Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Guten Tag allerseits – im April 2017

28.04.2017

Ein Blick in meinen kulturjournalistischen Einsatzplan ergibt: Volles Programm in den nächsten Wochen. Es beginnt mit drei Ballettabenden. Morgen Premiere von „Hochzeit“ bei tanzmainz. Nächste Woche geht’s zu den Maifestspiele Wiesbaden und Gastauftritten von balletts C de la B mit „nicht schlafen“ sowie der Compagnie des Theaterhauses Stuttgart mit „Nijinksi“. Später bekomme ich dort noch Schauspiel, „Murmel Murmel“, von der Berliner Volksbühne zu sehen. Es folgt das Theater Koblenz mit Tschechows „Die Möwe“ in einer Inszenierung des früheren Mainzer Intendaten Matthias Fontheim.

Mitte des Monats dann Großereignis im Landesmuseum Mainz: Eröffnung der Ausstellung „vorZeiten“ mit archäologischen Schätzen aus dem gesamten Rheinland-Pfalz – für mich verbunden mit einer zweitätigen Recherchereise zu aktuell besonders interessanten Grabungen im Land. Hernach Premiere im Theater Bonn: Jelineks „Abraumhalde“. Schließlich steht der Start einer weiteren Großausstellung auf dem Plan: Henry Moore im Arp Museum Remagen. Zwischendruch ein Gespräch mit dem neuen Intendanten der Burgfestspiele Mayen, Festvortrag bei der Feier „30 Jahre Marienberger Seminare“ …


27.04.2017

In der körperlichen und geistigen Verfassung eines Mittvierzigers 200 oder mehr Jahre alt werden. Das wär’s doch. Nein? Wie auch immer man dazu steht: In etlichen Forschungslaboren weltweit wird mit Hochdruck an Manipulationen der Lebensuhr gearbeitet. Titelgeschichten vorletzte Woche in der „Zeit“, soeben im „Spiegel“ und jetzt auch im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ deuten auf grundlegende Durchbrüche und rasche Fortschritte dieser Forschungen hin.

Erste jüngere Erkenntnis: Die Lebensuhr funktioniert anders als bisher angenommen. Sie verschleißt nicht unwiederbringlich, sondern die zahlreichen körpereigenen Werkstätten zur Zellerneuerung reduzieren peu a peu ihre Tätigkeit und fallen mit fortschreitendem Lebensalter quasi der Reihe nach ins Koma. Zweites Forschungsergebnis (bei Mäusen und anderen Tieren): Führt man dem altem Körper Blut oder Blutplasma und/oder Darmbakterienkulturen von jungen Artgenossen zu, kommt es zu einer fast jugendlichen Reaktivierung der Werkstätten des Seniors; Die Zellerneuerung für Körper und Geist läuft wieder auf Hochtouren.

Drittes Ergebnis: Es soll in den USA erste Privateinrichtungen geben, die gegen horrende Summen Kuren mit jugendlichem Frischblut anbieten.

Ich kann nicht beurteilen, was an den Forschungsberichten dran ist. Ich kann mir allerdings einen Reim darauf machen, was auf Erden geschähe, würde das bis dato gültige Altersmaximum von 100 plus ein paar Jahre verdoppelt. Und ich kann mir vorstellen, dass ein derart grundstürzender Eingriff in die weithin noch unverstandene schier universelle Komplexität des humankörperlichen Mikrokosmos allerhand Nebenwirkungen zeitigen würde. Doch dazu fragen sie dann bitte ihren Arzt oder Apotheker.


26.04.2017

Am ersten Mai-Wochenende (5. – 7.5.) startet der Kultursommer Rheinland-Pfalz in seinen 26. Jahrgang. Das dreitätige Auftaktfestival zum wieder mehr als 200 Acts umfassenden landesweiten Veranstaltungsreigen findet heuer in Bad Kreuznach statt. Das offene Jahresmotto lautet „Epochen und Episoden“, es setzt 2017 bei aller Vielfalt doch einen Schwerpunkt auf das Jubiläum 500 Jahre Reformation.

Mein Vorbericht, konzentriert auf vom Kultursommer geförderte Veranstaltungen im nördlichen Rheinland-Pfalz

(freier Lesetext, 6400 Anschläge)


25.04.2017

Die Fertigstellung meiner Kolumne „Quergedanken“ liegt meist zehn bis zwölf Tage zurück, wenn der Text im mittelrheinischen Magazin „Kulturinfo“ (und auf meiner website) erscheint. Diesen Abstand erzwingt der Produktionszeitraum für die monatlich erscheinende Publikation. Er birgt die Gefahr, dass Themen, die sich zum Zeitpunkt des Schreibens geradezu aufgedrängt hatten, bisweilen am Erscheinungstag recht abseitig wirken. So auch diesmal, weil inmitten der aktuellen Kältetage niemand mehr die verfrühte Sommerphase der ersten Aprilhälfte in Knochen und Hirn hat. Doch völlig aus der Welt gefallen ist das Thema deshalb noch lange nicht. Also sei eine vergnügliche Lektüre gewünscht mit den

„Quergedanken“ Nr. 147: Schon angegrillt?
(freier Lesetext, 3400 Anschläge)


24.04.2017

Es bestätigt sich nun bei der Frankreich-Wahl, was unlängst schon in den Niederlanden deutlich wurde und sich auch für Deutschland abzeichnet: Die Rechtsradikalen sind zwar eine (viel zu) starke Kraft geworden, aber in Westeuropa sehr weit entfernt von einer Mehrheitsbewegung. Unterstrichen wird das auch durch den Umstand: Hohe Wahlbeteiligungen lassen die prognostizierten starken Zuwächse für die Rechtsradikalen jeweils zusammenschmelzen. Ihr Durchmarsch an die Macht ist abgesagt – sofern die bürgerlichen und linken Parteien sich jetzt nicht ganz blöd anstellen.

***

Es gibt Schauspielklassiker, die setzen sich quasi von selbst als stets brennend aktuell bleibender Beitrag zu jeweils anderen Gegenwarten immer wieder auf die Theaterspielpläne. Und eigentlich bedürfen sie dafür nichtmal großer inszenatorischer Aktualisierungseingriffe. Ibsens „Ein Volksfeind“ von 1883 ist so ein Stück. Am Staatstheater Mainz hat es Regisseur Dariusch Yazdkhasti jetzt allerdings doch mit ziemlich rigorosen Einschnitten plakativ aufs Hier und Heute getrimmt. Herausgekommen ist ein sehr zwiespältiger Abend …

Meine Premierenkritik hier
3900 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


23.04.2017

Die Gedanken sind am heutigen Sonntag mit Hoffen und Bangen bei unseren französischen Freunden.

Vive la République francaise!
Und schickt LePen aufs Abstellgleis!


21.04.2017

Heute Nachmittag durfte ich, und es war mir ein Bedürfnis, im Verlagshaus der Allgemeinen Zeitung Mainz der Verabschiedung des von mir hoch geschätzten und verdienstvoll eigensinnigen Kollegen Jens Frederiksen in den Ruhestand beiwohnen. Er war zuletzt 27 Jahre Ressortleiter Feuilleton bei der AZ – allweil geachtet, aber auch gefürchtet, gelobt oder angefeindet, kundig, sprachmächtig, urteilsstark. Damit geht nun wohl, wenn ich es richtig überschaue, das Staffelholz des dienstältesten noch hauptberuflich tätigen Print-Feuilletonisten in Rheinlahnd-Pfalz für dreieinhalb Jahre an mich über.

„fre“ wird mir fehlen, als angenehmer Kollege alter Schule mit höchster Kompetenz, als bester und interessantester hiesiger „Wettbewerber“ im Fach Schauspielkritik, als kluger wie humoriger Partner bei der Pausenplauderei. Über rund ein Vierteljahrhundert haben wir dienstlich diesselben Premieren besucht, regelmäßig in Mainz, viele Jahre auch in Wiesbaden, immer wieder in Frankfurt, gelegentlich in Koblenz.

Erst begegneten wir – Kritiker konkurrierender Zeitungen – uns in gegenseitigem Respekt, aus dem über die Jahre aber herzliche Sympathie wurde. Wir sprachen miteinander über Gott und die Welt sowie vorherige Theaterabende und unsere Besprechungen davon, nie jedoch über die gerade besuchte Premiere. Dies Thema war, wie es sich gehört, tabu bis die Kritiken beider in den Zeitungen standen. Dann stürzte ich mich stets begierig auf seine Besprechungen, die zu lesen fast immer ein Genuss war und überaus lehrreich – egal, ob wir zu ähnlichen Schlüssen oder gegenteiligen gelangten.

***

Es geht mir gerade ein Phänomen des Journalismusbetriebes durch den Kopf, das Außenstehenden womöglich unverständlich ist. In fast 30 Berufsjahren als Zeitungsmann mit Schwerpunkt Kultur habe ich oft selbst erlebt oder von Kollegen anderer Blätter erzählt bekommen: In den Zentralredaktionen etlicher Regionalzeitungen verstehen sich seit jeher ausgerechnet Sportredakteure und Kulturredakteure am besten miteinander. Wie kann das sein? Nach meinem Dafürhalten, weil sie beide a) hier auf Sportplätzen, da in Theatern/Konzertsälen regelmäßig unters Volk kommen. Weil beide b) einen ähnlichen Lebens-Arbeits-Rhythmus haben, dessen Einsatzspitzen meist aufs Wochenende fallen. Weil schließlich, c), beide interessant, spannend, launig über die „spielerische“ Leistung ihrer jeweiligen Beobachtungsklientel berichten und diese auch kritisch beurteilen sollen. Weshalb im Grunde eine enge Verwandtschaft zwischen Spielbericht und Kunstkritik besteht.


20.04.2017

„Populismus ist nicht per se schlecht.“ Diesen irritierenden Satz sagt der hochgeschätzte Kollege Heribert Prantl in einem Interview über sein neues Büchlein mit dem nicht weniger irritierend mehrdeutigen Titel „Gebrauchsanleitung für Populisten“. In beiden vertritt er – sich auch kritisch an die eigene Nase fassend – u.a. die These, dass die undifferenzierte Benutzung des Wortes „Populismus“ als bloßem Kampfbegriff gegen rechte Demagogen unsinnig ist. Weil: Es sei durchaus wünschenswert, wenn Demokraten nach Luthers Devise „Den Leuten aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden“ auf populäre, volksnahe Art, leidenschaftlich und an die „Leidenschaft der Menschen“ appelierend, für demokratische Grundwerte und Gundrechte streiten.

Auf die Frage etwa, wie viel der Rechtsstaat im Umgang mit Populisten aushalten müsse, antwortet Prantl: „Ich darf alles sagen, was nicht strafbar ist. Meinungs- und Pressefreiheit vertragen alles. Pressefreiheit ist wie ein großer Fluss. Da schwimmen die schönsten Fische, aber auch viel Dreck, und es gibt keine Instanz, die sagt: Das eine ist wertvoll, das andere nicht. Es gibt das Strafrecht, und das Strafrecht markiert die Grenzen.“ Wenn jemand Volksverhetzung betreibe, dann sei das strafbar.


19.04.2017

Euch zur Vorfreude auf alsbald bessere Tage, sei ein Ende Mai 2005 publiziertes Textchen noch einmal hervorgekramt. Unter dem Titel „Sommernachtsträume“ versuchte es dem damals verbreiteten Frust über eine lang anhaltende sehr miese Spätfrühlings-Wetterlage entgegenzuwirken.

2005-06-01 Quergedanken: Sommernachtsträume
(Freier Lesetext, 4200 Anschläge)


17.04.2017

Zum Ausgang des türkischen Referendums:

1. „Der 16. April wird in die Geschichte eingehen, als jener Tag, an dem die Republik Atatürks abgeschafft und durch den Staat Erdogan ersetzt wurde.“ (Maximilian Popp auf Spiegel-online).

2. Ein glorreicher Sieg sieht anders aus. Erdogan hat mindestens knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung und eine deutliche Mehrheit der Stadtbewohner in der Türkei gegen sich. Und das trotz der Repressionen des Ausnahmezustandes sowie der Indienstnahme des kompletten Staats- und Medienapparates für seine Propaganda. Die Erdogan-Diktatur steht vom Start weg auf schwachen Beinen.


16.04.2017

Der alljährlich wiederkehrende Disput um das Karfreitags-Tanzverbot nervt ziemlich. Weil: Viele der Kontrahenten wollen nicht begreifen, dass in einer offenen und vielgestaltigen Gesellschaft wie der unsrigen ein Kompromiss gegenseitigen Respekts gefunden werden muss.

Dazu Anmerkungen und ein Vorschlag
(freier Lesetext)


15.04.2017

Premiere von Shakespeares Komödie „Maß für Maß“ am Gründonnerstag im Staatstheater Wiesbaden: Regisseur Jan Philipp Gloger hat eine ebenso humorig-saftige wie ernsthafte Inszenierung dieses bis heute, oder erst recht heute, relevanten Stückes über mannigfache Wechselwirkungen zwischen Macht, Moral und Gesellschaft hingekriegt. Obendrein originell ausgeformte, gute bis sehr gute Schauspielleistungen reihum machen den nur zweistündigen Abend ohne Pause zu einem geistreich kurzweiligen Theatererlebnis.

Meine Premierenkritik
(3450 Anschläge, konstenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


14.04.2017

Kleines Malheur am gestrigen Gründonnerstag: Stelle auf halbem Weg nach Wiesbaden zur Premiere von „Maß für Maß“ fest, dass ich das Portemonnaie nicht am Hintern habe, sondern daheim vergessen. Damit bin ich erstmals seit Jahrzehnten ohne einen Cent, auch ohne Kreditkarte, in der Tasche auswärts unterwegs. Kann nicht ins Parkhaus fahren, keinen Kaffee vorweg trinken, weder dem Bettler noch der Straßemusikantin etwas geben. Die Hungerbefriedigung nach der Vorstellung muss zwangsläufig bis zur Heimkunft warten. Und müsste ich während der Returfahrt mal, kein Raststätten-Klo ließe mich ein. Es war ein seltsames, irritierendes Gefühl – ohne Geld nichts von all dem tun zu können, was man gewöhnlich tut oder tun kann.


13.04.2017

Wenn ich die Wettervorhersage richtig deute, dürften die Ostertage im deutschen Südwesten, landläufig formuliert, „durchwachsen“ ausfallen. Temperaturen unter T-Shirt-Niveau, Himmel weiß-grau mit vereinzelten Blaufenstern, aber ebenso ein bisschen Regen hie und da stiftend. Das geht schon in Ordnung, denn an Ostern ist seit jeher alles drin. Ich erinnere mich für hiesige Gefilde an Osterfeiertage mit Spaziergängen durch knöchelhohen Schnee wie auch an hemdsärmelige Familientafeln im Garten mit Sonnenbrandgefahr. Lasst uns heuer also mal das Mittelmaß genießen – an Extremlagen haben wir ja allüberall sowieso keinen Mangel.


07.04.2017

US-Präsident Trump ließ diese Nacht einen syrischen Militärstützpunkt und Luftwaffenhorst mittels fünf Dutzend Tomahawk-Raketen von See aus quasi schleifen – „Vergeltung“ für den Giftgasangriff auf die Bevölkerung von Chan Schaichun (der vielleicht, womöglich, wahrscheinlich, aber nicht sicher bewiesen vom Assad-Militär verübt wurde). Schießwut und Kriegslogik, statt Politik – auf beiden Seiten.


03.04.2017

Achtung, jetzt kommt ein Karton! Sie, verehrte Leser/innen, werden brummen: Wie kann man die Inszenierungskritik eines ehrwürdigen Bühnenklassikers aus den 1660ern eröffnen mit einem Sätzchen aus der TV-Comedyschublade? Nun ja, das Bühnenbild für Molieres „Tartuffe” am Theater Koblenz ist halt ein Karton – eine raumfüllende, nach vorn aufgeklappte Pappschachtel. Darin haben seltsame Figürchen Zeiten überdauert. Diese werden jetzt quietschlebendig und spielen das uralte Spiel von der Verführbarkeit durch betrügerische Heilsversprecher. Es purzeln aus der Schachtel zwei überaus vergnügliche und klug gewirkte Theaterstunden.

Meine Premierenkritik hier
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent.


03.04.2017

Es ist ein Armutszeugnis für den internationalen Klassikbetrieb, dass wir 2017 eine Dirigentin vor großem Orchester noch immer als etwas Besonderes erleben. Auch wenn diese wie aus der Zeit gefallene Misere allmählich – viel zu langsam – entschärft wird, sind Frauen am Dirigentenpult bis heute seltener als in Vorständen von Dax-Konzernen. Welche Potenziale der Musikkultur so entgehen, machte jetzt die Stabführung der wunderbaren Anu Tali beim 8. Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz mit der Rheinischen Philharmonie deutlich.

Meine Konzertbesprechung
(3700 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


Andreas Pecht

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