ape. „Was ist das denn für eine doofe Frage!”, knottert Freund Walter angesichts der Überschrift. „Dein 14,90-Euro-Grill ist doch der einzige, der noch im Winterschlaf liegt. Jeder andere hat spätestens am hochsommerlichen April-Sonntag vor Ostern wieder geglüht, gebrutzelt, gequalmt.” Nichts gegen meine kleine Holzkohlewanne, bitteschön. Die beschert uns seit Jahren lecker geröstete Stücke von Schwein, Rind, Schaf, Huhn und Fisch nebst Bratkäse oder Grillgemüse. Gewiss, das gute Blechding kommt bei mir erst zum Einsatz, wenn man mit wohlig vollem Bauch noch ein paar Stunden an der Gartentafel beisammen sitzen kann, ohne sich den Allterwertesten abzufrieren.
Aber das versteht der Freund nicht, denn auf seinem Wildwuchs-Hang hoch über der Mosel wird selten, dafür zu jeder Jahreszeit gegrillt. Das geht dann so: Im Winter steht, im Sommer lagert die Gästebagage um ein Erdloch, darin ein Feuer aus Buchenholz lodert. Darüber wird ein aus Moniereisen zusammengeschweißter Rost gelegt. Walter nennt das „Grillreinigung”. Und tatsächlich gibt es keine wirksamere, obendrein bequemere Grillputzmethode als dieses Abflämmen und Ausglühen des Gitters. Sobald das Feuer zum flirrenden Gluthaufen niedergebrannt, schmeißt jede/r auf den Rost, was sie/er mitgebracht oder der Herr über diese Bräterei für alle bei seinem Geheimmetzger besorgt hat.
Manchmal lassen wir den Rost ganz weg und machen es wie in unserer Kindheit oder zuzeiten der Altvorderen: Jeder spießt auf einen angespitzten Stock ein Stückchen Fleisch oder eine Wurst und hält das Konstrukt andächtig übers Lagerfeuer. Ältere Leser werden sich erinnern, dass in den 1950-/60ern das private Grillen auf Holzkohlebecken hierzulande noch fast unbekannt war. Gegrilltes gab es bloß als Schaschlikspieß am Kirmes-Imbiss respektive als Grillhendl im Festzelt. Das private Holzkohlegrillen brachten erst „Gastarbeiter” und Urlaubsrückkehrer vor allem aus Griechenland, Jugoslawien und der Türkei mit – auf dass es seinen furiosen Siegeszug antrete in Parks und Gärten, an Fluss- und Seeufern, auf Terrassen und Balkonen.
Wie das aber so ist bei von unten gewachsenen Trends: Die Wirtschaft macht flugs ein Geschäftsmodell daraus. Galt in den 1980ern ein gusseiserner Grill für 70 Mark noch als übertriebener Luxus, so stand ich neulich fassungslos in der Grill-Ausstellungshalle eines Gartencenters vor Dutzenden Modellen. Viele mit jeder Menge Hightech gerüstet, bald ebenso groß und so teuer wie ein halber Kleinwagen. Ähnlich den Raumschiffen, die vorgeben, Kaffeemaschinen zu sein, können diese Grillmonster angeblich alles, was auch eine Gourmetküche schafft. Walter bläst die Backen auf: „Nur eines können sie halt nicht: Unsere Lust stillen auf einen Moment archaischer Einfachheit – bei einem schlichten, am Lagerfeuer oder über der offenen Glut bereiteten Mahl mit Freunden.”
Tja, Einfachheit ist eben ein Wachstumshindernis. Weshalb sie selbst dem Hobbygärtner ausgetrieben werden soll. Was bräuchte der für ein Gemüsegärtchen ureigentlich an Werkzeug? Nur Spaten oder Grabgabel, große Hacke, kleine Hacke, vielleicht einen Rechen; fertig. Was wird ihm aufgeschwatzt? Das Hundertfache in tausenderlei Variationen und, so die Werbung, in jedem Fall bei vermindertem Körpereinsatz den Ernteertrag steigernd. Walter kommentiert das mit dem knappen Satz: „Wer nicht schwitzen will, soll sich keinen Gemüsegarten anlegen.”
(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 17. Woche im April 2017)