ape. Walter ist unleidlich. Sehr unleidlich. Er muss liegen, im Bett oder auf dem Sofa, rund um die Uhr. „Männergrippe” sagt die Nachbarin und verdreht die Augen. Sie ist eine nette alte Dame, die den Freund nun schon seit zehn Tagen unnachgiebig mit Pefferminzöl beträufelt, mit Kamilledampfschüsseln drangsaliert, mit Hühnerbrühe, Rindssuppe, honigübersüßtem Kräutertee und munteren Verzählches über Gott und den Niedergang der Welt nudelt. Seit die passionierte Zeitungsleserin und Fernsehverächterin weiß, dass der „Trump” geschriebene Name „Tramp” gesprochen wird, schimpft die resolute Rhein-Mosel-Seniorin ausdauernd lautstark über das „amerikanische Trampeltier und seine aufgepumpte Mieze”. Was sie indes nicht dazu bringt, die handgreifliche Intensivpflege des kränkelnden Freundes auch nur für einen Moment zu unterbrechen.
Ich finde ja, der Begriff „Männergrippe” ist ein Unding. Zumindest in der verniedlichenden und spottenden Bedeutung wie vor allem Frauen ihn neuerdings benutzen. Und ich weiß, wovon ich rede. Denn kurz bevor die Virenarmee Walter niederwarf, hatte sie gut zwei Wochen lang meinen Körper verheert und mein Hirn in einen dumpfigen Kerker gesperrt. Ladies, das ist nicht zum Lachen! Das glasäugig blubbernde Schniefen und wie tödlich verwundete Stöhnen des Kranken hat mit Wehleidigkeit und Weinerlichkeit rein gar nichts zu tun. Ihr habt vielmehr vor euch das tatsächliche Elend des Mannes, den die Unbilden seiner heimtückisch attackierten Natur auch tatsächlich leidvoll und schmerzensreich daran hindern, seinen Mann zu stehen.
Gewiss: Die meisten grippal infizierten Frauen haben das Schlimmste schon nach drei bis sechs Tagen überstanden und gehen dann sogleich klaglos wieder ihren normalen Geschäften nach. Solch unterschiedliche Krankheitsverläufe gründen jedoch mitnichten in charakterlichen Unterschieden von Frau und Mann. Sie sind vielmehr pure Natur. Selbst die Wissenschaft hat inzwischen entdeckt, dass grippaler Infekt wie manch andere Krankheit je nach Geschlecht vapeerschiedene Schweren und Verläufe zeitigt. Demnach ist es in Wahrheit so: Freund Walter ficht in seiner Matrazengruft einen heldenhaften Kampf gegen das Virenheer – und manche Stund‘ wohl auch gegen die wenig mitleidige Erbarmungslosigkeit seiner Pflegerin.
Das nachbarliche Fürsorgeregiment verhängte zuerst ein Rauchverbot, dann ein Nachrichtenverbot. Ersteres war überflüssig. Denn Walter gestand mir verzweifelt: „Jede Zigarette, ja selbst die feinste Kuba-Zigarre schmeckt nur noch nach glimmendem Filz.” Da wusste ich: Der Freund ist richtig krank. Zwecks Nachrichtenverbot hat die Umsorgerin einfach allen Empfangsgeräten den Stecker gezogen. Mit der Begründung: „Jedesmal wenn unser Patient von neuen Dekreten, Äußerungen, Plänen dieses amerikanischen Trumpeltiers erfährt, schießt sein Fieber hoch, dass man fürchten muss, er qualmt gleich aus den Ohren und spuckt Feuer.”
ape
Also erzähle ich dem Freund zwecks Aufmunterung und Beitrag zur Gesundung: Der liberale Teil des US-Volkes habe massiv in einen Verteidigungsmodus gegen den Präsidenten geschaltet. Zugleich mache sich unter halbwegs vernünftigen Verfassungskonservativen allmählich das Erkennen breit, welch faules Ei sie sich da ins Nest gelegt haben. „Du bindest mir gut gemeinte Fake-Bären auf”, hustet Walter. Ne, ne, mein Lieber, das sind begründete Hoffnungszeichen (hoffe ich jedenfalls).
(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 9. Woche im Februar 2017)