ape. Heimatgefühle, gestern: Pünktlich wie die sprichwörtlichen Maurer beginnen sie in der Früh mit der Arbeit, machen punkt 9 Frühstück, punkt 12 Mittag und ebenso pünktlich verdienten Feierabend. Mit Kleinbagger und Schaufel heben die beiden Straßenarbeiter bei jedem Wetter unsere Gasse entlang einen schnurgeraden Graben zwecks Gasrohrverlegung aus. Der eine spricht nur wenig Deutsch, ruft mir aber bei jedem Vorbeikommen radebrechend eine humorige Bemerkung zu, die ich leider kaum verstehe. Im Gegensatz zu seinem stets laut auflachenden Seniorkollegen, einem gemütlichen Ur-Westerwälder. Die beiden kommen sichtlich gut miteinander aus, nur dass der Alte den bisweilen übereifrigen Jungen hie und da etwas bremst. Sie haben die Ruhe weg und gehen doch mit zielstrebiger Sicherheit ihrem Auftrag nach.
Kleiner Waldspaziergang meinerseits zum Tagesbeginn. Schön, scheißkalt, aber die Sonne scheint und die Vögel turtelzwitschern. Hernach steht Resteeinkauf an. Will sagen: Beschaffung jener Alltäglichkeiten, die nicht aus eigener Ernte oder aus dem Bioladen kommen. Die Metzgerin seit 40 Jahren in breitestem Wäller-Dialekt (übersetzt): „Ich leg EUCH das Endstück so dazu, DU kannst’s vertragen.“ Meine Bäckereiverkäuferin seit 10 Jahren, über und über tätowiert, in Ruhrpott-Tonlage mit britischem Einschlag (weil mit einem eingewanderten Schotten verheiratet): „Au weh, von Ihrem Brot, Herr Pecht, ist keins mehr da. What nu?“
Später am Tag, runter ins Rheintal nach Koblenz: Gehobenes Essengehen ist angesagt. Im Rücken geht glühend die Sonne unter. An der Tankstelle kassiert ein junger Afrodeutscher, der herrliches Ur-Kölsch spricht. Im Restaurant bedient eine freundliche Asiatin, deren Hochdeutsch nach feinstem Oxford-English klingt und die dir Eingenarten wie Anbauhintergründe der Rhein-Mosel-Weine die Karte rauf und runter erklären kann. Der vom Ort stammende Koch spricht ein etwas geziertes Deutsch, das wohl die Kowelenzer Grundierung gern los wäre, aber nicht los wird.
Der Automat im Parkhaus will meinen Fünfer nicht schlucken. Ich hantiere anhaltend ungehalten – derweil hinter mir drei junge Männer türkischer, afghanischer oder balkanesischer Herkunft miteinander in mir fremder Sprache über irgendwas pallavern. Da tippt mir einer von ihnen auf die Schulter und sagt: „Soll ich sie helfen, Opa.“ Den Opa nehm‘ ich krumm, die Hilfe aber an. Der Helfer bringt den Apparat allerdings ebensowenig zur Vernunft. Worauf ich bemerke: „Du kannst es wohl auch nicht besser, Söhnchen.“ Verdutzte Blicke, dann allgemeines Gelächter.
Wie an diesem stinknormalen Tag, so mag ich sie – meine Heimat.
Andreas Pecht