Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Kommandeuse und Co. irren

ape. Als ich 1976 zum Grundwehrdienst in die Koblenzer Gneisenau-Kaserne einrückte, war völlig klar: Ich würde nun 15 Monate lang, neben allerhand Unfug, das militärische Kämpfen lernen, aber mit 99,9-prozentiger Sicherheit nicht wirklich kämpfen müssen. Da stand das Grundgesetz vor, das die Aufgabe der Bundeswehr auf Landesverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs von außen aufs Bundesgebiet festlegt. Als Schütze-Arsch Pecht den in Sachen Gehorsam eher unwilligen Bürger in Uniform gab, waren die Franzosen längst Gut-Freund, machten die Sowjets keine Anstalten mehr, den Kurfürstendamm zu überrollen. Weit und breit also keine Aussicht auf den Verteidigungsfall.

Hätte seinerzeit ein Bundeswehrgeneral behauptet, Deutschlands Freiheit müsse am Hindukusch verteidigt werden, er wäre in der Klappsmühle gelandet. Hätte mein damaliger Hauptmann uns Rekruten Einsätze für zentralasiatische Gebirge oder afrikanische Steppen trainieren lassen: Wir hätten ihn, subito, wegen verfassungsgfeindlicher Umtriebe vors Truppendienstgericht gebracht. Warum die Veteranen-Schwänke? Weil am Kontrast zu damals deutlich wird, wie sehr sich seit Schröder/Fischer die deutsche Militärpolitik vom gesellschaftlichen Konsens der Landesverteidigung entfernt hat. Junge Deutsche, die heute die Uniform anziehen, müssen auf eine hohe Wahrscheinlichkeit gefasst sein, in Kampfgebiete irgendwo auf der Welt auszurücken.

Dem Einsatzfall im grundgesetzlichen Geist entspräche die neue Politik indes nur, läge das Kosovo am Rhein, Kabul im Hunsrück und begänne Zentralafrika gleich hinter Neuwied. Das ist zwar nicht so, dennoch soll nach jüngsten Einlassungen von Bundespräsident, Außenminister und Verteidigungsministerin alsbald der ganze Globus in den Zuständigkeitsbereich der deutschen Wehr fallen. Deutschland müsse gemäß seiner gewachsenen Bedeutung in der Welt außenpolitisch größere Verantwortung übernehmen, heißt es, verstärktes Militärengagement inklusive.

Zur Hölle, was für ein altbackenes Verständnis vom Verhältnis zwischen Außenpolitik und Militär kocht das Trio aus Ex-Pastor, Sozialdemokrat und Unions-Kommandeuse da auf?! Herrschaften, es ist ein Irrtum, das Militär als wohlfeiles Werkzeug der Außenpolitik zu verstehen. Umgekehrt wird im globalen Zeitalter ein Schuh draus: Vornehmste Aufgabe von Außenpolitik ist es, den Einsatz des Militärs zu verhindern. Das wäre mal eine richtig ehrenwerte Verantwortung: Deutschlands Gewicht in die Waagschale zu werfen als Kriegsskeptiker, Kriegsverzögerer, Kriegsverhinderer, als Vermittler, Meisterdiplomat, Alternativenentwickler.

Hah, aber die neudeutsche Außenpolitik hat mal wieder den Clausewitz nicht verstanden: „Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ hatte der preußische Militärtheoretiker gesagt – damit jedoch gemeint: Krieg ist die Bankrotterklärung der Politik. Die Geschichte hat so viele dieser Bankrotte erlebt, dass auch wir nun irrtümlich glauben, die Menschheit könne ohne Militäreinsätze als vermeintliche ultima ratio der Politik gar nicht auskommen.

„So ernst mitten im Karneval“ grummelt da Walter. Ach Freund, der du nie gedient hast, ich weiß: Die einzigen Uniformierten, die dich im Augenblick interessieren, sind die erwachsenen Funkenmariechen und Tambourmajorinnen. Ich wollt‘, es gäb keine anderen Soldaten auf der Welt – dann könnten Politiker bloß Politik machen.

 

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 9. Woche im Februar 2014)

Andreas Pecht

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