ape. Koblenz. Wer auch immer nächste Saison Chefdirigent der Rheinischen Philharmonie wird: Er übernimmt einen sehr gut eingestellten, zu Spitzenleistungen fähigen Klangkörper. Dies bestätigte das Staatsorchester am Wochenende mit Franz Schuberts „Großer” Sinfonie C-Dur als erstem Teil des Anrechtskonzerts beim Musik-Institut Koblenz. Dass nicht immer alles makellos sein kann, erweist sich nachher bei „Die Planeten” von Gustav Holst: Das Werk geht nicht ganz so perfekt von der Hand.
Das Dirigat liegt in den Händen des 66-jährigen Chinesen Muhai Tang. Der einst durch Herbert von Karajan in den Konzertbetrieb eingeführte Gast inspiriert das Orchester zu einer an Klangfarben und Stimmungen reichen Realisation der Schubert-Sinfonie. Seine Stab- und Handführung beschränkt sich meist auf kleine Bewegungen; die kommen bisweilen sogar völlig zur Ruhe. Zugleich steht sein ganzer Körper permanent unter dynamischer Hochspannung. Der Geist des Dirigats steckt im Körperausdruck des Dirigenten und dessen Biegen, Beugen, Wenden, Trippeln, Tänzeln wird vom Orchester mit großer Spielfreude direkt in fein gewebtes wie beherztes Musizieren umgesetzt.
Dies frühromantische, aber schon auf Bruckner’sche Opulenz hindeutende Werk ist spieltechnisch ein rechter Brocken. Weil „zu lang und zu schwierig”, kam es erst zwölf Jahre nach Schuberts Tod in den Konzertsaal. In Koblenz spürt man von den Schwierigkeiten nicht die Bohne. Die Umsetzung wirkt leicht und unangestrengt. Das rührt nicht zuletzt von höchster Präzision an jedem Pult und Geschlossenheit in allen Registern. Daraus folgt auch, was Durchhörbarkeit genannt wird: Wir können Schuberts differenzierte Rhythmus-Schichtungen oder die raffinierten Eigenwilligkeiten von Nebenstimmen in der Tiefe verfolgen und genießen.
Was die Gesaminterpretation angeht, tanzt Muhai Tang aus der Reihe des Gewohnten: Ohne die Wehmütigkeiten der Sinfonie aufzugeben, spürt er mit fein ziselierter Raffinesse gerade den volkstümlichen und humorigen Elementen nach. Da knallen in den an Volkstänze angelehnten Passagen die Auftakte, als würden Bauernholzschuhe den Tanzboden beschwofen. Das wiegt, dreht, schunkelt famos. Säße man nicht im Konzertsaal, es würde einen kaum auf dem Stuhl halten. Ist das noch Schubert? Aber gewiss, und wie.
Dann „Die Planeten”, ab 1914 entstandenes Hauptwerk des Briten Gustav Holst. Jeder der sieben Teile ist einem Planeten gewidmet, formt musikalisch einen anderen Charakter aus – vom kriegerischen Mars bis zum mystischen Neptun. Obwohl in deutschen Konzertsälen selten vertreten, kommt manchem Zuhörer manches bekannt vor. Kein Wunder, haben sich doch zahlreiche Rockmusiker und Filmmusik-Komponisten vor allem des Science-Fiction-Genres bei Holst bedient: Starwars, Startrek, Batman, Herr der Ringe geistern mal mit ungeheurer Wucht, mal in flirrender Leerraum-Verlorenheit durch die Rhein-Mosel-Halle.
Das Orchester indes fremdelt vor allem anfangs bei Mars, Venus, Merkur etwas. Leichtigkeit und Spielfreude sind erkennbarer Anstrengung gewichen. Tangs Stabführung wird größer, dringlicher; er hat zu tun, die Musiker dorthin zu dirigieren, wo er sie haben will. Noch vor fünf Jahren wäre das wohl gar nicht aufgefallen, erst im Vergleich mit der Klasse der Schubert-Umsetzung wird der Unterschied spürbar. Es spricht für die Qualität der Rheinischen, dass auch „Die Planeten” schließlich zum beeindruckenden Hörerlebnis werden – und der Abend unter dem Schönklang sphärischer Mädchenstimmen des Würzburger Monteverdichors verklingt.
Andreas Pecht