Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

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Schauspielerin rettet in Bonn „Kabale und Liebe“

ape. Bonn. Martin Nimz ist ein Regisseur, dessen Premieren man stets mit Spannung entgegensieht. Über jeder hängt die Frage: Liefert er eine Umsetzung, über die nachzudenken sich lohnt; oder zerstrümmert er das Stück? Ersteres war in Bonn zu erleben mit „Das Fest” im Juni, dort auch bei Ibsens „Wildente” 2014. Letzteres war beispielsweise 2008 in Frankfurt zu erleiden bei Gorkis „Sommergästen”. Jetzt kam in den Kammerspielen Godesberg des Theaters Bonn Nimz‘ Sicht auf Schillers „Kabale und Liebe” als erstaunlich harmlose Inszenierung heraus.

Aufatmen bald: Gespielt wird Schillers Stück. Genauer: Es werden ausgewählte Teile des „bürgerlichen Trauerspiels” von 1784 zu einem gut zweieinhalbstündigen Abend gefügt. Die Auswahl erfolgte offenkundig unter dem Gesichtspunkt, in welchen Stückmomenten sich die psychologischen Konstituanten der Figuren am besten komprimieren lassen. Die Methode ist am Theater derzeit verbreitet. Sie geht indes auch hier wieder zu Lasten der Handlungserzählung und der Schiller so wichtigen kritischen Erhellung des sozialpolitischen Bedingungsfeldes, an dem die Liebe zwischen Fürstensohn Ferdinand und Bürgerstochter Luise mit tödlichem Ausgang zerschellt.

Die Kostümerie behauptet Heutigkeit, die Kulisse Modernität. Ausstatter Sebastian Hannak hat eine die Bühne fast völlig ausfüllende Scheibe senkrecht weit vorne in den Raum gestellt. In dem Riesending gibt es eine Öffnung, die (den Zusehern in der Mitte der Sitzreihen) Durchblick gewährt auf den großen Leerraum der Hinterbühne. Durch den betritt oder verlässt das Personal die schmale Spielfläche auf der Vorderbühne; die Schritte hallend durch Lautsprecher verstärkt, Szenenwechsel durch ein bisschen Rockmusik markiert.

Dass die schmächtige Luise bisweilen jene Scheibe mit heftigem Köpereinsatz dreht, mag als Symbolik verstanden werden, über die sich streiten ließe: Ist die zarte, fromme, unverbrüchlich Liebende Antriebskraft des Geschehens oder nicht eher Opfer einer Klassenmaschinerie? So oder so ist es Maike Jüttendonk in der Luisen-Rolle, die das Interesse an diesem Abend aufrecht erhält. Denn die blutjunge Schauspielerin lässt Talente, Potenziale aufscheinen, die den Zuseher mit jeder Geste, Haltung, mimischen und sprachlichen Variante in den Bann ziehen.

Sie ist Luise, Julia, Antigone, Sara Sampson in einem. Eine mitleiden lassende Verlorene im Tragischen – die anfangs in einer Turtelszene mit Ferdinand zwar nur ganz kurz, aber unvergesslich die Herrlichkeit mädchenhaft verliebter Lebensfreude erstrahlen lässt. In diesem Moment wird auch Robert Höllers frisches Spieltalent deutlich, das sich nachher erstmal verflüchtigt, um im finalen Todesdialog als Ferdinands inneres Ringen zwischen Liebenwollen und Eifersuchtstoben erneut aufzublitzen.

Alles Übrige ist eine andere Liga. Die Heutigkeit der Inszenierung erschöpft sich in bloß äußerlicher Behauptung; von irgendeiner Übertragung Schillers auf die Gegenwart ist außer in der Staffage nicnhts zu bemerken. Den Präsident von Walter spielt Ursula Grossenbacher solide als Mann, woraus sich nichts Neuartiges ergibt. Die bei Schiller schillernde Rolle des Verschwörers Wurm (Hajo Tuschy) wird verschenkt. Die Lady Milford von Laura Sundermann verliert sich in aufgesetzten Ausdrucksstandards. Der Widerspruch zwischen Stolz des kleinen Mannes bei Luises Vater und Aufstiegsgier ihrer Mutter (Sören Wunderlich, Johanna Falkner) zischt als Belanglosigkeit vorbei.    

So bleibt von „Kabale und Liebe” in Bonn nur die einnehmende Talentschau einer Schauspielerin im Gedächtnis, die man im Auge behalten muss.
               
Andreas Pecht

 

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