ape. Dieser Tage schallen wieder die Posaunen über Mayen, um bis zum 25. August das Publikum zu den Vorstellungen der Burgfestspiele zu rufen. Das alljährlich drei Sommermonate dauernde Theaterfestival ist eines der ältesten professionellen in Rheinland-Pfalz. Seit 1987 bespielt es mit Eigenproduktionen open air den Innenhof der Genovevaburg. Späterhin kam vorübergehend mal diese oder jene Nebenspielstätte hinzu; seit einigen Jahren steht im Hof des Alten Arresthauses die quasi „Kleine Bühne”. Für die erste Saison 1987 in der offiziellen Mayener Festspiel-Zeitrechnung hatte Rudolf Heinrich Krieg die Leitung inne. Schon im Folgejahr übernahm Hans-Joachim Heyse die Intendanz. Während der gut 15-jährigen Amtszeit des vormaligen Bonner Generalintendanten und Leiters der Luisenburg-Festspiele Wunsiedel waren die Burgfestspiele Mayen eine weit über Stadt und Umgebung hinaus von Theaterfreunden beachtete und geschätzte Einrichtung der Bühnenkunst zur Sommerszeit.
Auf „den Jochen” (Heyse) folgten die Intendanten Pavel Fieber (2004 – 2006) und Peter Nüesch (2007 – 2016). Es folgte auch eine dauerhaft schwelende Auseinandersetzung darum, wie viel Ernst oder wie viel bloße Vergnüglichkeit diesem Festival am besten anstünde. In den letzten Jahren neigte sich die Waage Richtung leichtfüßigem Vergnügen – verbunden mit dem Zugang neuer Zuschauer, dem gleichzeitigen Abgang bisheriger und dem nachlassenden Interesses für das Mayener Angebot in der überörtlichen Theaterlandschaft. Im September 2016 ist der Intendantenstab von Nüesch an Daniel Ris übergegangen. Den mir bis dahin persönlich unbekannten „Neuen” traf ich etwa drei Wochen vor der ersten Premiere der diesjährigen Burgfestspiele – Kinderstück „Ronja Räubertochter” am 28. Mai – zum Gespräch. Ich fand einen ruhigen, aufgeräumten, freundlichen Mann vor, der jünger wirkt als seine 52 Lebensjahre erwarten lassen.
Der im Siebengebirgsort Oberpleis aufgewachsene Ris – gelernter Schauspieler mit viel Praxis auch als Regisseur aus Engagements an großen und kleinen Häusern zwischen Hamburg und Konstanz – kann und will in Mayen das Festspielrad nicht neu erfinden. Und doch macht er allerhand anders als seine Vorgänger. Beim Äußeren ändert sich nicht viel: Drei große Produktionen auf der Hauptbühne, davon ein Kinderstück; zwei kleine und etliche Sonderaktionen auf der Nebenbühne. Die beiden Spielstätten bleiben Burg und Arresthaus. Keine Änderungen gibt es auch bei der Platzierung von Bühne und Publikumsrängen im Burghof; „allein schon aus Kostengründen”, wie Ris betont. Die Finanzseite hat er stets im Blick, „denn wir müssen die Hälfte des Budgets selbst einspielen”. Das ist verglichen mit diversen Staats- und Stadttheatern ein rechter Batzen.
Aus dieser Lage gilt es, durch kluges unternehmerisches Wirtschaften das Optimale herauszuholen. Wofür dieser Intendant eine interessante Zusatzqualifikation mitbringt: Er hat neben seiner Arbeit als Schauspieler und nachher Regisseur ein Studium zum Executive Master in Arts Administration abgeschlossen. Da tritt unverkennbar eine neue, durchaus unternehmerisch denkende Generation von Theatermachern an. Weshalb auch die de facto zahlreichen Veränderungen, die Ris in Angriff genommen hat, kaum verwundern. Vorneweg wurde den Burgfestspielen ein Pflichtteil in unserer Gegenwart verpasst: Eine eigene und zeitgemäße Website. Gleich darauf wurde die Arresthausbühne aufgewertet: Sie hat eine Beleuchtunganlage bekommen und es werden nun dort zwei vollwertige, von je eigenen Regisseuren inszenierte Stücke gut drei Dutzend Aufführungen erleben. Heuer sind das die Tragikkomödie „Alte Liebe” nach dem Roman von Elke Heidenreich und Bernd Schröder, sowie „Tschick” nach dem Bestseller von Wolfgang Herrndorf für Erwachsene und vor allem Jugendliche.
Jugend, das ist für Daniel Ris ein wichtiges Stichwort. Denn da gelte es, eine Lücke zu schließen: „Den Kindern wird ihr Theater geboten. Für die Jugendlichen geschieht dann zehn Jahre nichts, aber man erwartet nachher, dass sie als junge Erwachsene wieder ins Theater kommen. So kann das nicht funktionieren.” Sagt Ris und hat deshalb die Idee vom „Jugendclub” in die Welt gesetzt. Was es an vielen Theatern schon eine Weile gibt, soll auch ihn Mayen Fuß fassen: Jugendliche machen mit Profiunterstützung ihr Theaterding und bringen es dann auf der „richtigen” Bühne vors Publikum. In der Eifelstadt läuft das auf eine Kooperation zwischen Burgfestspielen und Schülertheater-Gruppe des Megina-Gymnasiums hinaus. Eine erste Aufführung ist für 2019 anvisiert. Doch macht der Intendant auch auf andere Weise Feuer unterm Jugendkessel: Der Kontakt zu den Schulen wird intensiviert, Ris selbst tingelt als Festspielbotschafter durch viele Lehrer- und Klassenzimmer; er hat heuer eine Vormittagsvorstellung für Jugendliche von Schillers ”Kabale und Liebe” angesetzt; nächste Saison wird eigens für die Aufführung in Schulen ein Stück produziert.
Und noch mehr Neuerungen: Für die fünf Produktionen im 2017er Programm sind fünf Regisseure, aber nur 14 Schauspieler/innen engagiert. Das ist ungewöhnlich im deutschen Festspielbetrieb. Wie kann das funktionieren? „Indem sich die Regisseure auf Akteure geeinigt haben, die in mindestens zwei Stücken eine wichtige Rolle gut spielen können”, so Ris. Auf der Bühne wird sich erweisen, ob dieser wirtschaftliche Synergieeffekt auch künstlerisch hinhaut, wenn beispielsweise die weibliche Hauptrolle im Musical „Der kleine Horrorladen” und die Luisa-Rolle in „Kabale und Liebe” von derselben Schauspielerin übernommen wird. Wie sich überhaupt am Ende stets alles auf der Bühne entscheidet – auf der übrigens Ris als erster der Mayener Intendanten nicht in der Funktion des Schauspielers zu sehen sein wird. Auch das ist ein Zug der Zeit: Keiner der heutigen Intendanten etwa in Bonn, Koblenz, Mainz, Wiesbaden spielt noch selbst; zu komplex sind die Leitungsaufgaben geworden.
Was sich allerdings die meisten nicht nehmen lassen, so auch nicht Daniel Ris, ist das Regieführen. In diesem Jahr inszeniert er mit dem „Horrorladen” das vergnügliche Element im Hauptprogramm und überlässt das ernste Schauspiel „Kabale und Liebe” einem Kollegen. In der Saison 2018 umgekehrt: Dann übernimmt Ris die Regie für das Gegenwartsstück „Terror” aus der Feder des Ferdinand von Schirach, während das volkstümliche Singspiel „Im weißen Röss’l” von einem anderen eingerichtet wird. Diese Stückwahl macht zweierlei deutlich: Erstens setzt die neue Intendanz auf „Vielfalt”, die wechselnd sehr unterschiedliche Publikumsinteressen bedient; zweitens gehört, wie zu Heyses Zeit, stets eine der Hauptproduktionen im Burghof wieder dem ernsten Schauspiel. Dazu und zu allem anderen sei „toi, toi, toi” gewünscht.
Andreas Pecht
Infos: burgfestspiele-mayen.de
(Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pressemedium außerhalb dieser website 21. Woche im Mai 2017)