Ehrlich, ich halte es für logisch, dass es etliche Geschlechter über die klassischen drei hinaus gibt. Frauen, Männer und Zwitter kennen wir seit Menschengedenken, weil deren Geschlechtsmerkmale meist auch äußerlich sind. Dass es daneben weitere geschlechtliche Möglichkeiten geben muss, war mir klar, seit ich in der Schulzeit begriffen hatte: Innendrin in Körper und Gehirn existiert ein gewaltiges vielgestaltiges, aber fürs Auge unsichtbares Universum. Darin laufen Billionen mikrobiologischer Prozesse ab, verbunden mit Milliarden von Weichenstellungen, die so oder so mit dem sozialen Leben verkoppelt sind und so, so oder ganz anders ausgehen können.
Berücksichtigt man noch, dass ein Grundprinzip der Evolution die Ausbildung möglichst großer Vielfalt ist, kann man nur müde den Kopf schütteln über die Annahme, der Homo sapiens bestehe von Natur nur aus zwei Geschlechtern. Schon das dritte offensichtliche, der/die Zwitter, konnte nur deshalb ins Abseits der vermeintlich „krankhaften Missbildungen“ verbannt werden, weil es eine Minderheit ist. Die Mehrheitsgesellschaft und die Mächtigen stehen auf klare Verhältnisse. Ordnung muss sein: Ein Bub ist ein Bub, ein Mädchen ein Mädchen – und wer das nicht ist, wird zwangsweise dazu gemacht.
Da spielt wieder die alte Leier, die uns auch weismachen will, die Kleinfamilie aus Vater, Mutter, Kind sei seit Urzeiten die natürlichste Form des Zusammenlebens. War sie zwar über Jahrzehntausende nicht, aber wir haben uns in den letzten paar Generationen halt an diese „Normalität“ gewöhnt. Spätestens seit der Befreiung der Homosexualität aus der Illegalität sollte indes begriffen sein, dass altes Normalitätsverständnis oft eine zweifelhafte Sache ist. Auf dem Themenfeld der sexuellen Orientierungen ist deutlich geworden: Was der Mainstream über Jahrhunderte für anormal, krankhaft, moralisch verwerflich hielt, sind in Wahrheit von der Natur angelegte Varianten geschlechtlicher Lebensart. Schwul, lesbisch, hetero-, bi-, a- oder wie auch immer -sexuell: Das alles steckt, wenn man so will: im Schöpfungsplan. Und wo kein Missbrauch im Spiel, sollte heutzutage auch jeder nach eigener Fasson glücklich werden dürfen.
Nun ist just zur Fassenacht ein saublöder Streit ausgebrochen über die Einrichtung von eigenen Toiletten für Geschlechter jenseits von männlich/weiblich. Eine große Fraktion lamentiert darüber wohl nur deshalb, weil ihr Weltbild die Existenz solcher Geschlechter schlichtweg leugnet oder sie von der hergebrachten Vorherrschaft der Zweigeschlechtlichkeit nicht abrücken will. Allerdings sind Freund Walter und ich ebenfalls gegen eine derartige Klosett-Reform; doch aus ganz anderen Gründen. Wir plädieren vielmehr, und das seit Jahrzehnten, für die völlige Aufhebung der Geschlechtertrennung bei den Toiletten.
Warum muss man im öffentlichen Raum machen, was privat kein Mensch tut und täte?: Eigene Klos für Männer, Frauen und andere Geschlechter einrichten. Warum auch, wo doch alle Menschen seit anno urtobak Latrinen zum gleichen Zweck gebrauchen. Es ist schon ein arger Humbug, wenn etwa in Theater- oder Konzertpausen die Damen in und vor „ihrem“ Toilettentrakt unruhig Schlange stehen, während nebenan bei den Herrn die Kabinen leer bleiben. Dieser Trenn-Quatsch wird uns schon in Kindergarten und Schule angewöhnt. Leute, Leute, richtet einfach überall Unisex-Kabinentoiletten als Standard ein und gut ist‘s. Für alle.
Andreas Pecht