ape/Speyer. Ein Fotopanorama im Entree zur aktuellen Ausstellung des Historischen Museums der Pfalz in Speyer zeigt ein endloses Dschungeldach, aus dem wie verloren die Spitzen dreier Tempeltürme ragen. Das Bild symbolisiert die beiden zentralen Fragen, die sich mit der Maya-Zivilisation in Mittelamerika verbinden. Wie konnte sich in solch menschenfeindlicher Umgebung eine Hochkultur entwickeln? Und: Warum ist sie im 9. Jahrhundert nach Christus untergegangen? Die gewichtige Ausstellung „Maya – Das Rätsel der Königsstädte” sucht Antworten.
Die tonnenschwere Kalksteinskulptur eines Mannes mit der Maske des Jaguargottes führt in die Welt der „klassischen Maya-Epoche”. Auf diese Phase vom 3. bis ins 9. Jahrhundert konzentriert sich die 250, vor allem aus mittelamerikanischen Museen entliehenen, Exponate umfassende Schau. Es war die Zeit, da die Kultur der Maya sich in Form zahlloser Stadtstaaten mit je eigenem „Gottkönig” über einen Raum erstreckte, der vor allem Tieflandgebiete der heutigen Staaten Mexiko, Guatemala, Belize, Honduras und El Salvador umfasste.
Die vom Bonner Universätsprofessor Nikolai Grube betreute Schau stützt sich auf jüngste Erkenntnisse der Wissenschaft. Weshalb von ihm geleitete archäologische Forschungen in der Maya-Stadt Uxul jetzt zur multimedialen Präsentation aufbereitet werden konnten. Bauweise, Bewirtschaftung, Lebensart bei Hofe wie im Volke dieser einstigen 6000-Einwohner-Stadt sind per Originalexponaten, 3-D-Rekonstruktionen und Filmen nachvollziehbar. Und bald wird deutlich: Den Erfahrungen ihrer Ahnen folgend – die schon im 2. Jahrtausend v. Chr. auf der Halbinsel Yukatan sesshaft wurden – behandelten die Maya Regenwälder lange als nachhaltig zu bewirtschaftende Ressource.
Mais war Grundlage der Maya-Zivilisation. Speyer zeigt ein opulentes Sortiment Maiskolben aus jener Zeit. Alle sind sie farbig: rot, schwarz, grün oder buntgemischt. Keiner ist durchgehend gelb wie die moderne Züchtung. Mais wurde in Kombination mit Bohnen und Kürbis angebaut auf Gartenflächen innerhalb der Städte sowie im Umfeld auf kleinparzelligen, eng an die Landschaft angepassten Äckern. Logisch, dass der Mais-Gott mit seinem kolbenförmigen Kopfschmuck neben dem Jaguargott des Krieges auf vielen ausgestellten Kalksteinstelen und kunstvoll im Codex-Stil bemalten Keramiken eine herausragende Rolle spielt.
Immer wieder Kalkstein. Er war Segen und Fluch für die Maya. In ihn meißelten sie Ehrungen für ihre Götter sowie figürliche und mit hochentwickelter Hieroglyphenschrift geschriebene Lobpreisungen auf die Gottkönige. Mit ihm bauten sie Tempel, Paläste, Villen, Vorratshäuser. Doch dieses Gestein hat eine unangenehme Kehrseite: Es lässt Wasser schnell versickern. Und weil das Siedlungsgebiet der Maya quasi auf einem Kalksteinbrocken lag, war mitten im Regenwald saisonale Wasserknappheit eine immerwährende Herausforderung. In Dürrezeiten wurde das zur existenziellen Bedrohung.
Tatsächlich sind für die Endphase der klassischen Maya-Periode strenge Dürren nachweisbar. Was die in der Forschung lange vorherrschende Annahme stützt, die durch starkes Bevölkerungswachstum und Intensivierung der Landschaftsnutzung bis hin zum Raubbau geschwächten Königsstädte seien schließlich Opfer klimatischer Veränderungen geworden. Die Speyerer Ausstellung folgt nun einem Erklärungsansatz mit anderer Gewichtung. OriginAusstellung in Speyer / Besprechungale Hieroglyphen-Inschriften, Keramikmalereien, Türsturzschnitzerein oder filigran gearbeitete Kleinfiguren als Grabbeigaben zeichnen nicht nur das Bild streng hierarchischer Stadtgesellschaften. Aus ihnen ergibt sich zugleich, dass die Maya-Klassik ab 500 n. Chr. eine endlosen Serie von Kriegen zwischen den dominanten Großstädten Tikal und Calakmul durchlitt.
Ergebnis: Niedergang beider „Supermächte” und nun allfällige Kriege jeder gegen jeden unter den vormals mit ihnen verbündeten Kleinmächten. Schließlich brach das Gottkönigtum vollends zusammen und, so Nicolai Grube, „mit ihm jede Ordnung in den Stadtstaaten”. Rund 100 Jahre später hatte der Dschungel die überwiegend verlassenen Städte zurückerobert – weshalb die ebenso sinnlich ansprechende wie lehrreiche Ausstellung schließt mit einer Installation, in der Rankpflanzen Reste der Maya-Klassik überwuchern. Andreas Pecht