ape. Koblenz. Als 1990 die Universität Koblenz/Landau aus der Taufe gehoben wurde, winkte am Rhein-Mosel-Eck mancher Einheimische müde ab. Da würden bloß Etiketten ausgewechselt, hieß es. Von „Renommiergehabe” ging die Rede, gar von „lokaler Großmannssucht” die unschöne Nachrede. Als die Stadt Koblenz damals sogleich neue Ortsschilder mit dem Zusatz „Universitätsstadt” aufstellte, sahen sich die Skeptiker bestätigt. Denn die Beschilderung war für eine ganze Weile die einzige äußerlich wahrnehmbare Veränderung. Der Koblenzer Uni-Teil blieb vorerst, wo er vorher schon unter dem Namen Erziehungswissenschaftliche Hochschule (EWH) daheim war: auf dem Oberwerth. Auch der Tätigkeitsschwerpunkt blieb der gleiche: Lehrerausbildung. Und nach wie vor stellte die auf zwei 150 Kilometer voneinander entfernte Standorte (Koblenz/Landau) gesplittete Bildungseinrichtung mit ihrer Präsidialverwaltung auf halbem Wege in Mainz ein Unikum in der deutschen Hochschullandschaft dar (was noch heute so ist).
Das Bürgern und Besuchern von Koblenz jedoch auffälligste Merkmal fürs Ausbleiben eines signifikanten Umbruchs war: Der Jungspund unter den deutschen Universitätsstädten hatte so gar nichts von der Prägung durch studentisches und akademisches Leben, wie sie den Jahrhunderte älteren Geschwistern – Heidelberg, Köln, Leipzig, Mainz … – mit ihren je mehreren zehntausend Studenten eigen ist. Zwar waren die vormals allgegenwärtigen Soldaten aus dem Stadtbild weitgehend verschwunden, doch konnten Studenten die Leerstellen noch nicht wieder füllen. Dazu war schon ihre Zahl – 1990 so um 2000 Köpfe – viel zu gering. Diese jedoch wuchs stetig bis auf heute rund 8000 (zusammen mit den FH-Studenten in Koblenz mehr als 12 000). Auswirkungen auf das Stadtleben blieben indes noch lange marginal. Denn mit dem Umzug 2002 vom Oberwerth aufs Gelände einer ehemaligen Kaserne im Stadtteil Metternich bekam die Universität zwar einen teils nagelneuen Campus. Der wirkte aber zugleich wie eine in sich geschlossene Welt jwd vor den Toren der Stadt.
Damit zusammenwachse, was sich nicht zusammengehörig fühlt
Weshalb sich in kommunalen wie universitären Kreisen die Erkenntnis durchsetzte: Man muss gezielt etwas tun, damit zusammenwächst, was sich nicht zusammengehörig fühlt. Im Rückblick wird erkennbar, welche Dynamik der Annäherungsprozess zwischen Uni und Stadt vor allem ums erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts entwickelte. Vorreiter war der 1993 gegründete Freundeskreis der Universität, der mit Kooperationsprojekten wie den juristischen Ringvorlesungen, seit 2011 mit der Lesereihe „Koblenzer Lyrik” und anderen Projekten Brücken schlägt. Überhaupt erwies sich einmal mehr Kultur als wirkmächtiger Schrankenöffner.
Da halten Professoren samstags während der Einkaufszeit an innerstädtischen Örtlichkeiten Volksvorträge über Philosophie, Kunst und manches mehr. Da gibt es in Koblenzer Clubs plötzlich Partys und Filmabende für Studenten. 2012 stellen hiesige Studierende erstmals rund um den Florinsmarkt das spartenübergreifende Kaleidoskop-Festival auf die Beine. Schon seit 2008 gewinnt das musikalische UNIMUS-Festival eine wachsende Zahl von Freunden. Letzteres sei nachfolgend etwas genauer betrachtet, weil: erstens, mit UNIMUS 2015 der achte Durchgang alsbald ins Haus steht; und zweitens, der Begründer des Festivals, Universitätsmusikdirektor Ron-Dirk Entleutner damit zugleich seinen Abschied von Koblenz nimmt.
Als Entleutner, aus Leipzig kommend, 2007 an der Koblenzer Uni sein Amt antrat, stieß er auf eine nicht einfache Situation. Uni-Chor und Uni-Sinfonieorchester hatten sich mehr als ein Jahr ohne hauptamtlichen Leiter selbst über Wasser halten müssen und dies mit anerkennenswertem Engagement auch getan. Gleichwohl fand er die beiden Klangkörper, so der scheidende Musikdirektor im Gespräch, vor diesem Hintergrund erwartbar nicht im besten Zustand vor. Aufbauarbeit war angesagt. Damit einher ging sogleich die Idee, Universitätsmusiktage in die Welt zu setzen. „Solch eine Veranstaltung gehört für mich einfach dazu”, sagt Entleutner mit Blick auf Leipzig, wo er auch während seiner Koblenzer Zeit in eingeschränktem Umfang weiter an der Musikhochschule lehrte und als Dirigent fungierte.
Das Uni-Musik in Koblenz erlebte rasch einen Aufschwung. Zu großem Chor und Orchester gesellten sich bald Kammerorchester, Vokalensemble, Jazz-Formation und zuletzt eine A-Capella-Gruppe junger Männer. 2008 ging erstmals UNIMUS (= Kürzel für Universitätsmusiktage) als mehrtägiges Festival an den Start. Höhepunkt war damals die Aufführung von Orffs „Carmina Burana” open-air auf dem Campus. Daneben gab es von Anfang an auch Konzerte in Koblenzer Kirchen. Es verband sich also die Suche nach geeigneten Räumen gerade für Alte Musik/Kirchenmusik mit dem Wunsch nach engerem Kontakt zwischen Uni und Bevölkerung.
UNIMUS zieht vom Campus ganz in die Innenstadt
Dennoch, erinnert sich Entleutner, sei UNIMUS in den ersten Jahren überwiegend auf den Campus fixiert gewesen. Dies Konzept hat sich nicht bewährt, wie die schwächelnde Resonanz im zweiten und dritten Jahr zeigte. Mit der Bundesgartenschau 2011 wurde es dann folgerichtig auch entgültig aufgebrochen: Einerseits beteiligten sich Uni-Musiker lebhaft an der BUGA; andererseits erkor UNIMUS den altstädtischen Florinsmarkt mitsamt umliegenden Gebäuden (Florinskirche, ehemaliges Mittelrhein-Museum, Dreikönigshaus) zu seiner zentralen Festival-Area. Ebendort geht nun auch von 22. bis 26. Juli UNIMUS 2015 unter der ans Kultursommer-Motto angelehnten Headline „Legenden und Leidenschaften” über mehrere Bühnen.
Konzerthöhepunkte mit großer Besetzung für großes Publikum sind zwei Abende in der Florinskirche: Am 24.7. die Große Musiknacht, bei der unter dem Titel „Once upon a time” die diversen Uni-Ensembles Höhepunkte der vergangenen UNIMUS-Jahrgänge zusammenfügen. Tags darauf folgt die Aufführung von Mendelssohn Bartholdys „Paulus”-Oratorium. Daneben laden die studentischen Musici jedermann/frau, mit oder ohne musikalischer Vorbildung, zu spannenden Workshops ein. Darunter offene Chor-Kreise; darunter auch Kreativgruppen, die zu stumm geschalteten Kurzfilmen eigene Geräuschkulissen und Filmmusiken entwickeln.
Wenn UNIMUS 2015 gelaufen ist, siedelt Ron-Dirk Entleutner aus privaten Gründen nach Leipzig zurück. Er habe seine hiesige „Mission erfüllt”, sagt er – und wünscht sich für Koblenz, „dass die Stelle des Universitätsmusikdirektors rasch wieder besetzt wird, damit die Arbeit weitergeht.” Diesem Wunsch kann man sich nur anschließen.
Andreas Pecht