„Was treibt ihr eigentlich auf all den Pressekonferenzen?“ Freund Walter ist keineswegs der erste, der sich dafür interessiert. Viele haben das schon gefragt – jüngst vermehrt auch ich mich selbst. Grund: Manche Pressekonferenz (PK genannt) erinnert neuerdings mehr an Verkaufsveranstaltung oder Gesellschaftsempfang. Insbesondere, wenn es um „weiche Themen“ geht; etwa um Kulturfestivals in der heimatlichen Region.
Ältere Journalisten-Kollegen erinnern sich: Diesbezügliche PKs waren vor 15 Jahren noch kleine Arbeitsrunden in schmucklosen Konferenzräumen. Auf dem Tisch ’ne Thermoskanne Kaffee, mit etwas Glück noch ein paar belegte Brötchen. Drei bis fünf örtliche Journalisten saßen ein oder zwei Auskunftgebern gegenüber. Letztere sagten, was sie sagen wollten. Erstere verlangten hernach genauere Infos über Finanzen, künstlerische Konzeptionen, Perspektiven etc.; bisweilen ging es kontrovers zu. Nach einer Stunde trennte man sich in gebührend distanzierter Freundlichkeit.
Seit kurzem machen sich PK-Sitten breit, die zumindest bei alten Schlachtrössern des Regio-Feuilletons die Frage aufwerfen: Was sollen wir da noch? Die Presse wird in herausgeputzten Repräsentationsräumen versammelt; es wird Wein kredenzt, manchmal gibt es vürnehm zu essen; nicht selten spielt eine Combo auf. Schmucke Werbefilme und Power-Point-Präsentationen krauchen über die Wände, Redner im Dutzend deklamieren das aus Werbebroschüren und missratenen Presseerklärungen vertraute Jubilate: „Wir präsentieren Weltklasse, wir sind die Schönsten, Besten und überhaupt einzigartig.“ Das dank neuer Kleinmedien inzwischen auf acht Kollegen angewachsene lokale Pressekorps sieht sich nunmehr von ganzen Scharen gewichtiger Herrschaften umzingelt.
Nichts gegen ein Häppchen anbei – auch unsereins muss essen. Aber für Ringelpietz und Schaulaufen sind PKs per se der falsche Ort. Dennoch lassen Veranstalter ihre Kooperationspartner und Sponsoren nebst Bürgermeistern, Landräten, Staatssekretären e tutti quanti aufmarschieren. Dies wohl in der irrigen Annahme: Je größer und „prominenter“ das Aufgebot, umso opulenter die Berichterstattung. Leider haben viele der Honoratioren zur eigentlichen Sache eher wenig beizutragen. Weshalb sie sich in Variationen jenes langweiligen Geklingels ergehen, das ein passables Programm in hübscher Umgebung schier als globales Nonplusultra der Erlebniskultur anpreist.
Lustig ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie von Journalisten erwarten, derartigen Unsinn in alle Welt zu posaunen. Weniger lustig ist, dass einige Kollegen dem wie selbstverständlich nachkommen. Gar nicht lustig ist, dass der Erkenntniswert solcher „PKs“ umso geringer wird, je größer der Popanz. Den Weihrauch weggepustet, bleibt als publizistisch brauchbare Substanz manchmal bloß ein Notizzettel mit Besetzungen, Terminen, Orten für diverse Veranstaltungen.
Da tritt ein im allfälligen Marketingdenken weit verbreiterter Irrtum zutage, wonach Werbung und Information dasselbe seien. Diesen Irrtum brachte neulich die „Pressemitteilung“ eines Kulturunternehmers an hiesige Redaktionen naiv auf den Punkt. Da hieß es: „Diese Veranstaltung ist ausverkauft, Sie brauchen nicht mehr dafür zu werben.“ Wer jetzt nicht laut lacht oder bitterlich weint, sollte nochmal im Sozialkundebuch über die Aufgaben des Journalismus in der Demokratie nachlesen. Von „werben“ steht da nix.
(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 17./18. Woche April/Mai 2012)