub unter fernen Sonnen. Und wer hätte daran die größte Freude? Struwwelkopf Einstein – wissend, dass alles relativ ist, also auch seine eigene Gescheitheit.
So sucht Walter nun am Nachthimmel nach einer Mitfahrgelegenheit quer durch die Galaxis. Doch Vorsicht, mein Freund: Der Himmel ist nicht, was er uns Menschen scheint. Die meisten Triebkräfte dort droben sind für uns unsichtbar und jagen das Universum mit einem derartigen Tempo auseinander, dass bald (nur ein paar Milliarden Jahre) selbst Überlichtverbindungen nutzlos würden. Für diese Erkenntnis gab‘s eben den Physik-Nobelpreis. Walter aber winkt gelassen ab: „Siehe Albert.“