Die beliebte Koblenzer Buchhändlerin und großartige Literaturvermittlerin ist 61-jährig gestorben
Koblenz. Ruth A. Duchstein ist tot. Die das literarische Leben in Koblenz und Umgebung so lange nachhaltig beeinflussende Frau erlag an diesem Mittwoch im Alter von 61 Jahren einer schweren Krankheit. Für Buchfreunde, insbesondere Literaturliebhaber nicht nur am Rhein-Mosel-Eck ist das eine schmerzhafte Nachricht. Denn viele nannten sie „meine Buchhändlerin“ – ein Redewendung der Wertschätzung, die Vertrautheit, Verlässlichkeit, Kundigkeit, Dauerhaftigkeit zum Audruck bringt. Der literaturinteressierte Kunde ließ sich beim Besuch im Koblenzer Stammhaus der Buchhandlung Reuffel gerne von ihr beraten; ließ sich von ihr gerne über Neuerscheinungen und noch unbekannte interessante Autoren orientieren; ließ sich gerne von ihr verführen, wieder mal einen Schritt in noch ungekannte Literaturgefilde zu wagen.
Die aus Mayen stammende Ruth A. Duchstein war über Jahrzehnte gemeinsam mit ihrem Mann Eberhard Inhaberin des Familienunternehmens Reuffel. Neben dem Gatten und den Kindern galt ihre große Liebe der Literatur. In ihr, mit ihr und für diese lebte die Vielleserin. Sie verstand sich nie nur als Buchverkäuferin, sondern stets ebenso als Ratgeberin und Vermittlerin in Sachen Literatur. Dies im Alltagsgeschäft beim freundlichen, launigen, sich für die Lektürevorlieben der Besucher interessierenden Gespräch, das oft in Leseempfehlungen einmündete, denen zu folgen immer ein geistig-emotionaler Gewinn war. Dies auch bei besonderen Formaten der Literaturvermittlung, zu denen sich die Buchhändlerin schon früh hingezogen fühlte.
Zwei der unter ihrer Ägide entstandenen und für das literarische Leben in Koblenz so bedeutsam gewordenen Veranstaltungsreihen seien genannt. Da ist das Festival „Koblenz ganzOhr“, 2008 ins Leben gerufen, bei dem sie sich um den literarischen Part kümmerte. Sie ließ ihre weit reichenden Kontakte zu namhaften Autoren und in die Verlagsszene spielen, brachte so für einen um den anderen Jahrgang bedeutende, spannende, vergnügliche Schriftsteller nach Koblenz – und trug derart entscheidend dazu bei, dass dieses Festival einen festen Platz mit hohem Ansehen im Koblenzer Kulturleben einnimmt.
Schon lange davor, in den frühen 1980ern, begann die bis heute existierende und blühende Reihe der Autorenlesungen in der Buchhandlung Reuffel. Grass, Walser, Widmer, Christa Wolf, Monika Maron, Genazino, Timm, Kunze … Wer Rang und Namen hat in der deutschsprachigen Literatur, war schon hier – war von Ruth A. Duchstein empfangen, betreut, verköstigt und dem Publikum zwischen den Regalen der Buchhandlung zugeführt worden. Die Hausherrin verstand sich auf Schriftsteller/innen, sie kannte ihre Werke und bald ebenso gut ihre Eigenheiten und/oder Empfindlichkeiten.
Kaum ein Literat, der sich nicht an die belesene und warmherzige Koblenzer Buchhändlerin erinnert, deren Freundlichkeit sich bisweilen mit kecker Schnippigkeit paarte, ohne indes je zu verletzen. In der „Zeit“ erzählte vor ein paar Jahren Wladimir Kaminer mit Schmunzeln: Diese Frau habe ihn mit der unverblümten Frage empfangen, was denn seine „Macke“ sei. Es gehörte wohl teils zum Naturell der Ruth A. Duchstein, war teils Ergebnis ihrer unaufhörlichen Beschäftigung mit den menschlichen wie allzumenschlichen Höhen und Tiefen in der Literatur: Die Neugierde auf und das Gespür für die Befindlichkeit von Zeitgenossen, mit denen sie zu tun hatte – seien es Autoren von Weltgeltung, Verlagsleute oder einfache Leser wie du und ich. Im vergangenen Jahr erhielt sie die Kulturehrennadel der Stadt Koblenz, geehrt wurde sie als „Botschafterin für die Welt des Lesens und der Bücher“.
Ruth A. Duchstein ist tot. Und sie wird fehlen: als Kennerin, Ratgeberin, Diskutantin, Anregerin und inspirierende Kraft in Sachen Literatur – und/oder einfach als lebensfrohe Freundin mit sehr großem Herz.
Andreas Pecht