Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Guten Tag allerseits – im Januar 2018

31.01.2018

Hin und wieder mal drei, vier Tage keine aktuellen Nachrichten lesen, sehen, hören und entsprechende Posts in den Netzwerken ignorieren: Das kann nicht nur dem eigenen Gefühlshaushalt ausgesprochen wohl tun. Auch das Hirn findet wieder zu geordneten Bahnen und besserer Übersicht. Ich kenne ein paar Leute, die schauen am Sonntag die gesammelten Lokalteile ihrer Regionalzeitung durch, lesen ansonsten bloß die eine oder andere der großen Wochenzeitungen sowie Bücher, schauen im TV gelegentlch ein Polit- oder Wissenschaftsmagazin. Gleichwohl gehören sie zu den bestinformierten Zeitgenossen mit dem größten Durchblick.


29.01.2018

Ja, mein Namensgedächtnis ist grottenschlecht, vor allem das für Kindernamen. Also kommt es mir wie ein Wunder vor, dass die meisten Frauen Dutzende Namen von Kindern aus Verwandtschaft und Nachbarschaft nebst deren Spielkameraden im Kopf haben und diese obendrein richtig zuordnen können. Das nicht nur für die aktuellen Kleinen, sondern auch für die inzwischen erwachsen gewordenen – plus deren Ehegesponste und wiederum nächsten Nachkommen. Mein Hirn hat allenfalls zehn Kindernamen abgespeichert. Die sich zudem nur selten auf Anhieb mit dem richtigen Gesicht verbinden. Weshalb mir am leichtesten und häufigsten dieser Name über die Lippen kommt: der/die „Dingens“.


28.01.2018

Thomas Melle ist ein Schriftsteller von Format. Zuletzt standen sein Roman „3000 Euro“ und die Depressionsstudie „Die Welt im Rücken“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Der 42-Jährige hat jüngst im Auftrag des Theaters seiner Geburtsstadt Bonn ein Stück geschrieben, das unter dem Titel „Der letzte Bürger“ nun in den Kammerspielen Godesberg uraufgeführt worden ist. Doch der von Alice Buddeberg inszenierte Abend will nicht richtig zünden. Das Gegenwartsstück versandet bald in einer trockenen, plakativ psychologisierenden Familienaufstellung.

Meine Premierenkritik hier
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent

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Das Foto seiner Agentur präsentiert den Dirigenten Diego Masson im Alter von vielleicht 60 Jahren. Ans Chefpult der Rheinischen Philharmonie trat am Wochenende beim Anrechtskonzert des Koblenzer Musik-Institut aber ein sichtlich betagter, 82-jähriger Maestro. Im Mittelpunkt des Abends stand als Solistin die fabelhafte Flötistin Jasmine Choi mit Werken aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Beschlossen wurde das Konzert mit einem Klassiker: Schumanns „Rheinischer“ Sinfonie – in so behäbiger Interpretation, dass von rheinischer Lebensfreude leider bloß noch Betulichkeit blieb.

Meine Konzertbesprechung hier
3600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ Text, 49 Cent


25.01.2018

Anfang Januar löste auf meiner Facebook-Seite ein kleines Textchen über das Malheur des offenen Hosenschlitzes beim Manne (s.u. Eintrag vom 5.1.2018) ein munteres Pallaver aus. Als ich Freund Walter davon erzählte, inspirierte ihn das zur Entwicklung eine Theorie, die womöglich die gesamte abendländische Kleiderordnung der Neuzeit infrage stellt. Was wiederum für mich Grund genug ist, diesem revolutionären Modeansatz  die aktuelle Folge 156 meiner Monatskolumne „Quergedanken“ zu widmen.

Quergedanken Nr. 156: Von Männern und Röcken
(freier Lesetext, 3600 Anschläge)


24.01.2018

Es macht einen zornig, dass die Welt das kurdische Volk (mal wieder) im Regen stehen lässt. Gleichmütig schaut sie tatenlos zu, wie Erdogans großtürkisches Militär versucht, ausgerechnet jene niederzukartätschen, die bis eben im Kampf gegen die IS-Barbaren die blutige Hauptlast getragen haben, den Bodenkrieg. Besonders schwer erträglich ist es für unsereinen, dass die türkische Invasion der kurdischen Selbstverwaltungszone Afrin in Nordsyrien mit Leopardpanzern und Haubitzen aus deutscher Produktion vorgetragen wird.


22.01.2018

Auch mit der größten und wohl bekanntesten Lovestory aller Zeiten kann man noch Überraschungen erleben: Im großen Schauspielhaus zu Frankfurt hatte jetzt „Romeo und Julia“ Premiere. Und um es gleich vorweg zu sagen: Textübertragung und Inszenierung durch Marius von Mayenburg ergeben eine der szenisch ungewöhnlichsten und interessantesten Moderne-Einrichtungen des Shakespeare-Klassikers, die wir über 30 Jahre in der Großregion von Köln bis Rhein-Main zu sehen bekamen. Obendrein liefert das nur siebenköpfige Ensemble hinreißende Spielleistungen ab. Der knapp dreistündige Abend vergeht wie im Flug; er ist gleichermaßen durchsetzt von feinsinnigem bis saftigem Humor wie von tief berührendem Ernst.

Meine Premierenbesprechung hier
(4200 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)

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In eigener Sache.
Es ist mal wieder DIE Situation eingetreten: Der allein arbeitende Kulturjournalist hat völlig den Überblick verloren über die seit Neujahr via PN, Mail, AB-Nachricht und Papierpost hereingefluteten Anfragen/Mitteilungen dienstlicher oder privater Natur. Dieses Manko wird sich in den nächsten zwei bis drei Wochen auch nicht beheben lassen. Denn NOCH stecke ich mit Haut und Haar im Schlussspurt für mein Buch, und zumindest die Grundlast des tagesaktuellen Broterwerbs will ja nebenher auch bewältigt sein. Also sei um Nachsicht gebeten, falls jemand derzeit sehr lange oder gar vollends vergeblich auf eine Reaktion meinerseits wartet.


20.01.2018

Beim behaglichen Samstagsfrühstück treiben die trägen Gedanken einmal mehr in seltsame Gefilde ab: Dereinst, als ich ein junger Kulturredakteur war, begegneten mir hin und wieder Kollegen anderer Blätter, die so unfassbar alt waren, wie ich es heute bin. Jene vertraten teils noch vehement die Auffassung, Popmusik, Popcornkino, Trivialliteratur und TV-Entertainment hätten in einem ordentlichen Zeitungs-„Feuilleton“ nichts verloren. Es dauerte einige Jahre bis ich zu der Einsicht gelangt bin, dass ihre Auffassung falsch und richtig zugleich ist. Falsch, insofern jedwedes gesellschaftlich signifikante Phänomen der analytischen, kritischen, auch satirischen Begleitung durch das Feuilleton bedarf. Richtig im Hinblick darauf, dass ein unterschiedsloses Nebeneinander von Kunst und bloßer Kurzweil unter der ausgewiesenen oder nur gedachten Rubrik „Unterhaltung“ dem publizistisch auklärerischen Grundauftrag des Feuilletons widerspricht.


18.01.2018

Verlegen. Nein, ich BIN nicht verlegen. Das kommt ohnehin selten vor, meist nur, wenn mir zu viel Lob zuteil wird oder mich jemand bei Schummeleien erwischt. Vielmehr: Ich HABE mich verlegen – im Schlaf den Leib offenbar so blöd verlagert und gelagert, dass jetzt Schulter und Genick schmerzen. Verlegen: Was ein seltsam mehrdeutiges Wort. Du legst den Schlüsselbund an der falschen Stelle ab und findest ihn nachher nicht mehr. Die Schlüssel sind dann keineswegs verlegen, sondern verlegt, was allerdings dich in Verlegenheitheit bringen kann – oder, falls es immer wieder geschieht, dich womöglich auch verlegen macht. Solltest du anderen die Schuld daran zuschieben, dann indes bist du nicht verlegen, sondern verlogen. Vielleicht findet sich ein Verleger, der diesen Text verlegt, sonst muss ich demnächst womöglich Teppiche verlegen.


17.01.2018

Es könnte der letzte Akt eines Musikdramas sein, für das sich 2003 in Rheinland-Pfalz der Vorhang hob: Das Philharmonische Staatsorchester Mainz soll wieder ins Staatstheater Mainz integriert werden. Wie unlängst von Sprechern des Theaters und des Kulturministeriums avisiert, soll die Re-Fusion bis Anfang 2019 kostenneutral und ohne Stellenverlust abgeschlossen sein. Damit wäre dann der RÜCKBAU der damals heftig umstrittenen Strukturreform für die drei rheinland-pfälzischen Landesorchester weitgehend abgeschlossen.

Mein kurzer Bericht hier
(freier Lesetext, 2400 Anschläge)


16.01.2018

Zwei kurze Gedanken zum Tagesbeginn:

1.)
Der Sinkflug der SPD bei den Wahlergebnissen wird nicht dadurch enden, dass man erklärt, die Partei wolle/müsse sich erneuern. Er würde wohl erstmal selbst dann nicht enden, wenn die Partei in einen tatsächlichen Prozess der Erneuerung einträte. Der Marsch grundlegender Erneuerung führt immer und überall zuerst mal zwangsläufig durch ein tiefes Tal – bevor er (vielleicht) mit neu geordneten Kräften, anderem Schritt und neuen Zielen zum doch immer noch mühsamen Anstieg übergehen kann. Wozu es allerdings nie kommen wird, solange man das Tal fürchtet wie sonst nichts. Die Republik braucht die GroKo nicht, um zu überleben. Aber sie könnte Schaden nehmen, wenn die deutsche Sozialdemokratie aus Angst vor der eigenen Erneuerung vollends von der Bildfläche verschwände.

2.)
Ein Werbeplakat am Straßenrand hat mich an eine schon früher gemachte Beobachtung erinnert: In den letzten 10 bis 15 Jahren haben Hochzeitsmessen schier inflationär zugenommen. Vorzugsweise in Schlössern oder anderen Repräsentativbauten veranstaltet, wird dort alles angepriesen, was zur Ausstaffierung des erträumten „schönsten Tages im Leben“ eines Paares gehören könnte. Offenbar ist Hochzeiterei im großen Ornat inmitten gehöriger Festopulenz ein zeitgenössischer Trend. Den begreife ich zwar partout nicht, erfreue mich aber bisweilen an der Freude, die junge Leute daran haben. Das ist wie mit den Gartenzwergen meiner früheren Nachbarin: Ich kann Gartenzwergen rein gar nichts abgewinnen, doch die Begeisterung der alten Dame für ihre zipfelmützigen Gipsfiguren war mir immer ein Vergnügen. Eine Alterserkenntnis indes darf man gerade den jungen Hochzeitern mit auf den Weg zur Hochzeitsmesse geben: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Prachtaufwand für die Hochzeit und der Standfestigkeit/Dauerhaftigkeit einer Ehe.


15.01.2018

Franz Kafkas „Amerika“ in Köln, „Das Schloss“ in Bonn, „Der Prozess“ in Mainz, ein Kafka-Projekt in Wiesbaden, „Bericht an eine Akademie“ in Kaiserslautern – seit diesem Wochenende „Das Schloss“ auch am Schauspiel Frankfurt, wo zuvor bereits „Die Verwandlung“ angelaufen ist: Kafka hat kein einziges Theaterstück geschrieben, doch findet sich kaum ein Theater mehr, das in jüngerer Zeit nicht Prosatexte von ihm für die Bühne zubereitet hätte. Nur zu gut passt wohl sein großes Zentralthema der quälenden Macht- und Hilflosigkeit des Individuums gegenüber undurchschaubaren Systemkräften in die Gegenwart.

Meine Kritik der fast vierstündigen Inszenierung Robert Borgmanns von „Das Schloss“ in Frankfurt
(4200 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


14.01.2018

Bei so manchem Autor, mich eingeschlossen, ist es zumindest EINE Komponente des eigenen Tuns, was Peter von Matt über das Schreiben Franz Kafkas sagt: „Kafka lebte um des Schreibens willen. Er lebte nicht um des Geschriebenen willen. Wenn er eintrat in den Zustand des Schreibens, waren alle Fragen gelöst. Was immer ihn am Tag quälte, was ihn aufregte oder auch vergnügte, es war wie nicht mehr vorhanden, sobald er in der Nacht am Schreibtisch saß und vor seinen Augen auf dem Papier ein erster Satz sichtbar wurde. (…) Der einzelne Satz war für Kafka also nicht ein Medium, um etwas mitzuteilen, der einzelne Satz besaß nur den Zweck des eigenen Entstehens, den Zweck seiner Vollkommenheit.“
(Gefunden gestern bei Frankfurter Premiere im Programmheft zu Robert Borgmanns Inszenierung von Kafkas „Das Schloss“)


13.01.2018

So ein Gedanke beim geruhsamen Samstagsfrühstück >
Wirft man einen kleinen Blick hinaus über den Tellerrand des alltäglichen Polit- und Wirtschaftsfurors, stößt man unweigerlich auf einen beunruhigenden größeren Zusammenhang: Die Entwicklung der menschlichen Zivilisation ist gerade dabei, sich in einem Absurdum festzufahren. Die heutige Weltwirtschaftsweise folgt der Maxime, wonach permanentes Wachstum oberstes und alternativloses Ziel allen Wirtschaftens ist. Zugleich aber steht diese Maxime bei einer alsbald 8 bis 10 Milliarden Menschen umfassenden Weltbevölkerung einer absoluten Endlichkeit von Ressourcen und Belastbarkeit der globalen Ökosphäre gegenüber.


12.01.2018

Weil im neuen Jahr jetzt bereits die fünfte Anfrage eingegangen ist, ob ich die Moderation von dieser oder jener Diskussions-/Talkrunde übernehmen könnte: Ich mache schon seit einigen Jahren keine Moderationen mehr. Warum? Diese Rolle liegt mir einfach nicht. Punkt. Ich nehme auch nicht mehr als Diskutant an solchen Runden teil. Warum? Mein Denkapparat ist zu langsam für das moderne Schnellschnellkurz dieser Formate. Erfahrungsgemäß sind die anderen Diskutanten schon bei Frage 4 angelangt, da habe ich erst die Antwort auf Frage 1 beisammen. Ich schreibe und halte Vorträge. Das muss genügen. Um Verständnis sei gebeten.


09.01.2018

ad. Koalitionssondierung Union/SPD:

*kopfschüttel* Könnte es sein, dass die Führung der deutschen Sozialdemokratie ihre Partei umweltpolitisch gerade auf die gleiche Piste treibt, auf der sie sozialpolitisch schon mit Hartz IV so „erfolgreich“ war? Wobei, um da keine einseitigen Missverständnisse aufkommen zu lassen: Auch die CDU-Führung um „Umweltkanzlerin“ Merkel verfährt jetzt nach der Devise: Was kümmern uns unser Geschwätz und unsere Beschlüsse von gestern.

Das Elend an der Sache ist nicht, dass es für die SPD übel ausgehen wird. Das Elend ist vielmehr, dass beide große Parteien de facto signalisieren: So schlimm ist das nicht mit dem Klimawandel, auf zehn Jahre mehr oder weniger kommt’s nicht an. Und 2030 werden die ewigen Wachstumsparteien mit demselben Spruch vors Publikum treten wie jetzt: „realistische Einschätzung – die Klimaziele sind in so kurzer Zeit nicht mehr zu schaffen“.


08.01.2018

Jetzt gilt’s! Die Finalrunde ist eingeläutet, die Ziellinie endlich in Sicht. Das zehnte und letzte Kapitel meines Büchleins über 210 Jahre Musik-Institut Koblenz ist ausrecherchiert. Die verbleibende Schreibstrecke bemisst sich nicht mehr nach Monaten, allenfalls noch nach zwei, drei Dutzend Tagen. Auf denn, ans Werk!


07.01.2018

Dankenswerterweise ausgegraben von Rudolf Homann

„Was die klassische Rhetorik der Rechten betrifft, so können wir uns kurz fassen. Sie hätschelt immer die gleichen Ängste. Seit unvordenklichen Zeiten beschwört sie den Untergang des Abendlandes und den Verlust der Mitte. Regelmäßig beklagt die Partei der Bulldozer den Zerfall der Werte, die Partei der Korruption die sittliche Verwahrlosung, die Partei der Banausen die Zerstörung der Kultur. (…) Dass das drohende Versinken in Anarchie und Chaos ausgeblieben ist, darin sehen sie keinen Grund, sich zu revidieren; sie betrachten es als ihr Verdienst. Unverdrossen warnen sie uns vor Überfremdung und Unterwanderung und fallen uns mit Identitätsproblemen und Orientierungsverlusten auf die Nerven, mit denen das Gemeinwesen angeblich zu kämpfen hat.“

HANS-MAGNUS ENZENSBERGER,
Mittelmaß und Wahn, Frankfurt 1988

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So. Die gute Stube ist entweihnachtet, das Festbäumchen entsorgt. Sein abgeschnippeltes Geäst dient nun als befestigende Auflage für den matschig gewordenen Wiesenpfad zu Brennholzlager und Mülleimern. Hier verkommt nichts. Das Stämmchen zu Ofenstücken zersägt und dem Holzstapel für nächsten Winter zugeführt. Frühling kann kommen. Fragt sich nur, was wird zuerst eintrudeln: Frühjahrsmüdigkeit oder Frühlingsgefühle. Mir kämen Letztere zupass.


05.01.2018

Alltagsgeschichtchen:

Er wird – vornehmlich in der Damenwelt – allzu oft völlig missverstanden: der Herren Griff dorthin, wo in der Hose ihr Gelege, Gehänge, Gelärsch, Gemächt gelagert, gebunden, gewickelt oder gezwackelt ist. Gewiss, es gibt es diesen Griff auch als demonstrative Protzgeste „Achtung, hier bin ich, der Mannnnn!“. Gewöhnlich und zumeist dient er jedoch entweder der Vergewisserung „Ist noch alles da?!“ oder dem Bemühen, schmerzhaft kneifender respektive quetschender Fehllagerung des zivilisatorisch beengten Naturapparates Abhilfe zu schaffen.

Noch häufiger indes resultiert der Griff aus der simplen Unsicherheit „Ist die Hose richtig zu?“. Man(n) möchte vermeiden, was mir heute in der Früh Peinliches widerfuhr. Die Bäckerin beugt sich über den Tresen und flüstert mir zu: „Ihr Hosenschlitz steht offen.“ Das Gesicht nun wohl sehr gut durchblutet, drehe ich mich dezent zur Seite, versuche das Malheur unauffällig zu beseitigen. Ziehen, zuppeln, zerren – nichts hilft, denn der Reißverschluss ist von unten her aufgerissen; mithin kaputt. Notgedrungen mittels Brötchentüte getarnt, schleiche ich von hinnen. Und bin doch der Bäckersfrau dankbar, dass sie mich nicht ahnungslos in die Schmach eines ganzen Tages mit offenem Laden hat ziehen lassen.


04.01.2018

Da jetzt mehrfach angefragt wurde: Nein, selbst wenn ich wollte, könnte ich mein unten verlinktes Neujahrsessay nicht (kosten)frei ins Netz stellen. Die diesbezüglich 2016 revidierten Verträge zwischen der Rhein-Zeitung und mir sind eindeutig. Freien Zugriff gibt es auf meiner eigenen Website nur noch auf die Neujahrsessays der Jahre 2000 bis 2015. Wer darin ein bisschen schmökern will, erreicht über den folgenden Link das Essay 2015, an dessen Ende auch alle vorherigen Jahreswechsel-Aufsätze verlinkt sind.

Neujahrsessay 2015:
Vorwärts in die Vergangenheit – 2014 drehte sich manches Rad rückwärts


02.01.2018

Mein seit anno 2000 alljährlich vielleicht wichtigster Zeitungsbetrag: das Neujahrsessay, abgedruckt in der Rhein-Zeitung jeweils am ersten Werktag nach Silvester. Heuer geht es von der Feststellung aus, dass der Homo sapiens zwei gegenteilige Grundzüge in sich vereint: Hier unbezähmbare Neugier und der ewige Aufbruchsdrang zu neuen Ufern; da das Prinzip „der Mensch ist ein Gewohnheitstier“ und hängt am Vertrauten. In heutigen Zeiten immer schneller vor sich gehender Umbrüche und Veränderungen treten beide Grundzüge in scharfen Widerstreit zueinander.

Das ganze Essay „Sind denn alle verrückt geworden?“
(11 600 Anschläge, kostenpflichtiger RZ-Text, 49 Cent)


01.01.2018

Wären da noch die obligaten guten Vorsätze fürs neue Jahr. Meine könnten heuer so gehen:

1. Ruhe bewahren.
2. Ein bisschen Nachdenklichkeit verbreiten.
3. Mit meinen bescheidenen Möglichkeiten für Menschlichkeit streiten.
4. Heiter bleiben.
5. Die Freude an den einfachen Dingen pflegen.
6. Mit Anstand ein Jahr älter werden.

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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