Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

2031

ape. „Was ist das denn für eine Überschrift?”, brummt Freund Walter kopfschüttelnd. Das, mein Lieber, ist eine Jahreszahl. Und zwar eine, die sich ins kollektive Gedächtnis der Rhein-Völker und in die Geschichtsbücher einbrennen wird wie 0009, 1789, 1939, 1984, 1989 oder 2005. Walter grübelt: „1789 – Französische Revolution; 1939 – Ausbruch des 2. Weltkrieges; 1989 – Fall der Mauer. Aber was, zur Hölle, verbindet sich Weltbedeutendes mit den anderen drei Zahlen und mit 2031?”

Ei, so schwer ist das doch nicht. Anno 0009 wurden die Legionen des Varus im Teutoburger Wald von einer Horde Wilder aufgerieben. Folgewirkung: Rheinland-Pfalz bekam mit dem Limes sein viertes Weltkulturerbe, Rom den Heiligen Stuhl, aber Berlusconi keine Macht über Europa, dafür Griechenland die Troika. „1984” heißt Georg Orwells Roman, dessen Aufklärungswirkung es zu verdanken ist, dass demnächst die Geheimdienste abgeschafft und das Abschöpfen persönlicher Daten durch Konzerne verboten wird. Insofern hat „1984” auch 2005 vorbereitet: Die Wahl eines Ostmädchens zur ewigen Bundeskanzlerin. Capito? Weltgeschichte eben!

Zu 2031. Hey Walter, du solltest gelegentlich doch die Nase auch mal in die regionale Tageszeitung stecken. Dann wüsstest du, dass diese Zahl jedem Mittelrheiner Strahleglanz ins Auge und alle Miesepetrigkeit aus dem Gemüt getrieben hat. „Wie denn das?” Mannomann Bub, das Mittelrheintal will sich um die Bundesgartenschau 2031 bewerben. „Wer denkt sich denn sowas aus?” Ist doch egal, ob die Idee im Mainzer Innenministerium, an einem Wirtshaustisch oder in einer Redaktionsstube ausgebrütet wurde. Egal ob sie in die Welt kam, um den Empörungsdruck vom Welterbebeauftragten Schumacher zu nehmen. Oder ob umgekehrt Schumacher einfach mal abweichend vom regionalpatriotischen Politgelaber die Wahrheit über „versiffte Stellen” im Tal sagte – um der BUGA-Idee den Weg zu bereiten.

So oder so, mit BUGA 2031 ginge der Mittelrhein einer wunderglücklichen Zukunft entgegen. Walter grübelt schon wieder: „Von Koblenz bis Rüdesheim?” Ja sicher. „Mit Seilbahn von St. Goar aufs Loreley-Plateau und/oder Schwebebahn von der Drosselgass‘ zum Deutschen Eck?” Wie bitte?! „Mit Gartenschau-Flächen in Bingen wie gehabt, neu auf der Loreley, auf dem Bopparder Hamm, an der Lahn-Mündung sowie in Koblenz ebenfalls wie gehabt?” Ach Walter, so weit denkt noch kein Mensch. „Sollte man aber, bevor die heutigen Entscheider sich in den Ruhestand verdrückt haben.” Da hat er recht. Der Koblenzer OB macht es ja auch. Ein Schelm, wer da meint, Ho-Gö’s Begeisterung für eine Mittelrhein-BUGA rühre von folgender Langfrist-Erwägung: Kriegt das Tal die Schau 2031, ließe sich die Unesco vielleicht breitschlagen, einer Verschiebung des für 2026 vereinbarten Abbaus der Koblenzer Seilbahn bis 2031 zuzustimmen.

Jetzt kommt mir in den Sinn, was ich bei Machiavelli, Clausewitz, Mao Tse Tung über Strategie und Taktik im Felde wie in der Politik gelernt habe. Und vor dem inneren Auge erscheint ein Geflecht komplexer Schachzüge, die auf eine an Seilbahnen, Rheinbrücken, Vergnügungsburgen und Drosselgassen reiche Landschaft abzielen. „Hör auf zu spinnen!”, fährt Walter dazwischen, „Du glaubst doch nicht, dass rheinland-pfälzische Politik Quell derartiger Raffinessen sein könnte.” Auch wieder wahr. Andererseits: 0009 wurden die Elitesoldaten des Varus von bauernschlauen Wilden aufs Kreuz gelegt.

(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Publikumsmedium außerhalb dieser website 26./27. Woche im Juni 2015)

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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