Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Guten Tag allerseits – im Dezember 2017

27.12.2017

So. Weihnachten liegt hinter uns und zumindest mir nun gehörig auf den Hüften. Mit der Fastenphase hernach wird das erstmal nichts, denn es stehen noch allerhand Töpfchen und Tellerchen mit süßem Gebäck herum, eingeschleust von Verwandten und Freunden. Sei’s drum. Mich ruft die Pflicht zum seit 2001 traditionellen Neujahrsessay für die Rhein-Zeitung zurück an den Schreibtisch. Die Überschrift wird tatsächlich lauten: „Sind denn alle verrückt geworden?“ Zuvor gehen noch die neuen „Quergedanken“ raus (s.u.). Die aktuelle Ausgabe meiner Monatskolumne erzählt von einem Ereignis, das einem den treuen Lesern wohlbekannten Typen widerfahren wird: Freund Walter kommt auf die Theaterbühne.

2017-12-27 Quergedanken Nr. 155: Mein seltsamer Freund Walter
(freier Lesetext)


21.12.2017

Jahresendgrüße.

Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Kollegen/innen, Freunde/innen, Leute und Kinners,

ein Jahr geht zuende, das wohl nicht nur ich hinsichtlich des großen Weltgeschehens mit seinem kleinen Zeitgeist am liebsten so bilanzieren würde: „Sind denn alle verrückt geworden?!“. Ob 2018 besser wird, lässt sich nicht vorhersagen, nur hoffen und wünschen.

Ich darf mich bedanken ggf. für gute Zusammenarbeit, für Interesse wie auch Kritik an meiner Arbeit. Es seien allerseits schöne Feiertage gewünscht.
(Die Schreibstube geht jetzt bis 27.12. in den Schlafmodus).


19.12.2017

„Zuhause, wieder zuhause – und mit heilen Knochen!“ Erleichterter Ausruf nach drei endlosen qualvollen Stunden beim „Weihnachts-Shopping“ in der großen Stadt. Nur ein Händchen voll klitzekleiner Liebesgaben für die heimische Bagage war mein Begehr. Doch abgesehen von zwei Büchern aus meiner Hirn- und Herzensbuchhandlung blieb das Einkaufssackerl leer. Warum? Weil das urbane Warenparadies schon nach zwei Viertelstunden meine sämtlichen Sinne unter ungeheuren Angebotsbergen von unfassbarem, pardon, immergleichem Scheißdreck verschüttet hatte. Als mir dann noch der Werbespruch entgegensprang „Wir shoppen nicht, wir kaufen uns glücklich“, blieb mir als Rettungsring nur noch Shakespeare: „Erlaubt, dass ich gehe: Mir ist übel.“


18.12.2017

So. Letzte Kritik im alten Jahr. Jetzt schaltet die Schreibstube in den langsamen Gang, bevor sie ab Donnerstag dann bis nach Weihnachten ganz stillesteht. Premiere hatte in Mainz das Antikenstück „Oedipus“. Allerdings nicht in der bekannten Sophokles-Fassung, sondern in der fünf Jahrhunderte jüngeren Version des Seneca. Nach den 90 Minuten im Mainzer Staatstheater kann ich recht gut nachvollziehen, warum Letztere fast nie gespielt wird.

Meine Premierenkritik
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


15.12.2017

Aus der Schreibstube.
Immer wieder werde ich gefragt: Wie lange arbeitest du eigentlich an so einer Theaterkritik oder der Quergedanken-Kolumne oder dem Neujahrsessay? Das ist kein Betriebsgeheimnis und berechnet sich – unter Berücksichtigung, dass ich ein recht langsamer Denker und Schreiber bin – bei Theaterkritiken im Durchschnitt etwa so: Angenommen den Fall, im Mainzer Staatstheater hat ein mir unbekanntes Stück Premiere, dann fallen 2 bis 4 Stunden Vorablektüre an (diese Phase entfällt bei altbekannten Stücken). Hinzu kommen gut 3 Std. für Hin-/Rückfahrt. Aufenthaltszeit im Theater ca 3 Std. Schreibzeit am nächsten Tag 4 bis 5 Std. Das macht in summa 13 bis 15 Stunden.

An den „Quergedanken“ sitze ich durchschnittlich 2 Tage. Das Feilen, Schleifen, Schmirgeln des glossierenden Textchens braucht seine Zeit. Und meist geht erst die vierte oder fünfte Fassung in den Druck. Ganz anders die Arbeitsweise beim Neujahrsessay: Recherche und Materialsammlung laufen schon ab September/Oktober als permanenter Prozess nebenher. Das Schreiben selbst erstreckt sich dann über gut eine Woche.


14.12.2017

Noch drei Wochen besteht Gelegenheit, die Ausstellung zum Schaffen von Henry Moore im Arp Museum Remagen-Rolandseck zu besuchen. Am 8. Januar rücken dann Kräne und Tieflader an, um die teils tonnenschweren Großskulpturen des britischen Künstlers zurück auf ihre Stammplätze in Großbritannien zu schaffen. Blickwinkel öffnen, Brücken schlagen, Verbindungen deutlich machen: Diese in Rolandseck verfolgte kuratorische Linie prägt auch die jetzt  vorgestellten Ausstellungspläne des Museums für 2018. Stand das jetzt endende Jahr mit Moore ganz im Zeichen der Bildhauerei, so ist das kommende leitmotivisch überschrieben mit „Rausch der Farbe“. Malerei und ihre unterschiedliche Nutzung der Farben vom Mittelalter bis in die jüngste Gegenwart tritt ins Zentrum dreier gewichtiger Präsentationen.

Mein Vorbericht auf die Ausstellungen 2018 hier
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


13.12.2017

Ewiges Geschlechterrätsel zur Winterszeit: Bei den Damen gelten die langen Beinkleider für untendrunter – Strumpfhosen, Nylons, Leggins, Wadenbundhöschen – als derart attraktiv, ja sexy, dass sie bisweilen sogar offen sichtbar getragen werden. Bei den Männern hingegen wird die lange Unterhose schnöde als „Liebestöter“ diskriminiert. Da geschieht großes Unrecht!


12.12.2017

Das letzte Konzert beim Koblenzer Musik-Institut im alten Jahr hatte nur zwei Programmpunkte. Beides indes dicke Brocken, die mit 50 und 55 Minuten Spieldauer den Abend in der Rhein-Mosel-Halle prall füllten: das Klavierkonzert Nr. 1 von Johannes Brahms und die 1. Sinfonie von Edward Elgar. Es spielte das Staatsorchester Rheinische Philharmonie unter Garry Walker, Solist am Flügel war Steven Osborne.

Meine Konzertbesprechung
4000 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent


09.12.2017

Samstagsfrühstück: Wohlschmeckende Einfachheit auf dem Tisch, Gedanken dümpeln träge dahin, Blicke durchs Fenster hinaus in weiße Winterlandschaft, auf die leise der Schnee rieselt. Der wahre Luxus sei Langsamkeit, lange Weile, Muse, erklärte Lesch diese Woche. Ich schwelge im Luxus. Schnee ward in der Früh geschippt, Brennholzlager und Vorratskammer sind gut gefüllt. Spaziergang entfällt, denn im Wald da knallt’s: Treibjagd ist – man bleibt besser weg. Beobachte das jüngst von eigener Hand gebaute Vogelhäuschen. Eifriger Zuspruch ginge anders: Nur zwei Meisen, Frau Amsel und Herr Buntspecht schauen mal kurz vorbei. Lese in der Zeitung von Freudentänzen bei der Deutschen Bahn über neue ICE-Schnellstrecke München/Berlin, auch von Kritik, die Anbindung des Nahverkehrs sei noch nicht optimal. Das ländliche Hirn fragt irritiert: Was für ein Nahverkehr?


08.12.2017

Seit ich mich in jungen Jahren mal eingehend mit der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie befasste und von da an ihre jeweils aktuelle Entwicklung aufmerksam verfolge, ist mein Verhältnis zur SPD ein sehr distanziertes. Von eben dieser Warte aus komme ich hinsichtlich der gestrigen Debatte auf dem Parteitag zu dem Eindruck: Diese war erstmals seit langer, langer Zeit wieder ein wirkliches Lebenszeichen der PARTEI.

Was die schlussendlich zu erwartenden Ergebnisse angeht, bleibe ich skeptisch. Denn der angestammte Zustand der SPD ist de facto einer der Unentschlossenheit und des Schlingerns: Wollen wir für einen demokratischen Sozialismus eintreten ODER bleiben wir bloß Reparaturkolonne des Kapitalismus? Immerhin: Solche Zwiespältigkeit ist noch das kleinere Übel, verglichen mit dem Agieren der SPD-Führung zB 1914 (Zustimmung zu Kriegskrediten), 1918-21 ( „Bluthund“ Noske) oder in der Ära Schröder (neoliberaler Durchmarsch und Hartz IV).


07.12.2017

Sind wir eitel? Bin ich eitel? Aber ja, natürlich. Alle sind eitel, mal mehr das Äußere, mal eher Charakter und innere Werte betreffend; meist beides. Die wenigen Ausnahmen bestätigen nur die Regel – sofern für einige Fälle nicht sogar gilt: „Bescheidenheit ist die schlimmste Form der Eitelkeit“. Man zeige mir eine Wohnung ohne Spiegel, oder ein Naturvolk, dessen Mitglieder sich nicht schmücken. Die „sozialen Netzwerke“ sind ein weltumspannendes Panoptikum der Eitelkeiten; was früher den Flaniermeilen, Marktplätzen, Sonntagsgottesdiensten vorbehalten war. Hand aufs Herz: Wer wollte nicht Wohlgefallen wecken und Anerkennung finden im Auge des Gegenübers? Wer wollte sich nicht wertgeschätzt, interessant, gemocht, bisweilen begehrenswert fühlen? Es ist auch bei der Eitelkeit erst die Dosis, die das Gift macht.


05.12.2017

Doch, ja: Seit dem gestrigen Nachmittag bin ich übellaunig. Dabei hatte der Tag so schön begonnen – mit der Fertigstellung des 8. Kapitels (1933-45) meines Buches über die 210-jährige Geschichte des Musik-Instituts Koblenz. Hernach waren ein paar Dinge im Supermarkt zu besorgen. Und wieder wollte es mir nicht gelingen, herauszufinden, was in den Packungen wirklich drin ist. Weil: Aufschriften unleserlich oder völlig unverständlich. Ich: Sooo einen Hals. Anschließend 3 Stunden herumgeärgert mit dem elektronischen Meldesystem der VG Wort. Dann Postdurchsicht mit folgenden Eingängen: 1. zwölfseitiger Prüfbescheid der Rentenversicherung über Beiträge zur Künstlersozialkasse; verstanden haben ich davon nix, außer dass 39 Euro nachzuzahlen sind. 2. Meldebogen der Berufsgenossenschaft, bei dem ich nichtmal begriffen habe, was überhaupt gemeldet werden soll. Schließlich 3., unverlangte Zusendung einer neuen Bankcard ohne Info, ob die alte PIN gültig bleibt. Und da soll man nicht die Krätze kriegen? Mit Verlaub, egal ob staatlich, privatwirtschaftlich oder verbandlich: Unsere Bürokratien sind eine Pest!


03.12.2017

Es haben mich heute ein paar Fotos erreicht, von Godehard Juraschek aufgenommen im Koblenzer Theater während meiner Laudatio auf Olaf Theisen, den Kuturpreisträger 2017 der Stadt Koblenz. Eine kleine Rednerstudie …


02.12.2017

Man soll ja Fragen nicht mit Gegenfragen beantworten. Aber manchmal hilft das zum besseren Verständnis. Frage also neulich (wieder mal) an mich: „Warum schreibst du – nicht nur beruflich für die Zeitung, sondernauch noch in der Freizeit, obendrein öffentlich über Persönliches?“ Gegenfrage meinerseits: Warum fotografieren unzählige Zeitgenossen stets und ständig Landschaften, Sonnenauf- und -untergänge, Hund-Katze-Maus, sich selbst, ihre Füße, ihre Mitmenschen, ihre Urlaubsorte, ihr Essen etc.pp. und verbreiten ihre Bilder hier und überall? Gründe und Antworten mag nun jeder selbst finden und bedenken.

Was meine Schreiberei angeht: Ich schreibe, weil ich eben ein Schreiber bin – ein primär schreibender (und lesender) Mensch, kein fotografierender, musizierender, malender, bildhauernder, schauspielender …. Ich schreibe, weil ich gar nicht anders kann (vielleicht auch nichts Anderes richtig kann). Ich schreibe, weil ich auf diesem Weg am klarsten denken und mich am besten mitteilen kann. Das war schon in Kindertagen so; da ließ mich eine verständige Lehrerin im 3. Volksschuljahr regelmäßig den ganzen Vormittag an meinem Aufsatz werkeln, während die übrige Klasse schon längst wieder beim Rechnen oder sonstwas war.


01.12.2017

Hinter dem aktuellen Glyphosat-Streit – wie hinter fast allen strittigen Themen im Bereich Agrarwesen und Lebensmittelproduktion – steckt die Frage: Was ist/wäre eine „fortschrittliche Landwirtschaft“ im 21. Jahrhundert? Hierzu sind derzeit zwei konträre Grundsatzantworten im Umlauf.

1.) Fortschrittlich seien möglichst großflächig und quasi industriell zu bewirtschaftende Monokulturen, bepflanzt mit eigens dafür genetisch konstruierten Früchten und auf dem Acker produziert mit Hilfe dafür eigens entwickelter chemischer „Optimierungsstoffe“.

2.) Fortschrittlich sei eine moderne Bäuerlichkeit, die auf kleiner gehaltenen Wechsel- und Mischparzellen den gesamtökologischen Erfordernissen gerechter wird und zugleich die mittel-/langfristig entscheidende Produktivkraft des Agrarwesens bewahrt sowie aktuell optimal nutzen kann: die Biodiversität.

Es wird nun kaum jemanden wundern, dass ich selbst zu Antwort Nr. 2 neige und hinzufüge: Nr. 1 ist m.E. in Wahrheit eine rückständige Produktionsweise, weil sie a) alle modernen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Funktionsweise der lokalen wie globalen Ökosphären ignoriert. Und weil sie b) mittel- und langfristig selbst hinsichtlich der erforderlichen Nahrungsmittelmengen kontraproduktiv ist.


Andreas Pecht

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