ape. Jeder kennt die Weisheit aus Omas Zeiten: „Es gibt kein falsches Wetter, nur falsche Kleidung.” Doch scheinen viele Leute von heute das für einen längst überholten Spruch zu halten. Als für Silvester und Folgetage plötzlich jahreszeitlich angemessene Temperaturen zwischen 7 und 15 Minusgraden angekündigt wurden, interessierte das kaum jemanden. Bis, ja bis die Kälte durch die Feinstrumpfhose unters Röckchen kniff, sich von strammen Jeans nicht hindern ließ, den Ar… auf Grundeis zu setzen, oder zart besockte Füße in Turnschühchen bläulich zu färben.
Übertrieben? Freund Walter jedenfalls, seines Zeichens Großstadtbewohner, berichtet von ihnen: den Jungen und den Schönsein-Wollenden, den Schicken und Hippen, den Trendies und Stylischen – die sich um Wetter nicht kümmern oder für die es an der Gürtellinie aufhört. Obenrum mit Pullovern, Jacken, Schals, Kappen, Hüten noch modisch eingemümmelt. Untenrum jedoch dem ultimativen Muss zum Sexappeal folgend: Frau hat Beinschönheit zu zeigen, Mann jeden Verdacht zu vermeiden, er könne einen „Liebestöter” untergezogen haben. Walter zeigt da keinen Deut Mitleid: „Wer trotz Eiseskälte sommerlich schön sein will, muss halt leiden.”
Jeder sollte eigentlich auch wissen, was es mit der Ansage „Eisregen und Blitzeis” auf sich hat. Da bleiben vernünftige Menschen daheim oder wo sie gerade sind, und warten ab, bis die Schweinerei vorüber ist. „Aber ich muss doch ….” zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen, aufs Amt, in die Krankengymnastik. Nee, musst du nicht! Nutzt doch niemandem, wenn du dich gegen höhere Gewalt auflehnst, dann im Stau stillestehst, im Graben liegst oder dir als Fußgänger die Haxen brichst. Du kommst trotz blöder Heldenhaftigkeit Stunden zu spät oder gar nicht an.
Jeder kennt auch den Verkehrsfunk-Appell: Fahrweise dem Wetter anpassen! Es fielen beispielsweise an einem frühen Januarmorgen im Westerwald binnen kürzester Zeit fast zehn Zentimeter Pappschnee. Ergebnis: Der Berufsverkehr brach zusammen, die Kinder kamen nicht zur Schule und selbst auf den Autobahnen ums Dernbacher Dreieck ging für Stunden nichts mehr. Kann passieren, wenn Wetter ist. Da hilft kein ABS, kein Antischlupf, keine raffinierte Autoelektronik. Bei allgemeiner Verkehrsverstopfung nutzt selbst fahrerisches Können nichts. Da bleibt nur: Gasse bilden für Streufahrzeuge, abwarten und sich nicht aufregen. Allerdings bringen zwei Sachverhalte selbst gelassene Höhenbewohner in Rage: Fahrzeuge, die im Winter auf Sommersohlen unterwegs sind, und nassforsche Yuppies, die mit Schmackes an angemessen vorsichtig fahrenden Kolonnen vorbeidrängeln – um sich in der nächsten verschneiten Kurve oder Steigung querzulegen.
Walter kichert: „Immerhin braucht es bei euch im Westerwald für so ein Chaos etliche Zentimeter Schnee, bei uns unten am Rhein genügen dafür die sprichwörtlichen drei Flocken.” Die Folge dürfte in beiden Fällen die gleiche sein: Weit verbreitetes Meckern und Maulen entweder übers Sauwetter oder über die vermeintliche Unfähigkeit der Straßendienste, das öffentliche Leben nicht gänzlich unabhängig zu machen von Wettereinflüssen. Was soll man dazu sagen? Vielleicht dies: Seien wir doch froh, dass es wenigstens manchmal noch den natürlichen Unterschied gibt zwischen Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und passen wir uns gegebenenfalls dem Wetter eben an – wie es die Menschen getan haben, seit es sie gibt.
(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 3./4. Woche im Januar 2017)