Es gibt so Wörter, die gibt es offiziell gar nicht. Wenn viele Leute sie aber lange genug benutzen, gibt es sie plötzlich doch. „Fluffig“ ist so ein eigentümlich wunderbares Wort. In meinem jüngsten Duden (von 2006) steht es drin, im zerfledderten Vorgänger von 1996 fehlt es noch. Ich bin sehr glücklich, dass wir „fluffig“ haben, es auch schreiben dürfen, folglich mancherlei damit bezeichnen können, auch uns selbst so fühlen. Und was bedeutet es nun korrekterweise? Das ist das schönste an der Sache: Aufs i-Tüpfelchen genau weiß das wohl niemand. Spielt auch keine Rolle. Wie dies Wörtchen mit „flu“ über die Zunge perlt, sein „ff“ durch die Lippen haucht und unterwegs zur verschmitzten „ig“-Endung den gespitzten Kussmund zum erwartungsfrohen Knutschmund öffnet – steht „fluffig“ in eigener Vollkommenheit für sich selbst.
Der Duden übersetzt es bloß als „leicht und locker“. Das lässt an gelungenes Püree, wohlgeratenen Apfelstrudel oder kandierten Eischaum denken. Womit aber nur ein Bruchteil der Verwendungsmöglichkeiten für das Wort erfasst wäre. Bei meinem Freund Walter etwa hat sich „fluffig“ zum schieren Tick ausgewachsen, seit auf den Juni-Spätwinter wider Erwarten doch noch echte Sommertage folgen und die Frauen mit „fluffiger“ Garderobe in „fluffiger“ Stimmung Straßen und Plätze endlich wieder zum Leuchten bringen. Da können die Stadtgestalter in Koblenz oder Neuwied, Bad Ems, Mayen oder Montabaur sich noch so sehr mühen: Ohne entspannt durch die Stadt swingende Mädchen, Frauen, Damen bleibt Urbanität ein frommer Wunsch.
Ach Gott, verehrte Kritiker/innen, mit Sexismus hat das gar nix zu tun. Das ist eine Frage der Ästhetik (wie sie halt kein Mann hinkriegt). Eine Frage der Schönheit in der Unterschiedlichkeit, ohne die etwa „Summer in the City“ ein hohler Spruch bleibt – ähnlich dem jüngsten Werbeslogan eines großen Kaufcenters. Beim Anblick dieser Parole musste ich mich neulich auf dem Koblenzer Zentralplatz fast übergeben: „Wir shoppen nicht mehr, wie kaufen uns glücklich.“ Rund 20 Jahre hat es gebraucht, bis die Werbefuzzis „Shoppen“ als eine Art Lebensqualität im allgemeinen Bewusstsein verankert hatten. Jetzt reicht ihnen die Mischung aus großem Einkauf nebst Flanieren, Kaffeetrinken, Eisessen nicht mehr. Das umsatzschwache Beiwerk soll verschwinden, allein das richtige Kaufen als wahres Glück empfunden werden. Walter nennt das „merkantile Pornographie“: kein Vorspiel, kein Nachspiel; rein, raus; Ware gegen Geld; fertig.
Versuchen Sie mal, darauf das Wort „fluffig“ anzuwenden. Gleich kriegen doch Mundwerk und Hirnwindungen Krämpfe. Bei Ihnen nicht?! Dann gehören Sie womöglich auch zu den Leuten, denen es egal ist, dass fremde und eigene Geheimdienste, ausländische und inländische Internetfirmen mitgucken und mithören (können), wenn Sie mit Gott und der Welt kommunizieren oder mit Ihren Liebsten Privatestes raspeln. Walter hat neulich ein Experiment gemacht: Er setzte sich wortlos zu wildfremden Menschen an den Café-Tisch, schaute sie minutenlang an und hörte ihren – rasch verstummenden – Gesprächen zu. Beschwerden ob dieser Ungehörigkeit konterte er mit der Bemerkung: „Ich will nichts von Ihnen; Sie sehen mich auch nicht wirklich; eigentlich bin ich gar nicht da. Allerdings geht es mir hier im Café viel besser, als meinen armen Kollegen in Ihrem Smartphone.“ Walter fand das „fluffig“, die Betroffenen weniger.
(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 30. Woche im Juli 2013)